Yingluck auf der Flucht vor den Generalen
Thailands ehemalige Premierministerin entzog sich einer Gerichtsfarce mit ungewissem Ausgang
Yingluck Shinawatra, 2014 aus dem Amt geputschte ehemalige Premierministerin Thailands, ist offenbar auf der Flucht. Der oberste Gerichtshof sollte am Freitag das Urteil gegen sie verkünden. Von Yingluck fehlte beim Gerichtstermin jede Spur. Auch ihr Anwalt konnte keine Angaben machen, wo sich seine Mandantin befinde. Sie habe von Schwindelgefühlen gesprochen und versichert, beim nächsten Gerichtstermin im September zu erscheinen. Das Gericht zog die Kaution von 900 000 Dollar ein und erließ einen Haftbefehl gegen Yingluck.
In einer Nachricht an ihre Anhänger schrieb die Angeklagte noch am Donnerstag auf Facebook, dass jene, die sich um sie sorgen und ihr moralische Unterstützung geben wollen, »bitte nicht zum Gericht kommen«. Dennoch hatten sich am Freitag mehr als tausend Yingluck-Anhänger in der Nähe des Gerichtsgebäudes versammelt, um ihre Heldin zu unterstützen. In ihren Augen ist die gestürzte Regierungschefin Märtyrerin und Opfer einer Justizfarce. Ihre Gegner dagegen halten Yingluck für die korrupte Statthalterin ihres Bruders, die sich der Verantwortung entziehe. Thailändischen Medien zufolge hat Yingluck das Land am Mittwoch zusammen mit ihrem 15-jährigen Sohn über die grüne Grenze nach Kambodscha verlassen und sei von Phnom Penh via Singapur nach Dubai geflogen, wo ihr exilierter Bruder, Ex-Premier Thaksin Shinawatra, lebt.
Wer wollte es ihr verübeln. Yingluck war von der Regierung, die immer wieder Wahlen und damit die Rückkehr zu Demokratie verschiebt, vorverurteilt worden. Die allmächtige Autorität im Land, Putschführer und Premierminister Prayuth Chan- ocha, versäumte keine Gelegenheit, die von ihm gestürzte Premierministerin der Macht- und Amtsmissbräuche zu bezichtigen. Das zu beurteilen sei Sache der Richter, versicherte Prayuth, doch im Thailand der ausgesetzten Demokratie scheinen diese Richter keinesfalls unbefangen. Wohl auf Geheiß der Regierung hatten Banken schon mal mit der Konfiszierung von Yingluck-Konten begonnen, obwohl das Urteil noch ausstand.
Yingluck drohten zehn Jahre Haft. Ihr wird ein noch von ihrem Bruder initiiertes Reissubventionsprogramm zur Last gelegt, das den Staat acht Milliarden Dollar gekostet haben soll. Yinglucks mitangeklagter ehemaliger Handelsminister Boonsong Teriyapirom war mutig genug, zum Gerichtstermin zu erscheinen. Er wurde für schuldig befunden und kassierte 42 Jahre Haft, was wohl untrüglich darlegte, dass auch Yingluck mit keinerlei Gnade hätte rechnen können. Auch wenn sie wider Erwarten freigesprochen worden wäre, die Generale hatten vorgesorgt: Yingluck drohte eine Reihe weiterer Kriminalverfahren, um sicherzustellen, dass sie nie wieder die politischen Bühne betreten dürfe.
Während ihr Bruder Thaksin im August 2008 wenige Tage vor Prozessbeginn geflohen war, blieb Yingluck im Land und kämpfte vor Gericht, auch wenn der Kampf aussichtslos schien. Dabei unterhält die Putschregierung ein ähnliches Reissubventionsprogramm mit ähnlichen hohen Kosten, doch offenbar wird im Königreich mit zweierlei Maß gemessen. Premier Prayuth versuchte, den Putsch immer mit der Versicherung zu legitimieren, das Land in Richtung Versöhnung zu führen. Davon bleibt Thailand nach mehr als drei Jahren unter den Generalen weit entfernt. Zahlreiche Oppositionspolitiker sind in Haft oder im Exil und im Land herrschen scharfe Gesetze, die jeden politischen Diskurs, der den Generalen nicht genehm ist, unter Strafe stellen.
Die politische Novizin Yingluck, Thailands erste Frau an der Regierungsspitze, war insbesondere im Norden und Nordosten des Landes populär, wo ihr Bruder geradezu eine Revolution eingeführt hatte, indem er Bauern Zugang zu Kapital und Subventionen verschaffte.
Yingluck führte die Politik fort, die lange vernachlässigte Landbevölkerung erstarkte und wurde zur politischen Kraft, was der Bangkoker Elite missfiel. Verbunden mit ihrem Charme und ihrer charismatischen Erscheinung stellte Yingluck sicher, dass der Name Shinawatra in Thailand ein prominenter Name blieb, auch wenn die Generale keinen Aufwand scheuten, die Erinnerung daran aus dem allgemeinen Gedächtnis zu löschen.