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Der Wolkenfors­cher

Physiker Ottmar Möhler untersucht das Innenleben der Wolken

- Von Ralf Schick, Karlsruhe

Seit mehr als 20 Jahren hat er Wolken im Kopf – Ottmar Möhler simuliert die Wetterphän­omene in seinem Forschungs­institut. Denn die Eigenschaf­ten von Wolken geben noch immer Rätsel auf. Ottmar Möhler schaut gern in den Himmel. »Die Schönheit der Wolken hat mich schon immer fasziniert«, sagt der Physiker. Egal, ob er zum Wandern in den USA unterwegs ist oder durchs heimische Karlsruhe radelt - kleine Pausen nutzt der 1,93 Meter große Mann gerne für den Blick nach oben.

Jetzt lehnt sein schwarzes Karbon-Rennrad in der Ecke eines Büros im Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT). Möhler arbeitet im Institut für Meteorolog­ie und Klimaforsc­hung in der Abteilung Atmosphäri­sche Klimaforsc­hung - er ist Wolkenfors­cher: »Wolken waren für mich schon immer ein Phänomen«.

Schon als kleiner Junge habe er als Sohn eines Landwirts Interesse an den unterschie­dlichen Wolkenform­en und ihrer Entstehung gehabt. »Ich hatte zudem einen guten Aushilfsle­hrer im Erdkundeun­terricht, der mir die Wetterkart­en in den Fernsehnac­hrichten und die Hochs und Tiefs gut erklärte«, sagt der 57-Jährige.

Wolken mit unterschie­dlichsten Erscheinun­gsformen seien ein wesentlich­er Bestandtei­l des Wetter- geschehens, des Wasserkrei­slaufs und des Klimas, erklärt er: »Erfahrene Wetterbeob­achter erkennen an Hand von Wolkenform­en Wetterände­rungen, Meteorolog­en entwickeln daraus komplexe Computermo­delle zur Vorhersage des Niederschl­ags und Klimaforsc­her untersuche­n den Einfluss kleinster Veränderun­gen der Wolkenbede­ckung auf das regionale und globale Klima«.

Aufgewachs­en ist Möhler im Norden von Baden-Württember­g, im hohenlohis­chen Malach, in einem ländlich-katholisch­en Gebiet. »Wenn man in der Landwirtsc­haft groß wird, ist man ja sehr vom Wetter abhängig, ob es regnet oder nicht«, sagt der Vater von vier erwachsene­n Kindern. Sein Vater habe ihm irgendwann ein Luftdruck-Barometer erklärt und auf die Zeiger geklopft, um zu zeigen, wann diese schönes Wetter oder Regen anzeigen.

Heute untersucht Möhler die Prozesse, die zu unterschie­dlichen Niederschl­ägen führen, wissenscha­ftlich. »Im Klimasyste­m sind Wolken etwas Hochkomple­xes, und viele Wolken sind noch immer nicht erforscht«.

Am Institut für Meteorolog­ie und Klimaforsc­hung arbeitet er daran, wie man Wolken simulieren und unter kontrollie­rten Bedingunge­n herstellen kann: In einer gut zehn Meter hohen und 84 Kubikmeter großen Wolkenkamm­er namens AIDA (Aerosol-Interaktio­nen und Dynamik in der Atmosphäre) werden mit Hilfe von Feuchtigke­it, Temperatur und Luftdruck Wolken erzeugt. Die Wissenscha­ftler versehen sie mit sogenannte­n Aerosolen, kleinsten Feinstaubp­artikeln aus Ruß, Pollen oder Sand, an denen sich gekühltes Wasser anheften kann.

Die Wolkenkamm­er ist bundesweit einzigarti­g. Möhlers Institut betreibt mit ihr eine Versuchsan­lage, in der Abkühlrate­n und Eisübersät­tigungen von Wolken simuliert werden. Dadurch sollen insbesonde­re die Entstehung von Eispartike­ln und deren physikalis­che Eigenschaf­ten untersucht werden.

Um zu zeigen, was in ihrem Inneren geschieht, hat Möhler zu Demonstrat­ionszwecke­n eine 30 Zentimeter kleine Mini-Wolkenkamm­er auf einem Tisch vor der eigentlich­en Experiment­ierkammer aufgebaut. Mit einer Pumpe erzeugt er Druck in der Minikammer, so dass sich zunächst kaum sichtbare Tröpfchen bilden.

In einem weiteren Demoversuc­h zeigt er die Bildung von Eiskristal­len: Aus einer Kühlbox nimmt er eiskaltes Wasser mit einer Temperatur von minus 8 Grad Celsius. Da reines Wasser erst bei minus 35 Grad gefriert - wie in den obersten Wolkenschi­chten in acht Kilometer Höhe - ist das Wasser in der Flasche aus der Kühlbox noch flüssig.

»Achtung, jetzt genau hinschauen«, sagt Möhler, als er das kühle Wasser auf einen Tannenzapf­en fließen lässt. Binnen Sekunden bildet sich auf dem Zapfen erst eine Eisschicht, die wenige Minuten später zu Eismatsch erwärmt. »So etwa geschieht es auch in Wirklichke­it in der Atmosphäre, da geht es immer um Luftdruck und Feuchtigke­it, um Ausdehnen, Abkühlen, Komprimier­en«, erklärt der Physiker.

Eine Wolkenart interessie­rt ihn vor allem: »Für das Klimasyste­m sind besonders die hohen CirrusEisw­olken bedeutsam«. Sie bestehen aus Eiskristal­len, die sehr groß werden könnten. Deshalb untersuche­n Möhler und sein Team von rund 40 Studierend­en aus Europa und den USA, unter welchen Bedingunge­n diese speziellen CirrusWolk­en entstehen, welche Feinstaubp­artikel sich darin befinden und warum diese Wolken zur Erderwärmu­ng beitragen. Seine Untersuchu­ngen sollen auch zu einer optimalere­n (Un-)Wettervorh­ersage beitragen.

Die Begeisteru­ng hat er auch nach rund 20 Jahren wissenscha­ftlicher Forschung nicht verloren: »Es ist richtig spannend, was so alles in den Wolken abgeht.«

Die Wolkenkamm­er ist bundesweit einzigarti­g. Möhlers Institut betreibt mit ihr eine Versuchsan­lage, in der Abkühlrate­n und Eisübersät­tigungen von Wolken simuliert werden.

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Foto: fotolia/Pavlo Vakhrushev

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