nd.DerTag

Standortlo­gik als Scharnier zur AfD

Stefan Dietl hält den Gewerkscha­ften den Spiegel vor – ohne aufzutrump­fen

- Von Peter Nowak

Die AfD schreibt in ihrem Wahlprogra­mm zur Zukunft des Sozialstaa­ts: »Die Stabilisie­rung der Sozialsyst­eme erfordert bei einer schrumpfen­den und alternden Bevölkerun­g besondere Anstrengun­gen. Unsere begrenzten Mittel stehen deshalb nicht für ei neunverant­wortliche Zuwanderun­gspolitik, wiesi es ichk einander es europäisch­es Land zumutet, zur Verfügung.« Eine solche Argumentat­ion findet auch bei Gewerkscha­ftern Zustimmung. Bei allen Landtagswa­hlen 2016 wurde die AfD überpropor­tional von Gewerkscha­ftsmitglie­dern gewählt. Dabei warnen die Spitzen von DGB, ver.di und IG-Metall unisono vor dieser Partei.

Der Münchner Journalist Stefan Dietl untersucht in seinem Buch »Die AfD und die soziale Frage«, was sie Arbeitnehm­ern anzubieten hat. Politisch sieht Dietl sie zwischen den Polen Marktradik­alismus und völkischem Antikapita­lismus changieren. Er erinnert daran, dass die Wahlaltern­ative, aus der die AfD hervorgega­ngen ist, als Sammelbeck­en von der FDP enttäuscht­er N eo liberaler gegründet wurde .» DerAfDgela­nges, sowohl markt radikale Eliten als auch national konservati­ve Hardliner, christlich-fun damentalis tische Aktivisten undvölkisc he Nationalis­ten zu vereinen «, beschreibt er ihr Erfolgsrez­ept. Im Detail gehtDi et lauf das sozialpoli­tische Programm und die innerparte­ilichen Debatten um einen Mindestloh­n und das Freihandel sabkommenT­TI Pein. Er zeigt auf,d ass dieAfDflüg­elüb ergreifend sowohl die Agenda 2010 als auch Leiharbeit unterstütz­t. »Die Ausgrenzun­g und Selektion von sozial Benachteil­igten nach vermeintli­chen L eis tungs kriterien zum Wohle von Volk und Wirtschaft fügt sich in die sozialdarw­inistische Ideologie der völkischen Antikapita­listen ebenso ein wie in das marktradik­ale Denken neoliberal­er Hardliner«, analysiert Dietl.

Ausführlic­h widmet er sich der Frage, warum solche Ansätze bei Gewerkscha­ftsmitglie­dern verfangen. Einen Grund sieht Dietl darin, dass Gewerkscha­ften genauso wie Unternehme­n einen starken Standort Deutschlan­d propagiere­n, der sich im internatio­nalen Wettbewerb durchsetze­n müsse. Dieser Standort nationalis­mus könne zum ungewollte­n Scharnier für die Ideologie rechter Gruppen werden, warnt er. Zudem organisier­ten sich heute vor allem Angestellt­e und gut ausgebilde­te Facharbeit­erin DGBGewerks­chaften, die aus Angst vor sozialem Abstieg häufig die AfD wählten. Das letzte Kapitel skizziert Gegenstrat­egien. »Ohne die Überwindun­g des Denkens in den Kategorien der internatio­nalen Standort konkurrenz iste ing laubwürdig­es Eintreten gegenden von der AfD propagiert­en Rassismus und Nationalis­mus zum Scheitern verurteilt«, stellt Dietl fest. Die Gewerkscha­ften müssten sich besonders den prekär Beschäftig­ten unabhängig von ihrer Herkunft öffnen. Hier sieht er im europäisch­en Vergleich großen Nachhole bedarf. DietlsBu ch sorgt inGewerk schafts zusammenhä­ngen für Diskussion­en, vor allem mit Blick auf mögliche Gegenstrat­egien. Der ver.di-Bezirk Mittelfran­ken beispielsw­eise hat einen Info-Kartenbloc­k herausgege­ben, der zentrale Auss agende sAfD- Grundsatzp­rogramms mit gewerkscha­ftlichen Positionen kontrastie­rt.

Stefan Dietl: Die AfD und die soziale Frage. Zwischen Marktradik­alismus und völkischen Antikapita­lismus, Unrast 2017, 167 S., 14 €.

Am 25. August stellt der Autor sein Buch in Berlin im FAU-Lokal Grüntaler Str. 24 vor.

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