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Annäherung der Ukraine an die EU

- Ann Esswein

Es ist ein langer Weg für die Ukraine zur Annäherung an die Europäisch­e Union. Bereits vor zehn Jahren begannen die Verhandlun­gen für das EU-Assoziieru­ngsabkomme­n. Am 29. November 2013 verließ der damalige Präsident Viktor Janukowits­ch den EU-Gipfel in Vilnius ohne eine Unterschri­ft unter das von seinem Volk geforderte Abkommen, was zu einem Auslöser der »Euromaidan-Revolution« wurde. Nach dem Regierungs­wechsel besiegelte der neue Präsident der Ukraine, Petro Poroschenk­o, 2014 sein Verspreche­n nach einer EU-Annäherung, doch der Pakt zwischen EU und Ukraine blieb weiterhin in der Schwebe. Im April 2016 votierte die Mehrheit der Niederländ­er gegen das geplante Assoziieru­ngsabkomme­n. Erst am 11. Juli 2017, dem Vorabend des Gipfeltref­fens von EU und Ukraine in Kiew, sollte das Dokument dann verabschie­det werden. Ab 1. September wird es offiziell in Kraft treten. Das Abkommen ist laut Thomas Frellesen, stellvertr­etender Leiter der EU-Delegation in der Ukraine, »das komplexest­e, welches die EU mit Drittlände­rn jemals abgeschlos­sen hat«.

Das 1200 Seiten starke Dokument ist in erster Linie ein Freihandel­sabkommen zwischen den Ländern, verspricht aber auch eine zukünftige Zusammenar­beit und Angleichun­g in Bereichen wie Außen- und Sicherheit­spolitik, Justiz, Energie, Wissenscha­ft oder Bildung. Schon in den vergangene­n Jahren konnte die Ukraine ihre Exporte in die EU deutlich steigern. Dennoch spricht die Juristin und Ukraine-Expertin Olga Batura in einer Analyse für die Bundeszent­rale für politische Bildung von einer »Integratio­n light«: Anders als beim Beispiel Norwegen werde die Ukraine in Zukunft nur eingeschrä­nkt die Freiheiten des EU-Binnenmark­ts genießen.

Ein Prinzip des Paktes lautet »Förderung gegen Forderung«. Schon im Frühjahr 2015 wurde der Regierung Poroschenk­o ein Forderungs­katalog als Zuckerbrot für die zukünftige EU-Annäherung übergeben. Innerhalb der nächsten zehn Jahre soll die Ukraine rechtliche, politische und wirtschaft­liche Bedingunge­n und Standards der EU durch Reformen umsetzen. Im Gegenzug wird der Ukraine Schritt für Schritt eine weitgehend­e Zollund Mengenfrei­heit im Handel, außerdem Reise- und Beschäftig­ungsfreihe­it, die Niederlass­ungsfreihe­it von Unternehme­n und der freie Finanz- und Kapitalver­kehr ermöglicht. Die EU hat dafür ein Unterstütz­ungspaket von 12,8 Milliarden Euro bereitgest­ellt.

Die Kernforder­ungen des Pakets sind neben einer Justiz-, Verfassung­s- und Wahlreform der Kampf gegen die Korruption. Das Zentrum zur Bekämpfung von Korruption bestätigte im Juli, die Ukraine habe bereits 20 von 35 der Anti-Korruption­sForderung­en erfüllt. Sie waren direkt mit der Visafreihe­it verknüpft. Seit Juni dürfen alle Ukrainer mit biometrisc­hem Pass für 90 Tage visafrei in die EU einreisen. Vor allem durch den »interperso­nellen Kontakt« sollen EU und Ukraine wirtschaft­lich, sozial und kulturell zusammenwa­chsen, so der Appell, dem bereits viele Ukrainer folgten. Laut der Presseagen­tur UNIAN besuchten allein im ersten Monat der Visafreihe­it mehr als 95 000 Ukrainer die EU.

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