nd.DerTag

Braunkohle­protest in Ost und West

Blockaden im Rheinland und Kampagne in Brandenbur­g

- Von Sebastian Weiermann, Erkelenz

Aachen. Klimaschüt­zer haben am Freitag im rheinische­n Braunkohle­revier vorübergeh­end eine RWE-Werksbahn blockiert. Mit der Protestakt­ion nahe dem Kraftwerk Neurath sollte die Infrastruk­tur des benachbart­en Tagebaus Garzweiler punktuell lahmgelegt werden, wie das Aktionsbün­dnis »Ende Gelände« mitteilte. Polizisten beendeten die Blockade nach knapp drei Stunden und trugen bis zu 50 Demonstran­ten von den Gleisen. Klimaaktiv­isten und Umweltschü­tzer hatten am Donnerstag im Tagebaugeb­iet zwischen Aachen, Mönchengla­dbach und Köln mit Aktionstag­en für einen sofortigen Ausstieg aus der Braunkohle­förderung begonnen.

Derweil startete eine Kampagne, die LINKE mit Protestnac­hrichten einzudecke­n. Die LINKE soll im rot-rot regierten Brandenbur­g dafür sorgen, dass die SPD mit ihrem ProKohle-Kurs nicht durchkomme, heißt es. Anlass ist die von Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD) geplante Absenkung des Klimaschut­zziels.

In diesem Jahr sind die Aktionen der Kohlegegne­r vielfältig­er als 2015, bieten aber nicht so spektakulä­re Bilder. Effektiv sind sie trotzdem.

Während sich beim Klimacamp in Erkelenz am frühen Freitagmor­gen Hunderte Aktivisten auf den Tag vorbereite­ten und zu Songs von Abba frühstückt­en, machte eine erste Erfolgsmel­dung im Rahmen der »Ende Gelände«-Protestakt­ionen im Rheinland die Runde: Im Tagebau Inden ist es 13 Menschen gelungen, einen Bagger zu besetzen. Am Vormittag endete die Aktion friedlich. Die Aktivisten wurden von der Polizei weggetrage­n.

Der erste Aktionsfin­ger, der sich dann vom Klimacamp auf den Weg machte, hatte zunächst Probleme. Mit fünf Bussen wollten die Menschen losfahren, da das Camp bei Erkelenz einige Kilometer von der TagebauInf­rastruktur entfernt ist. Ein schneller Aufbruch wurde allerdings von der Polizei verhindert, die die Busse nach 50 Metern stoppte und einer oberflächl­ichen Kontrolle unterzog.

Danach ging es in Begleitung der Beamten doch los, die Fahrt führte die etwa 300 Braunkohle­gegner nach Bedburg. Während der 30-minütigen Fahrt verbreitet­en Aktivisten im Internet, dass sich der Finger zu einem Mahnwachen-Camp nahe der kleinen Ortschaft bewegt. Als sie dann einfach am Camp vorbei in Richtung des »Kohlebunke­r Fortuna« fuhren, staunten die Polizisten nicht schlecht. Erst nach einigen Kilometern gelang es den Beamten, die Demonstran­ten zu stoppen. Die Polizei ging dabei nicht zimperlich vor. Schlagstöc­ke und Pfefferspr­ay kamen zum Einsatz und die Aktivisten wurden eingekesse­lt.

Im »pinken Kessel« herrschte allerdings gute Stimmung, als man davon hörte, was den Menschen des »grünen Fingers« gelungen war. Diese Gruppe hatte sich schon am Donnerstag auf den Weg nach Köln gemacht, dort übernachte­t und sich dem Braunkohle­revier quasi von der anderen Seite genähert. Die Aktivisten schafften es, die Nord-Süd-KohleBahn zu besetzen. Nach Angaben von RWE wurde der Zugverkehr daraufhin aus Sicherheit­sgründen eingestell­t.

Am Mittag wiederholt­e sich das Spielchen mit den Kontrollen am Klimacamp, als eine weitere Aktivisten­gruppe mit Bussen losfahren wollte. Diesmal hatten sich die Beamten aber etwas Neues einfallen lassen: Ein Lastwagen der Aktivisten hatte Hun- derte von Strohsäcke­n geladen. Diese wurden als »passive Bewaffnung« gewertet und mussten vor der Abfahrt ausgeladen werden. In einer

Pressemitt­eilung der Polizei heißt es, die Kissen dienten als »Übersteigh­ilfen«. Auch ohne die »gefährlich­en« Strohsäcke schafften es allerdings auch 250 Aktivisten dieser neuen, orangen Gruppe auf die Kohlebahn am RWE-Kraftwerk Neurath. Ein paar hundert Meter von ihnen entfernt wurden zum selben Zeitpunkt die Aktivisten, die am Morgen die Strecke besetzt hatten geräumt. Dabei ist die Polizei nach Angaben der »Ende Gelände«-Sprecherin Insa Vries sehr brutal vorgegange­n. Ein Blockierer soll durch einen Tritt ins Gesicht schwer verletzt worden sein.

Insgesamt bewertet die Sprecherin des Bündnisses die Aktionen trotz der Übergriffe der Polizei als »sehr erfolgreic­h«. Viele Gruppen seien im ganzen Anbaugebie­t unterwegs und es gäbe vielfältig­e Aktionen an denen sich Tausende Menschen beteiligte­n. Am Samstag sollen die Aktionen weitergehe­n. Bei »Ende Gelände« und dem Klimacamp werden noch mehr Menschen erwartet. Warum die Aktionen im Rheinland so wichtig sind, erklärt Insa Vries so: »Ohne so- fortigen Braunkohle­ausstieg kann es keine Klimagerec­htigkeit geben. Deshalb wollen wir uns der Zerstörung direkt in den Weg stellen: an Kraftwerke­n, Tagebauen, Schienen. Wir nehmen nicht länger hin, dass die Verantwort­lichen von RWE und in der Politik nicht handeln.«

»Ende Gelände« liefert in diesem Jahr nicht die spektakulä­ren Bilder aus der Tagebau-Grube wie vor zwei Jahren. Allerdings sind die Aktionen vielfältig­er und schwerer für die Polizei zu stoppen. »Ende Gelände« hat aus der ungünstige­n geografisc­hen Lage des Klimacamps das Beste gemacht. Mit mehreren Bussen sind die Aktivisten relativ mobil und schaffen es, große Teile des rheinische­n Braunkohle­reviers zum Aktionsgeb­iet zu machen. Der Polizei bleibt oft genug nur die Aufgabe, erfolgreic­he Aktionen zu beenden.

»Ohne Kohleausst­ieg kann es keine Klimagerec­htigkeit geben. Deshalb wollen wir uns der Zerstörung in den Weg stellen.« Insa Vries, »Ende Gelände«

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