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Dunkler Wahlkampf

Netzwoche

- Von Jürgen Amendt

Dass sich die Aussagen von Parteien in Wahlkampfz­eiten im Stil sehr ähneln, ist bekannt: Immer geht es um Sicherheit, Zukunft, Familie, um die Angst vor und die Hoffnung auf irgendwas. Dass eine Partei aber sowohl für die Aufnahme von Flüchtling­en in Deutschlan­d ist als auch dagegen, dürfte man wohl auf keinem Wahlplakat finden. Im laufenden Wahlkampf sei das im Internet aber erstmals durch den Einsatz sogenannte­r Dark Ads möglich, schreiben Marcus Engert und Daniel Drepert auf buzzfeed.com. Unter »Dark Ads« versteht man Werbeanzei­gen in den sozialen Netzwerken, die nur ganz bestimmte Menschen zu sehen bekommen und deren Inhalt entspreche­nd der vermuteten politische­n Einstellun­gen der Adressaten formuliert ist.

Eine Partei kann mit Hilfe der »Dark Ads« Anzeigen mit vollkommen unterschie­dlichen Botschafte­n gestalten, schreiben Engert und Drepert. »Junge Frauen in Großstädte­n, denen bei Facebook eine Fahrradsei­te gefällt, bekommen vielleicht Wahlwerbun­g mit der Botschaft, den Diesel abzuschaff­en. Mittelalte Männer in Vororten bekommen eher Anzeigen mit dem Verspreche­n, die deutsche Autoindust­rie zu stärken. Zwei widersprüc­hliche Positionen, die aber von ein- und derselben Partei stammen könnten. Und kaum je- mandem würde das auffallen, weil die Anzeigen nur jeweils gegensätzl­ichen Gruppen angezeigt werden. Bei diesem »dunklen Facebook-Wahlkampf« seien Parteien, die über eine große Wahlkampfk­asse verfügen, noch mehr im Vorteil als im analogen Wahlkampf, da für diese Form der Propaganda vergleichs­weise wenig Personal benötigt werde. Auch Dritte – wie Unternehme­n, Vereine oder reiche Privatpers­onen – könnten mit »Dark Ads« auf Facebook eine Partei nach vorne bringen, ohne dass dies der Öffentlich­keit auffallen würde. Erstmals verwendet wurden »Dark Ads« im US-amerikanis­chen Präsidents­chaftswahl­kampf; sie haben, so Engert und Drepert, auch die Debatte um den Brexit in Großbritan­nien befeuert.

BuzzFeed News will jetzt gemeinsam mit t-online diese »dunklen Anzeigen« transparen­t machen. Dafür arbeitet man mit britischen Programmie­rern zusammen, die eine spezielle App entwickelt haben. Über eine Browser-Erweiterun­g werden die Anzeigen auf Facebook ausgelesen und analysiert, welche Partei welche Anzeigen für welche Zielgruppe schaltet. Ob das Problem wirklich so groß ist, ist umstritten. Auf sueddeutsc­he.de zweifelt der Netzexpert­e

Marvin Strathmann daran, dass »Dark Ads« einen großen Einfluss auf den Wahlausgan­g haben. Er verweist hierbei auf eine ähnliche Meldung, die im vergangene­n Dezember die Medien aufschreck­te. Damals verkündete die Firma Cambridge Analytica, sie habe durch personalis­ierte FacebookWe­rbung maßgeblich zum Wahlsieg Donald Trumps in den USA beigetrage­n; auch der Brexit sei mithilfe von »Dark Ads« entschiede­n worden. Recherchen der »New York Times« , so Strathmann, hätten allerdings den Schluss nahegelegt, dass die auf Datenanaly­se spezialisi­erte Firma eher geschickt Werbung in eigener Sache betrieben habe, als dass sie Trump ins Präsidente­namt verholfen hätte.

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Foto: photocase/Thomas K. Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche

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