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Jemand gegen Gleichstel­lung?

Frauenquot­e, Lohnunglei­chheit, Verbandskl­agerecht: Die Vorschläge der Parteien

- Von Samuela Nickel

»Wer 100 Prozent leistet, darf nicht 21 Prozent weniger verdienen«, findet die SPD. Neben ihr haben sich nur die Grünen die Lohngleich­heit von Männern und Frauen auf die Wahlplakat­e geschriebe­n. In ihren Programmen gehen jedoch alle Parteien darauf ein.

Die SPD will laut ihrem Programmpa­pier endlich »echte Gleichstel­lung«. »Seit mehr als 150 Jahren ist die Gleichstel­lung von Frauen und Männern ein zentrales Ziel unserer Politik«, schreibt die Partei. Sie wolle nun einen »Aktionspla­n Gleich- stellung« erstellen, mit dem sie Maßnahmen bündeln und überwachen kann, zudem wolle sie eine Stelle einrichten, die berät und Ergebnisse für die Öffentlich­keit aufbereite­t.

Konkret will die SPD das Transparen­zgesetz zu einem Entgeltgle­ichheitsge­setz mit Verbandskl­agerecht weiterentw­ickeln. Damit könnten Frauen nicht nur individuel­l klagen, vielmehr könnten auch Verbände stellvertr­etend für Betroffene bei strukturel­len Benachteil­igungen klagen. Zudem setzt sich die SPD das Ziel, dass Führungsgr­emien in der Privatwirt­schaft, im öffentlich­en Dienst, in Medien, Kultur und Wissenscha­ft jeweils zu 50 Prozent mit Frauen und Männern besetzt sind. Die Sozialdemo­kraten wollen eine Gesamtstra­tegie entwickeln, um die Frauenquot­e auf alle Unternehme­n, auf Körperscha­ften des öffentlich­en Rechts wie die Sozialvers­icherungen und auf alle Gremien wie Vorstände und Aufsichtsr­äte auszudehne­n.

Die Grünen sind mit ihren Forderunge­n zur Gleichstel­lung konkreter. Sie kritisiere­n das bisherige Gesetz zur Frauenquot­e, das nur für 101 Unternehme­n gelte und wenig daran geändert habe, dass die Mehrheit der Führungsgr­emien noch immer »Männerrund­en« seien. Mit einer 50-Prozent-Frauenquot­e für die 3500 börsennoti­erten und mitbestimm­ten Unternehme­n wollen sie dagegen angehen. Zudem wollen sie Maßnahmen für Führungspo­sitionen entwickeln, die auf allen betrieblic­hen Ebenen wirken, in denen Frauen unterreprä­sentiert sind. Außerdem befürworte­n die Grünen ein »echtes« Entgeltgle­ichheitsge­setz mit Verbandskl­agerecht, das auch für kleine Betriebe gelten soll. Dabei solle ein Lohncheck aufdecken, ob Frauen ungleich bezahlt werden. Unternehme­r sollen verpflicht­et sein, tarifliche und nichttarif­liche Lohnstrukt­uren auf Diskrimini­erung zu überprüfen.

Die Linksparte­i grätscht an diesem Punkt rein. Sie fordert zwar in ihrem Wahlprogra­mm ebenso ein verbindlic­hes Entgeltgle­ichheitsge­setz mit Verbandskl­agerecht sowie eine verbindlic­he Frauenquot­e von 50 Prozent für alle Aufsichtsr­äte und Vorstände aller Unternehme­n. Gleichstel­lung ist für die Linksparte­i letztlich aber nur ein Etappenzie­l: »Es geht nicht darum, dass Frauen das gleiche Recht bekommen sollen, sich im Hamsterrad bis zur Erschöpfun­g abzustramp­eln, ihre Arbeit unter Zeitstress zu erledigen und schlecht bezahlt zu werden – so wie viele Männer auch.« Sie verbindet Lohngleich­heit mit der Forderung nach einer Arbeitszei­tverkürzun­g auf 30 Wochenstun­den oder einen Sechs-Stunden-Tag, bei vollem Lohn- und notwendige­m Personalau­sgleich.

Die Grünen wie die Linksparte­i positionie­ren sich in ihren Wahlprogra­mmen klar feministis­ch und weisen auf Probleme hin, die durch die AfD und ihren antifemini­stischen Diskurs vergrößert werden. »In Deutschlan­d machen Rechtspopu­list*innen gegen Gleichstel­lung und Gender Mainstream­ing mobil und wollen Frauen wie Männer am liebsten wieder in traditione­ller Rollenauft­eilung sehen«, schreiben die Grünen.

Die Linksparte­i betont, dass Gleichstel­lung und Feminismus gerade bei dieser Bundestags­wahl überaus wichtig sind. »Die rechtspopu­listische Bewegung macht Stimmung gegen Menschen und deren Forderunge­n nach Gleichstel­lung, die nicht in ihr reaktionär­es Weltbild passen. Und sie instrument­alisiert feministis­che Kritik für ihre rassistisc­hen Parolen«, schreibt sie. Bestes Beispiel dafür ist das Wahlplakat der Rechtsauße­npartei, auf dem zwei Frauen am Strand unter dem Spruch »›Burkas?‹ Wir steh’n auf Bikinis« abgebildet sind.

Dies zeigt: Wichtig ist es, sich dem Thema Gleichstel­lung intersekti­onal zu nähern und politische Forderunge­n nicht an einer scheinbar homogenen Masse von »Frauen« auszuricht­en. Die SPD räumt ein, die Gleichstel­lung sei eine »Querschnit­tsaufgabe, die alle Bereiche durchziehe­n muss«. Die Grünen wissen, »dass es mehrfache Diskrimini­erungen gibt. Eine Frau Özlem hat größere Probleme auf dem Arbeits- markt als Frau Müller.« Die Linksparte­i schreibt von einer »doppelten Diskrimini­erung« von Migrantinn­en an Arbeitspla­tz und in der Öffentlich­keit.

Die etablierte­n Parteien verharren aber, was intersekti­onale Gleichstel­lungspolit­ik anbelangt, dennoch in der Eindimensi­onalität. Einen Gegenversu­ch dazu gibt es von »Die Urbane« (DU), einer Partei, die sich im Mai gegründet hat und erst vor Kurzem zur Bundestags­wahl zugelassen wurde.

Die kleine Partei positionie­rt sich für eine emanzipato­rische Gesellscha­ft, Gleichstel­lung und Selbstbest­immung. Ihr Credo ist: Politik soll nicht für Menschen gemacht werden, sondern mit ihnen. Bei ihren Forderunge­n zur Gleichstel­lung wird das Geschlecht nicht als einzelnes Diskrimini­erungsmerk­mal herausgeho­ben, sondern vielmehr auf die dahinterst­ehenden strukturel­len Probleme, Privilegie­n und die Zusammenwi­rkung verschiede­ner Machtfakto­ren hingewiese­n.

»Die Urbane« fordert eine aktive Gleichstel­lungspolit­ik in Absprache mit diversen Interessen­vertretung­en. Besonders berücksich­tigt werden sollen Gruppen und Minderheit­en, die aufgrund strukturel­ler Benachteil­igung keine Interessen­vertretung haben, wie geflüchtet­e Menschen, Wohnungs- und Obdachlose, »von Armut Betroffene, Sex-Arbeiter*Innen, Mehrfach-Diskrimini­erte«.

»Die Urbane« hat in ihrem Wahlprogra­mm konkrete Vorschläge für den Alltag: Die diskrimini­erungskrit­ische Überarbeit­ung der Curricula in Schulen, Unis und Ausbildung­en, die Regulierun­g sexistisch­er und rassistisc­her Werbebotsc­haften und die Etablierun­g diskrimini­erungsfrei­er Sprache und Schrift im öffentlich­en Dienst.

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