Im Kampf gegen Windmühlen
Fledermäuse stehen zunehmend unter Druck: Klimawandel, Einschränkung von Lebensräumen, Windkraftanlagen. Inzwischen weiß man mehr über das Verhalten der Tiere.
Welche Zugrouten nehmen wandernde Fledermäuse und wo rasten sie? Bevorzugen sie Täler, Flusslandschaften oder Bergkämme? Diese Fragen versuchen Biologen, Ökologen und NaturschutzExperten im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zu beantworten. Die Pilotstudie des BfN startete 2012 mit dem Ziel, Methoden zur Untersuchung der Wanderwege zu bewerten. Neben Analysen der jahreszeitlichen Veränderungen wurden habitatspezifische Daten sowie akustische Aufnahmen genutzt, die im Thüringer Wald und dessen Vorland gemacht wurden. Objekte der Untersuchungen waren der Kleine und der Große Abendsegler, die Rauhautfledermaus und die Zweifarbfledermaus. Etliche Naturschutzorganisationen und mehr als 1000 Freizeit-Fledermauskundler lieferten 70 000 Beobachtungen von rund 20 000 Fundorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In manchen Regionen deckt das Beobachtungsmaterial bis zu sechs Jahrzehnte ab. Weitere Daten verspricht ein Mitte August in Ostdeutschland gestartetes Projekt, wo Fledermäuse mit Funksendern im 150-MHz-Bereich »ausgerüstet« wurden und man sich von Funkamateuren in Mittel und Südeuropa Rückmeldungen erhofft.
Die Wissenschaftler untersuchten unter anderem, ob die Fledermausarten beim Zug ins Winterquartier auf breiter Front über Mitteleuropa fliegen oder ob sie dabei das Gebirge meiden. Es zeigte sich, dass sich die Fledermäuse auf ganz bestimmte Rastgebiete konzentrieren, die für den Schutz wandernder Arten bedeutend sind. Bei Rauhautfledermäusen und Großen Abendseglern gab es im Hinblick auf Zugrouten und Aktivitäten jahreszeitliche Verschiebungen. So zeigte die Rauhautfledermaus im Vorland des Thüringer Waldes im Frühjahr deutliche Aktivitäten. In der Ebene waren die Fledermäuse aktiver als auf dem Gebirgskamm. Die Ursache dafür sehen die Forscher in der Nähe zum Flussufer. Präferenzen für bestimmte Habitate beobachteten sie nicht – stattdessen wurden die ziehenden Fledermäuse auf der gesamten Landesfläche im Breitfrontenzug beobachtet. Es sei unwahrscheinlich, dass die Fledermäuse bestimmte Zugkorridore nutzen. Vorläufig kommt der gesamte mitteleuropäische Raum als Zuggebiet in Betracht. Allerdings sind noch etliche Fragen zur Fledermauswanderung offen (siehe Interview). Künftig sollen GPS-Sender mehr Daten über die Flugrouten liefern.
Um in Nächten mit hoher Fledermausaktivität während der Zugzeiten die Zahl der Schlagopfer von Windanlagen deutlich zu reduzieren, bieten sich großflächige Abschaltungen an. Dazu könnten die Betreiber einen fledermausfreundlichen Betriebsalgorithmus nutzen, der von Wissenschaftlern der Uni Hannover 2015 im Rahmen einer Forschungsarbeit entwickelt worden war. Damit lassen sich Zeiträume vorhersagen, in denen sich mit der geringsten Ertragseinbuße zugleich die geringste Zahl toter Fledermäuse erreichen ließe. Ein Report von EUROBATS (Ver- einbarung zur Erhaltung europäischer Fledermauspopulationen) kommt zu der Empfehlung, den Anstellwinkel der Rotorblätter zu verändern bzw. die Turbinen erst bei höheren Windgeschwindigkeiten anlaufen zu lassen.
Für die Wissenschaftler bestätigte sich außerdem die Vermutung, dass Windkraftanlagen auf die Tiere einen anziehende Wirkung haben. So sei die Aktivität der Fledermäuse im Rotorbereich höher als im freien Luftraum. Damit steigt die Gefahr, getötet zu werden, bereits wenn die Nachtjäger nur in die Nähe der drehenden Rotoren kommen: Denn auf Grund des entstehenden Unterdrucks reißen ihre feinen Blutgefäße.
Abschaltzeiten von Windrädern seien notwendig, um Kollisionen mit Fledermäusen zu vermeiden, erklärt auch BfN-Präsidentin Beate Jessel. Das wäre beispielsweise zu jenen Nachtzeiten sinnvoll, in denen Windverhältnisse und Luftfeuchtigkeitswerte eine besonders starke Fledermausaktivität erwarten lassen – das »Fledermauswetter« an lauen Sommerabenden. Damit wandernde Fledermäuse ungestört rasten können, sollten besonders sensible Gebiete, die der Nahrungsaufnahme während der Fortpflanzungszeit dienen, frei von Windkraftanlagen bleiben – wie etwa Waldstandorte, wo die Anlagen für die Nachtjäger eine besonders tückische Gefahr darstellen.
Eine Studie der Umweltorganisation NABU von 2004 zeigt, dass die Anzahl der Opfer stark je nach Lebensraum und Umgebung variiert. Während Windparks in Feuchtgebieten eher für Vögel gefährlich seien, verunglückten auf kahlen Gebirgsrücken in den USA und in Spanien viele Greifvögel. Windkraftanlagen sollten daher an solchen Standorten gebaut werden, die für Flugtiere möglichst unattraktiv sind, mit einer Aufreihung, die parallel zur Hauptflugrichtung zum Beispiel der Zugvögel verläuft. Dabei sollten Gittermasten, Drahtseile und oberirdische elektrischen Leitungen vermieden werden.
Bisher hatten Betreiber von Windkraftanlagen nachzuweisen, dass sie beim Bau alle Schutzbestimmungen bezüglich seltener Tierarten wie Fledermäuse und Rotmilan einhalten. Nun legte die Bundesregierung im Dezember 2016 einen Entwurf zur Änderung im Bundesnaturschutzgesetz vor: »Das Tötungs- und Verletzungsverbot nach § 44 Absatz 1 Nummer 1 (des Bundesnaturschutzgesetzes) liegt nicht vor, wenn ... das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung unvermeidbar ist«. Für die durch Windkraftanlagen ohnehin gefährdeten Tiere könnte dies unangenehme Folgen haben, denn der Tod von Störchen, Falken, Bussarden, Adlern, Weihen, Eulen und Fledermäusen könnte nun als unvermeidbar hingenommen werden, fürchten Naturschützer. Außerdem: Wer entscheidet eigentlich, wie hoch die Zahl der durch Windräder getöteten Tiere sein muss, um als »signifikant erhöht« zu gelten? Gewährt die Gesetzesänderung den Windturbinen-Betreibern nicht Vorrang vor dem Artenschutz? Gehen also mal wieder wirtschaftliche Interessen vor Naturschutz?
Abschaltzeiten von Windrädern seien notwendig, um Kollisionen mit Fledermäusen zu vermeiden, erklärt auch BfN-Präsidentin Beate Jessel. Das wäre beispielsweise zu jenen Nachtzeiten sinnvoll, in denen Windverhältnisse und Luftfeuchtigkeitswerte besonders starke Fledermausaktivitäten erwarten lassen.