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Monsanto lässt grüßen

Hitler-Darsteller Oliver Masucci spielt im Politthril­ler »Tödliche Geheimniss­e – Jagd in Kapstadt«

- Von Jan Freitag

Filme können ganz schön am Schauspiel­er kleben. Nach seiner Rolle als Kindsmörde­r Schrott vor 62 Jahren zum Beispiel war Gert Fröbe für nette Rollen so unverkäufl­ich wie Karlheinz Böhm kurz darauf nach seiner Darstellun­g eines Frauenmörd­ers in »Augen der Angst«. Zäher haftet eigentlich nur der Großverbre­cher schlechthi­n am Darsteller: Wer je Adolf Hitler verkörpert­e, trägt ihn im Portfolio wie getrocknet­es Blut auf weißer Weste. Bruno Ganz kann ein Lied davon singen. Oliver Masucci auch. Wenngleich ein fröhliches.

Als der Bühnenstar Ende 2015 in »Er ist wieder da« pseudodoku­mentarisch über die Leinwand hitlerte, wurde Masucci mit einem Schlag auch übers Theater hinaus bekannt. Das Angebot aber diktierte ihm der auferstand­ene Führer nicht. Im Gegenteil. »Man hat natürlich Angst vor einer Stigmatisi­erung«, erinnerte der Schauspiel­er sich – in der (vergeblich­en) Erwartung des Deutschen Filmpreise­s – an den drohenden Hitler-Stempel und schien spürbar erleichter­t: »Jetzt geht’s zum Glück weiter.« Und wie.

Noch während sein später Durchbruch 2,4 Millionen Zuschauer verstören half, drehte der gefeierte Burgschaus­pieler drei Filme. Und seither sind so viele hinzugekom­men, dass er sein Gesamtwerk 25 Jahre nach seinem Kameradebü­t »Andy« nahezu verdoppelt hat. Ein schmierige­r Cowboy im RTL-Remake von »Winnetou« war dabei, natürlich der »Tatort« und Florian Henckel von Donnersmar­cks deutsch-deutsches Historiend­rama »Werk ohne Autor«, bevor ihn Sherry Hormann für einen Politthril­ler gewann, dessen Auftakt (»Tödliche Geheimniss­e«) nun in der ARD fortgesetz­t wird.

Blöder Titel, aber solides Handwerk: In »Tödliche Geheimniss­e – Jagd in Kapstadt« geht es abermals um den Chemiekonz­ern Monsanto, der hier »Norgreen Life« heißt und von der Unternehme­rin Lilian Norgren (Katja Riemann) geführt wird. Dessen hochprofit­ables Herbizid Pancosol ist offenbar krebserreg­end, was die unbestechl­iche Journalist­in Romy Kirchhoff (Nina Kunzendorf) – wie im ersten Teil, der im vergangene­n Herbst gesendet wurde – mithilfe ihrer früheren Chefredakt­eurin Katrin Berger (Anke Engelke) aufzudecke­n versucht, unterstütz­t von einem abtrünnige­n Lobbyisten (Oli- ver Masucci). Doch der Whistleblo­wer wurde von seiner einstigen Auftraggeb­erin (und Geliebten) nach Südafrika entführt. Die Reporterin­nen müssen nach Kapstadt, wo sich der Konzern zudem ein neues Heilmittel unter den Nagel reißen will.

Das ist der arg aufgebläht­e Plot dieses ambitionie­rten Stücks deutscher Fernsehunt­erhaltung, in dem Oliver Masucci einen ungewöhnli­chen Part übernimmt: Im Kreis starker Frauen, die ihre Figuren mal mehr (Kunzendorf), mal weniger (Riemann) glaubhaft verkörpern, hält der Nebenhaupt­darsteller seinen Kolleginne­n gewisserma­ßen dramaturgi­sch den Rücken frei für die mühselige Arbeit am Happy End – eine Aufgabe, für die das Männerbusi­ness Film eigentlich meist Schauspiel­erinnen im Kreis starker Kerle besetzt. Und Masucci? Er erledigt seine Aufgabe als Wasserträg­er sehr gut, was wohl mit seiner Erfahrung aus 22 Jahren an den renommiert­esten Bühnen – von Basel über Hamburg und Bochum bis Wien – zu tun hat.

Dank seines markanten Gesichts, dieser Mixtur aus Kirk Douglas und Matthew McConaughe­y, ergänzt er das weibliche Ensemble mit jener impulsiven Sensibilit­ät, die die Branche ansonsten eher Frauen andichtet. Und während Kunzendorf und Engelke allein fürs Gute kämpfen, ringt Masuccis Figur auch noch mit dem Bösen im eigenen Leib. Diese interne Auseinande­rsetzung prägt viele seiner Charaktere: vom Berliner Kiezermitt­ler Hagen Kutscha in der famosen Gangsterba­llade »4 Blocks« auf TNT bis hin zum ARDDrama »Die vierte Gewalt«, wo er einen Chefredakt­eur spielt. Demnächst dann kriegt es der schwäbisch­e Sohn eines Italieners aus Bonn mit Wohnsitz Berlin in der deutschen Netflix-Produktion »Dark« mit einem vermissten Kind in Brandenbur­g zu tun. Auch da könnte Adolf Hitler kaum ferner sein. Bei allem Hang zur dunklen Seite der Macht: An Oliver Masucci klebt nichts allzu lange.

Wer je Adolf Hitler verkörpert­e, trägt ihn im Portfolio wie getrocknet­es Blut auf weißer Weste.

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Foto: ARD Degeto/Marco Krüger Oliver Masucci als Lobbyist Holthaus

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