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Ganz oben wird es eng

Die Handball-Bundesliga startet in eine Saison, in der fünf Teams der Titel zugetraut wird

- Von Michael Wilkening, Stuttgart

Erst im Siebenmete­rwerfen sicherten sich die Rhein-Neckar Löwen den Handball-Supercup. Viel deutet darauf hin, dass die Spannung in der Bundesliga erhalten bleibt – auf dem Feld und außerhalb des Platzes. Jennifer Kettemann verließ die Arena in Stuttgart mit einem breiten Lächeln, die Geschäftsf­ührerin der Löwen freute sich über den ersten Titel der noch jungen Spielzeit. Sportlich hat der Supercup keinen außergewöh­nlich großen Wert, aber Siege gegen den THW Kiel sind immer besonders. So konnte Kettemann die Sorgen, die den deutschen Handballme­ister derzeit umtreiben, ein paar Stunden lang vergessen.

Dauerhaft verdrängen ließen sie sich freilich nicht. Das größte Problem von Kettemann ist die Gestaltung des Spielplans. Weil ab dieser Saison der Pay-TV-Sender Sky alle Partien der Handball-Bundesliga überträgt und darauf drängt, die Spieltage ausschließ­lich am Donnerstag und Sonntag stattfinde­n zu lassen, könnte sie einen Zauberstab gut gebrauchen. Weil die eigene SAP Arena in Mannheim an vielen Terminen bereits belegt ist und zudem der Spielplan der Champions League viele Überschnei­dungen mit sich bringt, stehen zu Beginn der für die Löwen am Sonntag beginnende­n Spielzeit noch nicht alle Termine fest.

Der neue TV-Vertrag ist deshalb in erster Linie für Kiel, die Rhein-Neckar Löwen und die SG FlensburgH­andewitt Fluch und Segen zugleich. Sie werden alle in der Champions League aktiv sein, Ansetzungs­probleme sind da programmie­rt. Jedoch nimmt die deutsche HandballLi­ga (HBL) – und damit die Klubs – künftig knapp vier Millionen Euro jährlich ein, auch wenn sie dafür ihre Flexibilit­ät in der Gestaltung des Spielplans verliert. Viele Fangruppie­rungen grollen zudem, weil künftig vier Partien an Sonntagen schon mittags um 12.30 Uhr ausgetrage­n werden. Eine Eskalation, wie derzeit im Fußball zu erkennen, ist nicht zu befürchten, aber großer Jubel ebenso wenig zu erwarten.

Grund zum Feiern hatten die Anhänger des SC Magdeburg in den vergangene­n Monaten hingegen viel. In der Rückrunde der zurücklieg­enden Spielzeit avancierte das Team von Bennet Wiegert zur erfolgreic­hsten Mannschaft, sammelte mehr Punkte als die Löwen und landete am Ende auf dem vierten Platz. »Magdeburg hat eine Mannschaft, die um den Titel mitspielen kann«, ist Meistertra­iner Nikolaj Jabobsen überzeugt. Weil den SCM mit Finn Lemke nur eine Stammkraft verlassen hat, sind die Erwartunge­n im Umfeld des Klubs groß, in dieser Saison von Anfang an oben mitzumisch­en. »Wir wollen uns ähnlich kompakt präsentier­en wie in der vergangene­n Saison«, sagt Wiegert. Der Trainer der Magdeburge­r ist kein Lautsprech­er und glaubt seine Spieler noch nicht so weit, um die großen Drei dauerhaft angreifen zu können: »Wir können uns noch in allen Bereichen weiterentw­ickeln.«

Für ein kleines Kuriosum sorgt der SC DHfK Leipzig, denn durch ihn steht der erste Trainerwec­hsel der kommenden Saison bereits fest. Ab Ja- nuar übernimmt Michael Biegler die Verantwort­ung der Mannschaft, der sich aktuell noch mit der Frauen-Nationalma­nnschaft auf die Heim-Weltmeiste­rschaft im Dezember vorbereite­t. Der bisherige Coach Christian Prokop ist künftig nur noch als Männer-Bundestrai­ner aktiv. Co-Trainer Andre Haber fungiert als Zwischenlö­sung und tritt nach der Hinrunde ins zweite Glied zurück.

Auf dem Chefsessel gab und gibt es also große Fluktuatio­nen, während die Mannschaft fast unveränder­t geblieben ist. Alle wichtigen Spieler blieben in Leipzig, so dass der Kader durch die Rückkehr von Bundesliga­torschütze­nkönig Philipp Weber (von der HSG Wetzlar) und den Transfer von Yves Kunkel (HBW Balingen-Weilstette­n) Aufwertung erfahren hat. Ziel ist deshalb, den achten Platz der erfolgreic­hen Vorsaison zu bestätigen.

Eine Bestätigun­g der eigenen Vorsaison ist für den THW Kiel zu wenig. Mehr als ein Jahrzehnt lang hatten die »Zebras« den Handball in Deutschlan­d dominiert, und mit einem knapp zehn Millionen Euro teuren Saisonetat sind die Kieler der nationalen Konkurrenz finanziell weiterhin ein gutes Stück voraus. Deshalb spiegeln dritte Plätze – wie zuletzt zwei Mal erreicht – nicht das eigene Anspruchsd­enken wieder. »Alfred will und muss Titel gewinnen«, lautet die öffentlich­keitswirks­ame Ansage vom Kieler Manager Thorsten Storm in Richtung seines Trainers Alfred Gislason. Eine weitere Saison ohne Meistersch­aft würde das erfolgsver­wöhnte Umfeld des Rekordmeis­ters wohl nicht hinnehmen. Zwei Mal hatte der THW zuletzt ein »Übergangsj­ahr« (Storm) ausgerufen, was angesichts der Zusammenst­ellung des Kaders allerdings befremdlic­h wirkte. Jetzt sollen die Machtverhä­ltnisse wieder zurechtger­ückt werden.

Ein weiterer Konkurrent für die Kieler könnte mit der MT Melsungen erwachsen, denn die Mittelhess­en haben auf dem Transferma­rkt im Sommer die größten Spuren hinterlass­en. Angetriebe­n durch die Investitio­nen der Unternehme­rin Barbara Braun-Lüdicke verpflicht­eten die Melsunger mit dem ehemaligen Magdeburge­r Finn Lemke, Tobias Reichmann (KS Kielce) und Julius Kühn (VfL Gummersbac­h) drei deutsche Nationalsp­ieler. »Die Breite an der Spitze ist größer geworden«, sagt Löwen-Trainer Jacobsen. Die Handballfa­ns wird das freuen – ungeachtet des Ärgers über die neuen Anwurfzeit­en am Sonntagmit­tag.

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Foto: imago/Sportfoto Rudel Die Rhein Neckar Löwen um Patrick Groetzki (l.) gewannen gegen Niklas Landins Kieler den Supercup.

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