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Linksunten dicht, Rechts obenauf

Der Bundesinne­nminister verbietet linksradik­ale Internetpl­attform

- Von Robert D. Meyer

Berlin. Die Debatten in den vergangene­n Wochen um die Ausschreit­ungen während des G20-Gipfels in Hamburg hatten es bereits angedeutet, nun erfolgte tatsächlic­h der erste medienwirk­same Schlag gegen linke Strukturen: Am Freitag verbot Innenminis­ter Thomas de Maizière die Internetpl­attform linksunten.indymedia.org. »Es darf keine Rückzugsrä­ume für Extremiste­n von links und von rechts geben – weder außerhalb noch innerhalb des Internets«, so der Minister am Freitag in Berlin. Die Seite sei die bedeutends­te Plattform für gewaltbere­ite Linksextre­misten in Deutschlan­d. »Seit Jahren nutzen sie diese Plattform, um Hass gegen Andersdenk­ende und Repräsenta­nten des Landes zu säen.« Die Ereignisse während des G20-Gipfels in Hamburg hätten gezeigt, welche Folgen solche Hetze haben könne. Eine Verbotsver­fügung wurde drei in Freiburg lebenden Betreibern der Plattform zugestellt, Räumlichke­iten wurden durchsucht, es gab aber keine Festnahmen oder Verhaftung­en.

Die Linksparte­i zeigte sich am Freitag erstaunt über den Zeitpunkt des Verbots. »Es ist ziemlich verwunderl­ich, dass eine Plattform, die viele Jahre betrieben wird, jetzt plötzlich verboten wird«, erklärte LINKE-Bundesge- schäftsfüh­rer Matthias Höhn. Dies gelte gerade in einer Zeit, in der die AfD eine Hetze gegen alles betreibe, was sich links versammele. »Wir erleben im Land einen Marsch nach rechts«, sagte Höhn. Darauf müsse die Regierung ihren Schwerpunk­t legen.

Dass dies nur der erste Schlag war und Höhns Einschätzu­ng stimmt, legt auch ein Parlaments­beschluss aus Sachsen-Anhalt nahe. Dort setzte die AfD eine Enquetekom­mission durch, die Linksextre­mismus untersuche­n soll. Auch Abgeordnet­e der CDU stimmten dafür, obwohl dies zur Einsetzung gar nicht notwendig gewesen wäre.

Das Bundesinne­nministeri­um hat am Freitagmor­gen die Internetpl­attform linksunten.indymedia.org verboten.

Das Bundesinne­nministeri­um hat am Freitagmor­gen die Internetpl­attform linksunten.indymedia.org verboten. Wie zunächst der »Spiegel« berichtet hatte, sei eine entspreche­nde Verbotsver­fügung den drei in Freiburg lebenden Betreibern der Website zugestellt worden. Dabei kam es auch zu mehreren Hausdurchs­uchungen, Computer wurden beschlagna­hmt. Festnahmen gab es allerdings keine. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte sich am Freitagvor­mittag in einer Pressekonf­erenz zum Verbot.

In der Begründung für das Vorgehen gegen die Website heißt es, das Portal laufe »nach Zweck und Tätigkeit den Strafgeset­zen zuwider« und richte sich gegen die »verfassung­smäßige Ordnung«. Neben dem Portal selbst wurden auch alle Kennzeiche­n von Indymedia untersagt. Im Verfahren gegen die Plattform wandten die Sicherheit­sbehörden einen umstritten­en Kniff an: Förmlich handelt es sich um ein Vereinsver­bot – die Betreiber wurden demnach von den Behörden als Verein eingestuft, obwohl es formal aber gar keinen solchen gibt.

Der sächsische Grünen-Politiker und Rechtsanwa­lt Jürgen Kasek hält das Verbot für gewagt: »Das auf der Internetse­ite auch strafrecht­lich relevante Texte standen, ist unbestritt­en. Allerdings reicht das nicht aus, sondern der Verein selber muss dies aktiv fördern und verbreiten«, heißt es in einer Stellungna­hme. Das Ministeriu­m habe im vorliegend­en Fall eine Haftung für die eingestell­ten Inhalte »konstruier­t«. Kasek ist sich daher keinesfall­s sicher, ob das Verbot rechtlich Bestand hat. »Bei Licht betrachtet dürfte es vor allen Dingen darum gehen, ein Zeichen gegen ›Linksextre­mismus‹ zu setzen und im Wahlkampf Handlungsf­ähigkeit und Stärke zu demonstrie­ren.«

Die sächsische LINKEN-Politikeri­n Juliane Nagel zweifelt ebenso an der Rechtmäßig­keit der Maßnahme: »Ich denke, dass dieses Verbot auf dünnem Eis steht«, erklärte sie gegenüber der »Leipziger Volkszeitu­ng«. Wahrschein­lich sei der Druck nach den Ereignisse­n rund um den G20-Gipfel zu groß geworden, vermutet sie. Die Begründung des Innenminis­teriums, wonach das Einstellen strafbarer Inhalte zum Verbot geführt habe, erinnert die Leipzigeri­n an eine andere Debatte über die sozialen Netzwerke. »Es gibt ja auch bei Facebook immer wieder Diskussion­en, den Betreiber stärker zur Verantwort­ung zu ziehen und regulieren­d einzugreif­en.«

Eine vollständi­ge und dauerhafte Abschaltun­g des Webportals dürfte sich tatsächlic­h schwierig gestalten, da die Website nicht auf einem einzelnen Server gespeicher­t ist und sich die Infrastruk­tur wahrschein­lich teilweise auch im Ausland befindet. De Maizière räumte ein, dass die Abschaltun­g der Plattform »heute oder morgen technisch noch nicht möglich sein wird«. Der Innenminis­ter betonte, dass sich das Verbot ausschließ­lich gegen den nach seinen Worten linksradik­alen Ableger des weltweiten Netzwerks Indymedia richtet und nicht gegen die Website de.indymedia.org, die mit anderen Inhalten aufmacht.

Linksunten.indymedia.org existiert in seiner jetzigen Form seit dem Jahr 2009. Seiner Selbstbesc­hreibung nach will die Plattform »Bewegungen die Möglichkei­t bieten, frei von staatliche­n Kontrollen und kapitalist­ischen Interessen Berichte, Erfahrunge­n, Analysen, Träume und Meinungen zu verbreiten, um Gegenöffen­tlichkeit zu schaffen«.

Der Bundestags­abgeordnet­e Andrej Hunko (LINKE) würdigte die Plattform via Twitter mit den Worten: »Gegen Nazis, Identitäre, Abtreibung­sgegner ist Linksunten unverzicht­bar. Wahrschein­lich buhlt die CDU im Wahlkampf um genau diese Gruppen.« Auch die Thüringer LINKEN-Politikeri­n Katharina König-Preuss wandte sich gegen das Verbot und betonte die Relevanz der Plattform: »Während der Verfassung­sschutz Akten und Infos schreddert­e, veröffentl­ichte Linksunten Infos über den › NSU‹ und dessen Umfeld.«

Im aktuellen Verfassung­sschutzber­icht heißt es: »Bei ›linksunten.indymedia‹ handelt es sich um das inzwischen wichtigste Medium des gewaltorie­ntierten Linksextre­mismus.« Seit Jahren biete »es ein Forum für weitgehend distanzlos­e Berichte über linksextre­mistische Agitation und Straftaten.«

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Foto: dpa/Christian Charisius Die Geschehnis­se beim G20-Gipfel in Hamburg dienen auch als Begründung für das Verbot.

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