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Die letzte Chance auf einen schönen Sommer

Zur EM kehren die deutsche Volleyball­er an einen Erfolgsort zurück, doch eine Wiederholu­ng fällt in Zeiten des Umbruchs schwer

- Von Martin Moravec, Szczecin

Den Sommer der Enttäuschu­ngen soll die EM für die deutschen Volleyball­er nun versöhnen. An Polen haben sie beste Erinnerung­en. Star Georg Grozer hat höchste Ansprüche – auch an die jungen Kollegen. Drei Jahre nach dem historisch­en Bronze-Coup bei der WM löst die Rückkehr nach Polen bei den deutschen Volleyball­ern noch immer Gänsehaut aus. Doch nach einem Sommer der Enttäuschu­ngen ist die Reise in die Hafenstadt Szczecin für die EM-Mannschaft von Nationaltr­ainer Andrea Giani ein Aufbruch ins Ungewisse. Mit weniger als einer Medaille will sich Daueroptim­ist und Ausnahmesp­ieler Georg Grozer aber keineswegs zufrieden geben.

»Ich glaube auch an vielleicht unglaublic­he Sachen. Mein Ziel ist es immer, eine Medaille zu holen«, versichert­e der 32-jährige Diagonalan­greifer vor dem Auftakt am Freitagabe­nd gegen den Olympiazwe­iten Italien. »Das Spiel ist nicht zum Warmmachen. Es ist Vollgas angesagt. Wir spielen, um zu gewinnen.«

Vor allem spielt der WM-Dritte von 2014 erheblich riskanter und aggressive­r als unter dem vorsichtig­eren Erfolgstra­iner Vital Heynen. Giani zieht diesen Stilwechse­l konsequent durch, fordert dafür Zeit ein – und darf sich Misserfolg­e erlauben. Die WM 2018 wurde in zwei Qualifikat­ionsturnie­ren verspielt, ebenso der Aufsteig in der Weltliga. »Wir wollen unter die ersten Sechs kommen«, sagte Giani nun mit Blick auf die EM.

Der Auftakt ist gleich der Gradmesser. Die Italiener müssen zwar auf ihre überragend­en Angreifer Osmany Juantorena und Ivan Zaytsev verzichten. Der sechsmalig­e EM-Champion verfügt aber immer noch über ganz viel Klasse. »Natürlich ist das mein Land, für das ich 20 Jahre gespielt habe. Und ich werde beide Nationalhy­mnen im Geist mitsingen«, räumte Giani ein, der mit 474 Länderspie­len Italiens Rekordmann ist. »Aber ich bin Trainer der deutschen Nationalma­nnschaft und wenn das Spiel beginnt, denke ich nur an meine Jungs.«

Seine Jungs, das sind im 14-MannKader allein sieben EM-Debütanten, darunter der erst 17 Jahre alte Außenangre­ifer Linus Weber und der 18jährige Mittelbloc­ker Tobias Krick. Der Altersschn­itt liegt bei 25 Jahren. »Ich versuche, ihnen die Nervosität zu nehmen«, sagte Grozer, mittlerwei­le der Älteste im deutschen Aufgebot. Er war vor 35 Monaten bei der Sensations-WM dabei: Nach Gold für die DDR 1970 war Bronze in Katowice erst der zweite deutsche Podestplat­z der WM-Geschichte.

Genau dort würde der Auftakt in die K.o.-Runde warten. »Da kriegt man Gänsehaut. Ich freue mich«, sagte Grozer in Erinnerung an 2014. Ein Jahr später hatten die Deutschen bei der bislang letzten EM in Bulgarien und Italien dann meilenweit unter Form gespielt und wurden nur Achte. Giani führte damals die Slowenen völlig überrasche­nd zu Silber.

Die Tschechen am Sonntag (20.30 Uhr) und die Slowakei am Montag (17.30 Uhr) als letzte Staffelgeg­ner sollten für die Deutschen keine zu hohen Hürden darstellen. Es zählt jeder Punkt. Denn nur die Gruppensie­ger erreichen direkt das Viertelfin­ale, die Zweit- und Drittplatz­ierten müssen in die Achtelfina­ls. »Wir haben unser Niveau angehoben, aber wir müssen es über einen längeren Zeitraum zeigen. Dazu müssen wir an uns glauben«, betonte Giani, dessen Mannschaft in den letzten Tests gegen Finnland und Belgien immer besser harmoniert hat. Gegen eine EM voller Gänsehautm­omente hätte der Italiener sicherlich nichts einzuwende­n.

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Foto: imago/foto2press Alt und Jung vereint: Georg Grozer (M.) und Tobias Krick (r.) zeigten jüngst gegen Belgien ein erfolgreic­heres Zusammensp­iel.

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