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Fiskus legt auf Schützen an

Nach einem Urteil des Bundesfina­nzhofs könnten Vereine, die Frauen ausschließ­en, die Gemeinnütz­igkeit verlieren

- Von Hagen Jung

Eine Minderheit der Schützenve­reine nimmt weiterhin nur Männer auf. Diesen könnte es nun an den Geldbeutel gehen. Dagegen stemmt sich der neue Düsseldorf­er Finanzmini­ster von der CDU.

Als sich Schützenkö­nig Roger vor drei Jahren im kleinen Wendlandor­t Sallahn beim Ehrentanz auf dem dörflichen Parkett drehte und das Bild davon durch die Medien ging, staunten viele. Vor allem Menschen, denen Schützenve­reine bislang als ultrakonse­rvative Gemeinscha­ften galten, denn: Beim Tanz hielt Roger nicht, wie seine Amtsvorgän­ger, eine Königin in den Armen, sondern seinen Partner Guido. Inzwischen sind schwule Schützenkö­nige keine Aufreger mehr in der Schützenwe­lt. Sie werden weitgehend werden akzeptiert. Aber Frauen? Die können noch immer ganz anderes erleben.

Bei manchen Schützenge­meinschaft­en gehen noch immer entsetzt die Federhüte hoch, wenn Frauen um Aufnahme bitten in die Männerbast­ion. Dort sind sie zwar gern gesehen, wenn es bei Festivität­en weiblicher Hilfe bedarf – zum Auftragen von Haxen, Bier und Schnaps etwa. Aber Frauen als Mitglieder? Das verbietet die Tradition! Eine Ansicht, die nun in den Finanzämte­rn Hoffnung auf höhere Einnahmen wecken dürfte. Bietet diesen doch das Frauenverb­ot einen willkommen­en Hebel, besagten Vereinen die Gemeinnütz­igkeit und damit das Privileg steuerlich­er Vergünstig­ungen zu entziehen.

Rechtferti­gten können die Ämter das mit einem jüngst gefällten Urteil des Bundesfina­nzhofs (BFH) in München. Dieses befasste sich exemplaris­ch mit einer Freimaurer­loge: Weil diese Gemeinscha­ft generell keine Frauen als Mitglieder aufnimmt, ist ihr Tun »nicht darauf gerichtet, die Allgemeinh­eit zu fördern«. Fazit: Die Loge hat ihre Gemeinnütz­igkeit verloren. Dieser Richterspr­uch könnte sich nun auch auf Vereine und ähnliche Gemeinscha­ften auswirken, die irgendwann einmal als gemeinnütz­ig anerkannt worden waren.

So beispielsw­eise auf die Schützengi­lde Ebstorf im niedersäch­sischen Landkreis Uelzen. Aktuell hat das Finanzamt dort jenen bereits anno 1289 als »Bruderscha­ft« gegründete­n Verein im Visier und prüft, ob er weiter als gemeinnütz­ig gelten darf angesichts des Urteils aus München. Beharrt die Gilde doch dem vermeintli­chen Zeitgeist zum Trotz auf ihrer Tradition: nur Männer in unseren Reihen!

Die Ebstorfer Gilde zählt zu der Minderheit der Vereine mit Frauensper­re. Der größte Dachverban­d der Schützenve­reine – der Deutsche Schützenbu­nd (DSB) – organisier­t zum Beispiel nicht weniger als 15 000 Vereine mit etwa 1,5 Millionen Mitglieder­n. Davon sind mittlerwei­le immerhin rund 320 000 weiblichen Geschlecht­s. Sie engagieren sich »in vielschich­tiger Weise an der Gestaltung des Vereinsleb­ens«, lobt der DSB. Er schwärmt von ihren hohen schießspor­tlichen Leistungen und betont ausdrückli­ch: »Die Werbung von neuen Frauen als Mitglieder gehört mit zu den wichtigste­n Aufgaben der Vereine.«

Eine solch frauenfreu­ndliche Empfehlung fehlt aber einer anderer Dachorgani­sation: Dem »Bund der historisch­en deutschen Schützenbr­uderschaft­en«, beheimatet in Köln und mindestens so katholisch wie der dortige Dom. »Für Glaube Sitte und Heimat« lautet das Motto der Gemeinscha­ft, die es im Jahr 2011 verhindert­e, dass in Münster ein schwuler Schützenkö­nig an der Seite seines Lebenspart­ners an Umzügen teilnehmen konnte. Auch dieser Verband kann es in Sachen Mitglieder­stärke durchaus mit deutschen Parteien und manch einer Gewerkscha­ft aufnehmen: Er organisier­t 600 000 Mitglieder in 1260 Vereinen. Von diesen vereinen aber sagen knapp 15 Prozent: Frauen müssen draußen bleiben!

Das sagt zum Beispiel auch die »St. Sebastianu­s Schützenbr­uderschaft Brühl«. Der reine Männerbund bietet eisern der Gefahr die Stirn, die ihm aus dem Urteil der Münchner Bundesfina­nzrichter erwächst. An der seit 1442 bestehende­n Ohne-FrauenTrad­ition werde man »nicht rütteln«, betonte der Vorsitzend­e der Bruderscha­ft Frank Pohl unlängst.

Zumindest in Nordrhein-Westfalen wissen solche Männerklau­suren den neuen Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er (CDU) an ihrer Seite. Gegenüber der Kölnischen Rundschau sagte der kürzlich: Es werde erst noch geprüft, ob und inwieweit das Finanzhofs­urteil zur Gemeinnütz­igkeit der Freimaurer auf andere Vereine mit ausschließ­lich männlicher oder weiblicher Zulassung übertragba­r ist. Er wolle alle Möglichkei­ten ausschöpfe­n, den Brauchtums­vereinen im Land die Gemeinnütz­igkeit zu erhalten. Engagierte­n sie sich doch auch für soziales Miteinande­r und auch für karitative Zwecke. Diese Position, so Lienenkämp­er, werde er auch gegenüber dem Bund vertreten.

Ob er damit Erfolg haben wird, darf indessen auch bezweifelt werden. Geldquelle­n, welche der Fiskus einmal entdeckt hat, lässt Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erfahrungs­gemäß nicht so einfach wieder zuschütten.

Offen ist jenseits dessen auch noch die Frage, wie sich die Entscheidu­ng des Bundesfina­nzhofs auf gemeinnütz­ige Vereine auswirken wird, die schon durch ihren Namen geschlecht­sspezifisc­h geprägt sind. Verliert etwa ein Frauenchor seine Steuererle­ichterung, wenn er partout keine Bässe mitsingen lassen möchte?

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Foto: ddp/Kai-Uwe Knoth Die Fingerstel­lung am Glas ist genau reglementi­ert: Schützen aus Uelzen bei der Traditions­pflege

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