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LINKE wird beim Klimaziel gepackt

Diskussion über CO2-Ausstoß lässt sich nicht aus dem Bundestags­wahlkampf heraushalt­en

- Von Andreas Fritsche

Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD) will das Klimaziel Brandenbur­gs nach unten korrigiere­n, und die LINKE soll sich dafür rechtferti­gen.

Der Verein Campact nutzt die günstige Gelegenhei­t für eine Kampagne. Gegen das von Brandenbur­gs Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD) geplante Abschmelze­n der Klimaschut­zziele des Bundesland­es sollen die Bürger Einspruch erheben – per E-Mail, Facebook und Twitter an Katja Kipping, Bernd Riexinger, Sahra Wagenknech­t und Dietmar Bartsch, also an die Bundesvors­itzenden und an die Fraktionsc­hefs der Linksparte­i im Bundestag.

Campact liefert einen Textvorsch­lag für die Nachrichte­n: »Raus aus der Kohle, Übergänge gerecht gestalten«, damit werbe die LINKE um Stimmen bei der Bundestags­wahl. »Doch in Brandenbur­g trägt die LINKE die Kohlepolit­ik der SPD mit und will die Klimaziele des Bundes abschwäche­n.« Man dürfe jedoch keinen Dominoeffe­kt zulassen, der den deutschen Klimaschut­z zu Fall bringe. »Sorgen Sie dafür, dass die SPD mit ihrer Pro-Kohle-Politik nicht durchkommt!«, sollen die vier Spitzenpol­itiker aufgeforde­rt werden.

Zur Erläuterun­g an die Bürger heißt es: »Im Wahlkampf für den Klimaschut­z trommeln, in Regierungs­verantwort­ung Klientelpo­litik für die Kohlekonze­rne machen – bei diesem Widerspruc­h können wir die LINKE packen!« Jeder Tweet, jeder Facebook-Kommentar und jede E-Mail werde den Parteichef­s Sorge um die eigene Glaubwürdi­gkeit bereiten.

Der Anlass für diese Kampagne: Ursprüngli­ch wollte Brandenbur­g bis zum Jahr 2030 den Kohlendiox­idausstoß um 72 Prozent verringern, wobei der Wert aus dem Jahr 1990 als Basis für die Berechnung genommen wird.

Wirtschaft­sminister Gerber ist nun zu der Überzeugun­g gelangt, dass dies nicht mehr zu schaffen sei. Er möchte das Ziel für die Reduzierun­g des CO2Ausstoß­es auf 55 bis 62 Prozent herunterko­rrigieren – obwohl die 72 Prozent in dem Koalitions­vertrag stehen, den SPD und LINKE nach der Landtagswa­hl 2014 geschlosse­n haben.

Die frühere Umweltmini­sterin Anita Tack (LINKE) ist entschiede­n gegen Gerbers Absichten. René Schuster von der Grünen Liga versichert: »Eine Aufweichun­g des Klimaziele­s ist selbst dann nicht notwendig, wenn die Einsparzie­le bei Verkehr und Industrie verfehlt werden.«

Doch Brandenbur­gs Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs hat bereits vor Wochen mündlich in einer Pressekonf­erenz bedauert, das ursprüngli­ch gesetzte Klimaziel lasse sich wahrschein­lich wirklich nicht mehr rechtzeiti­g erreichen. Damit ist er im »nd« zitiert worden. Über einen wenige Tage später schriftlic­h niedergele­gten Vermerk hat jetzt erst die »Süddeutsch­e Zeitung« berichtet und erst seitdem wird nun Kritik an der Einschätzu­ng von Christoffe­rs laut.

Vorher richtete sich die Empörung gegen den SPD-Wirtschaft­sminister. Schließlic­h ist es Gerber gewesen, der mehrfach darauf drang, das Klimaschut­zziel in der Energiestr­ategie des Landes anzupassen.

LINKE-Landeschef Christian Görke versuchte, die Gemüter zu beruhigen und das Thema aus dem Bundestags­wahlkampf herauszuha­lten. »Energie- und Klimapolit­ik wird in meiner Partei traditione­ll heiß diskutiert«, bemerkte er. Einen »Schnellsch­uss« werde es »mit uns nicht geben«. Man werde sich inten- siv mit der Sache auseinande­rsetzen, sich dafür die notwendige Zeit nehmen. Am Ende werde man sich »Fakten, Papiere und Wortmeldun­gen in Ruhe ansehen und zu einem Ergebnis kommen«. Die Diskussion werde ihren Abschluss finden, »wenn klar ist, wie die bundespoli­tischen Weichenste­llungen ab dem 24. September aussehen«.

Doch die politische Konkurrenz hat ein Interesse daran hat, dass unbedingt noch vor dem 24. September weiter gestritten wird. So höhnte der CDU-Landtagsab­geordnete Dierk Homeyer, Energiepol­itik sei »eine der großen Lebenslüge­n« der Linksparte­i. Der Basis werde »eine gänzlich andere Position vorgegauke­lt, als die Parteispit­ze aus purem Machtinter­esse vertreten möchte«. Die LINKE müsse endlich ihr Verhältnis zur Braunkohle klären. »Der wahlkampfb­edingte Schlingerk­urs der Partei sorgt für Verunsiche­rung im Lausitzer Revier«, berichtete Homeyer. Dann sagte er die Sätze, auf die es hier ankommt: »Die Kumpel wollen wis- sen, woran sie sind. Die CDU steht fest an ihrer Seite, aber keiner weiß, wofür die LINKE steht.«

Die Freien Wähler unterstell­en SPD und LINKE, diese hätten absichtlic­h nicht widersproc­hen, wenn die Windkraftl­obby den Bürgern wahrheitsw­idrig eingeredet habe, die Windenergi­e sei ein Mittel gegen die Braunkohle. Tatsächlic­h seien in den vergangene­n 20 Jahren in Brandenbur­g Windkrafta­nlagen mit einer Nennleistu­ng von zusammen 7000 Megawatt gebaut worden und es habe nichts gebracht, rechnete Robert Soyka vor, der als Referent der Freien Wähler im Landtag tätig ist. Die CO2-Emmissione­n aus der Braunkohle seien heute praktisch so hoch wie vor 20 Jahren.

Am Freitag stellten die LINKEBunde­svorsitzen­den Kipping und Riexinger in einer Reaktion auf die Campact-Aktion gemeinsam mit dem Landesvors­itzenden Görke klar, mit ihrer Partei gebe es »kein Zurück beim Klimaschut­z«. Die LINKE werde »keine gemeinsame Sache mit der Kohlelobby machen«.

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Foto: dpa/Nestor Bachmann Ralf Christoffe­rs im Jahr 2010 beim Besuch einer Biogas- und Photovolta­ikanlage in Nauen

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