Linksunten dicht, Rechts obenauf
Der Bundesinnenminister verbietet linksradikale Internetplattform
Berlin. Die Debatten in den vergangenen Wochen um die Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg hatten es bereits angedeutet, nun erfolgte tatsächlich der erste medienwirksame Schlag gegen linke Strukturen: Am Freitag verbot Innenminister Thomas de Maizière die Internetplattform linksunten.indymedia.org. »Es darf keine Rückzugsräume für Extremisten von links und von rechts geben – weder außerhalb noch innerhalb des Internets«, so der Minister am Freitag in Berlin. Die Seite sei die bedeutendste Plattform für gewaltbereite Linksextremisten in Deutschland. »Seit Jahren nutzen sie diese Plattform, um Hass gegen Andersdenkende und Repräsentanten des Landes zu säen.« Die Ereignisse während des G20-Gipfels in Hamburg hätten gezeigt, welche Folgen solche Hetze haben könne. Eine Verbotsverfügung wurde drei in Freiburg lebenden Betreibern der Plattform zugestellt, Räumlichkeiten wurden durchsucht, es gab aber keine Festnahmen oder Verhaftungen.
Die Linkspartei zeigte sich am Freitag erstaunt über den Zeitpunkt des Verbots. »Es ist ziemlich verwunderlich, dass eine Plattform, die viele Jahre betrieben wird, jetzt plötzlich verboten wird«, erklärte LINKE-Bundesge- schäftsführer Matthias Höhn. Dies gelte gerade in einer Zeit, in der die AfD eine Hetze gegen alles betreibe, was sich links versammele. »Wir erleben im Land einen Marsch nach rechts«, sagte Höhn. Darauf müsse die Regierung ihren Schwerpunkt legen.
Dass dies nur der erste Schlag war und Höhns Einschätzung stimmt, legt auch ein Parlamentsbeschluss aus Sachsen-Anhalt nahe. Dort setzte die AfD eine Enquetekommission durch, die Linksextremismus untersuchen soll. Auch Abgeordnete der CDU stimmten dafür, obwohl dies zur Einsetzung gar nicht notwendig gewesen wäre.
Das Bundesinnenministerium hat am Freitagmorgen die Internetplattform linksunten.indymedia.org verboten.
Das Bundesinnenministerium hat am Freitagmorgen die Internetplattform linksunten.indymedia.org verboten. Wie zunächst der »Spiegel« berichtet hatte, sei eine entsprechende Verbotsverfügung den drei in Freiburg lebenden Betreibern der Website zugestellt worden. Dabei kam es auch zu mehreren Hausdurchsuchungen, Computer wurden beschlagnahmt. Festnahmen gab es allerdings keine. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte sich am Freitagvormittag in einer Pressekonferenz zum Verbot.
In der Begründung für das Vorgehen gegen die Website heißt es, das Portal laufe »nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider« und richte sich gegen die »verfassungsmäßige Ordnung«. Neben dem Portal selbst wurden auch alle Kennzeichen von Indymedia untersagt. Im Verfahren gegen die Plattform wandten die Sicherheitsbehörden einen umstrittenen Kniff an: Förmlich handelt es sich um ein Vereinsverbot – die Betreiber wurden demnach von den Behörden als Verein eingestuft, obwohl es formal aber gar keinen solchen gibt.
Der sächsische Grünen-Politiker und Rechtsanwalt Jürgen Kasek hält das Verbot für gewagt: »Das auf der Internetseite auch strafrechtlich relevante Texte standen, ist unbestritten. Allerdings reicht das nicht aus, sondern der Verein selber muss dies aktiv fördern und verbreiten«, heißt es in einer Stellungnahme. Das Ministerium habe im vorliegenden Fall eine Haftung für die eingestellten Inhalte »konstruiert«. Kasek ist sich daher keinesfalls sicher, ob das Verbot rechtlich Bestand hat. »Bei Licht betrachtet dürfte es vor allen Dingen darum gehen, ein Zeichen gegen ›Linksextremismus‹ zu setzen und im Wahlkampf Handlungsfähigkeit und Stärke zu demonstrieren.«
Die sächsische LINKEN-Politikerin Juliane Nagel zweifelt ebenso an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme: »Ich denke, dass dieses Verbot auf dünnem Eis steht«, erklärte sie gegenüber der »Leipziger Volkszeitung«. Wahrscheinlich sei der Druck nach den Ereignissen rund um den G20-Gipfel zu groß geworden, vermutet sie. Die Begründung des Innenministeriums, wonach das Einstellen strafbarer Inhalte zum Verbot geführt habe, erinnert die Leipzigerin an eine andere Debatte über die sozialen Netzwerke. »Es gibt ja auch bei Facebook immer wieder Diskussionen, den Betreiber stärker zur Verantwortung zu ziehen und regulierend einzugreifen.«
Eine vollständige und dauerhafte Abschaltung des Webportals dürfte sich tatsächlich schwierig gestalten, da die Website nicht auf einem einzelnen Server gespeichert ist und sich die Infrastruktur wahrscheinlich teilweise auch im Ausland befindet. De Maizière räumte ein, dass die Abschaltung der Plattform »heute oder morgen technisch noch nicht möglich sein wird«. Der Innenminister betonte, dass sich das Verbot ausschließlich gegen den nach seinen Worten linksradikalen Ableger des weltweiten Netzwerks Indymedia richtet und nicht gegen die Website de.indymedia.org, die mit anderen Inhalten aufmacht.
Linksunten.indymedia.org existiert in seiner jetzigen Form seit dem Jahr 2009. Seiner Selbstbeschreibung nach will die Plattform »Bewegungen die Möglichkeit bieten, frei von staatlichen Kontrollen und kapitalistischen Interessen Berichte, Erfahrungen, Analysen, Träume und Meinungen zu verbreiten, um Gegenöffentlichkeit zu schaffen«.
Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (LINKE) würdigte die Plattform via Twitter mit den Worten: »Gegen Nazis, Identitäre, Abtreibungsgegner ist Linksunten unverzichtbar. Wahrscheinlich buhlt die CDU im Wahlkampf um genau diese Gruppen.« Auch die Thüringer LINKEN-Politikerin Katharina König-Preuss wandte sich gegen das Verbot und betonte die Relevanz der Plattform: »Während der Verfassungsschutz Akten und Infos schredderte, veröffentlichte Linksunten Infos über den › NSU‹ und dessen Umfeld.«
Im aktuellen Verfassungsschutzbericht heißt es: »Bei ›linksunten.indymedia‹ handelt es sich um das inzwischen wichtigste Medium des gewaltorientierten Linksextremismus.« Seit Jahren biete »es ein Forum für weitgehend distanzlose Berichte über linksextremistische Agitation und Straftaten.«