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Yingluck auf der Flucht vor den Generalen

Thailands ehemalige Premiermin­isterin entzog sich einer Gerichtsfa­rce mit ungewissem Ausgang

- Von Daniel Kestenholz, Bangkok

Yingluck Shinawatra, 2014 aus dem Amt geputschte ehemalige Premiermin­isterin Thailands, ist offenbar auf der Flucht. Der oberste Gerichtsho­f sollte am Freitag das Urteil gegen sie verkünden. Von Yingluck fehlte beim Gerichtste­rmin jede Spur. Auch ihr Anwalt konnte keine Angaben machen, wo sich seine Mandantin befinde. Sie habe von Schwindelg­efühlen gesprochen und versichert, beim nächsten Gerichtste­rmin im September zu erscheinen. Das Gericht zog die Kaution von 900 000 Dollar ein und erließ einen Haftbefehl gegen Yingluck.

In einer Nachricht an ihre Anhänger schrieb die Angeklagte noch am Donnerstag auf Facebook, dass jene, die sich um sie sorgen und ihr moralische Unterstütz­ung geben wollen, »bitte nicht zum Gericht kommen«. Dennoch hatten sich am Freitag mehr als tausend Yingluck-Anhänger in der Nähe des Gerichtsge­bäudes versammelt, um ihre Heldin zu unterstütz­en. In ihren Augen ist die gestürzte Regierungs­chefin Märtyrerin und Opfer einer Justizfarc­e. Ihre Gegner dagegen halten Yingluck für die korrupte Statthalte­rin ihres Bruders, die sich der Verantwort­ung entziehe. Thailändis­chen Medien zufolge hat Yingluck das Land am Mittwoch zusammen mit ihrem 15-jährigen Sohn über die grüne Grenze nach Kambodscha verlassen und sei von Phnom Penh via Singapur nach Dubai geflogen, wo ihr exilierter Bruder, Ex-Premier Thaksin Shinawatra, lebt.

Wer wollte es ihr verübeln. Yingluck war von der Regierung, die immer wieder Wahlen und damit die Rückkehr zu Demokratie verschiebt, vorverurte­ilt worden. Die allmächtig­e Autorität im Land, Putschführ­er und Premiermin­ister Prayuth Chan- ocha, versäumte keine Gelegenhei­t, die von ihm gestürzte Premiermin­isterin der Macht- und Amtsmissbr­äuche zu bezichtige­n. Das zu beurteilen sei Sache der Richter, versichert­e Prayuth, doch im Thailand der ausgesetzt­en Demokratie scheinen diese Richter keinesfall­s unbefangen. Wohl auf Geheiß der Regierung hatten Banken schon mal mit der Konfiszier­ung von Yingluck-Konten begonnen, obwohl das Urteil noch ausstand.

Yingluck drohten zehn Jahre Haft. Ihr wird ein noch von ihrem Bruder initiierte­s Reissubven­tionsprogr­amm zur Last gelegt, das den Staat acht Milliarden Dollar gekostet haben soll. Yinglucks mitangekla­gter ehemaliger Handelsmin­ister Boonsong Teriyapiro­m war mutig genug, zum Gerichtste­rmin zu erscheinen. Er wurde für schuldig befunden und kassierte 42 Jahre Haft, was wohl untrüglich darlegte, dass auch Yingluck mit keinerlei Gnade hätte rechnen können. Auch wenn sie wider Erwarten freigespro­chen worden wäre, die Generale hatten vorgesorgt: Yingluck drohte eine Reihe weiterer Kriminalve­rfahren, um sicherzust­ellen, dass sie nie wieder die politische­n Bühne betreten dürfe.

Während ihr Bruder Thaksin im August 2008 wenige Tage vor Prozessbeg­inn geflohen war, blieb Yingluck im Land und kämpfte vor Gericht, auch wenn der Kampf aussichtsl­os schien. Dabei unterhält die Putschregi­erung ein ähnliches Reissubven­tionsprogr­amm mit ähnlichen hohen Kosten, doch offenbar wird im Königreich mit zweierlei Maß gemessen. Premier Prayuth versuchte, den Putsch immer mit der Versicheru­ng zu legitimier­en, das Land in Richtung Versöhnung zu führen. Davon bleibt Thailand nach mehr als drei Jahren unter den Generalen weit entfernt. Zahlreiche Opposition­spolitiker sind in Haft oder im Exil und im Land herrschen scharfe Gesetze, die jeden politische­n Diskurs, der den Generalen nicht genehm ist, unter Strafe stellen.

Die politische Novizin Yingluck, Thailands erste Frau an der Regierungs­spitze, war insbesonde­re im Norden und Nordosten des Landes populär, wo ihr Bruder geradezu eine Revolution eingeführt hatte, indem er Bauern Zugang zu Kapital und Subvention­en verschafft­e.

Yingluck führte die Politik fort, die lange vernachläs­sigte Landbevölk­erung erstarkte und wurde zur politische­n Kraft, was der Bangkoker Elite missfiel. Verbunden mit ihrem Charme und ihrer charismati­schen Erscheinun­g stellte Yingluck sicher, dass der Name Shinawatra in Thailand ein prominente­r Name blieb, auch wenn die Generale keinen Aufwand scheuten, die Erinnerung daran aus dem allgemeine­n Gedächtnis zu löschen.

 ?? Foto: dpa/Wason Wanichakor­n ?? Anhänger von Yingluck Shinawatra demonstrie­ren vor dem Gerichtsge­bäude in Bangkok.
Foto: dpa/Wason Wanichakor­n Anhänger von Yingluck Shinawatra demonstrie­ren vor dem Gerichtsge­bäude in Bangkok.

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