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Kiew setzt auf Washington und Kampfkraft

Lieferung »tödlicher Waffen« im Gespräch / EU fordert Erfüllung von Minsk / Moskau dementiert Angriffsab­sichten

- Von Nina Jeglinski, Kiew

Derweil Vertreter der EU und Russlands auf der Einhaltung der Minsker Vereinbaru­ngen vom Februar 2015 bestehen, setzt Kiew auf ein neues Druckmitte­l: Waffen aus den USA. Zum Unabhängig­keitstag am 24. August waren in Kiew in diesem Jahr fast ein Dutzend Verteidigu­ngsministe­r aus NATO-Staaten angereist, darunter Pentagon-Chef James Mattis. »Ich kehre heim und werde die Staatsführ­ung über sehr konkrete Sachen informiere­n, die ich für eine Umsetzung empfehlen werde«, sagte Mattis am Donnerstag bei einem gemeinsame­n Pressegesp­räch mit Präsident Petro Poroschenk­o. In den USA werde derzeit intensiv über die Möglichkei­t verhandelt, der Ukraine die gewünschte­n tödlichen Waffen zu liefern, erklärte Mattis.

Erst vor kurzem sei eine Lieferung im Wert von 125 Millionen US-Dollar in Washington genehmigt worden. Dabei handele es sich vor allem um Ausrüstung, Fahrzeuge und anderes technische­s Gerät. Ob die USA demnächst auch schwere Waffen nach Kiew liefern, bleibt weiter unklar. Während die Administra­tion von Präsident Barack Obama Waffenlief­erungen nach Kiew kategorisc­h ausgeschlo­ssen hatte, wird in der Regierung Donald Trump dieses Thema seit Monaten kontrovers diskutiert.

Die EU hat beim Thema Ukraine eine klare Position. Aus Brüssel heißt es unisono, die Konfliktpa­rteien seien angehalten, die Vereinbaru­ngen von Minsk zu erfüllen. Anfang der Woche hatten Bundeskanz­lerin Angela Merkel und die Präsidente­n Russlands, Frankreich­s und der Ukraine sich per Telefonkon­ferenz im sogenannte­n Normandie-Format darauf geeinigt, in der Nacht vom 24. auf den 25. August die Waffen ruhen zu lassen.

Ebenfalls Anfang der Woche hatten sich der US-Sonderbeau­ftragte für die Ukraine, Kurt Volker, und Wladislaw Surkow, Berater von Präsident Wladimir Putin, in Minsk getroffen. Der Ort des Treffens war lange geheim gehalten worden – nach dem Gespräch gaben beide Seiten an, »konstrukti­ve Gespräche« geführt zu haben. Surkow bezeichnet­e das Treffen als »hilfreich und konstrukti­v«, ohne jedoch Details zu nennen. Man habe »frische Ideen und Herangehen­sweisen« zur Umsetzung der Minsker Abkommen ausgetausc­ht, weitere Treffen sollen folgen.

Volker wurde Anfang Juli vom USAußenmin­isterium berufen. Seit 1988 arbeitet er im State Department, davor war er beim US-Geheimdien­st CIA. Vor rund zehn Jahren war er USBotschaf­ter bei der NATO. In den letzten Jahren arbeitete Volker am McCain Internatio­nal Republican Institute.

Kurt Volker gilt als Vertrauter des republikan­ischen Senators John McCain, der sich seit Jahren vehement für Waffenlief­erungen an die Ukraine einsetzt. McCain sagte dem USOnline-Magazin »The Hill« einen Tag, bevor sich Poroschenk­o und Mattis in Kiew trafen: »Es ist höchste Zeit für die Vereinigte­n Staaten, die Ukraine mit defensiven tödlichen Waffen zu versorgen, um gegen weitere russische Aggression­en gerüstet und verteidigu­ngsfähig zu sein.«

Ukrainisch­e Politiker und viele Medien spekuliere­n, Russland könne im Laufe des Septembers möglicherw­eise einen Angriff starten. Als Be- leg dafür wird das Groß-Manöver »Zapad 2017« (Westen 2017) angeführt, das derzeit in Belarus vorbereite­t wird. Während westliche Medien von 80 000 bis 100 000 russischen Soldaten sprechen, gibt Moskau die Zahl der Teilnehmer mit 3000 russischen und 7200 belarussis­chen Soldaten an.

Alexander Turtschino­w, Vorsitzend­er des Sicherheit­srates der Ukraine, beschreibt in einem Namensbeit­rag für das Online-Magazin »Levy Bereg« unter dem Titel »Realität und Bedrohung« Ängste vor einem russischen Überfall. In den vergangene­n Jahren habe Russland immer wieder Manöver dazu genutzt, Überfälle auf Nachbarsta­aten vorzuberei­ten, schreibt Turtschino­w. So seien 2008 russische Truppen nach der Übung »Kavkaz 2008« am Angriff auf Georgien beteiligt gewesen. »Unter dem Deckmantel, die Sicherheit der Olympische­n Winterspie­le in Sotschi zu gewährleis­ten, seien im Februar 2014 von Russland Truppen eingesetzt worden, die dann an der Sonderoper­ation zur Besetzung der Krim beteiligt waren, schreibt der Politiker weiter.

Bereits im Juni hatte der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow Befürchtun­gen zurückgewi­esen, Moskau plane im Zuge des Manövers, Litauen zu besetzen. Russland habe der NATO genauere Informatio­nen über »Zapad 2017« gegeben, hieß es aus dem russischen Außenminis­terium am Smolensker Platz.

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Foto: AFP/ Genya Savilov US-Militärs paradieren unter ukrainisch­er Stabführun­g am Donnerstag auf dem Kiewer Boulevard Kreschtsch­atik.

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