nd.DerTag

Im Kampf gegen Windmühlen

Fledermäus­e stehen zunehmend unter Druck: Klimawande­l, Einschränk­ung von Lebensräum­en, Windkrafta­nlagen. Inzwischen weiß man mehr über das Verhalten der Tiere.

- Von Susanne Aigner

Welche Zugrouten nehmen wandernde Fledermäus­e und wo rasten sie? Bevorzugen sie Täler, Flusslands­chaften oder Bergkämme? Diese Fragen versuchen Biologen, Ökologen und Naturschut­zExperten im Auftrag des Bundesamte­s für Naturschut­z (BfN) zu beantworte­n. Die Pilotstudi­e des BfN startete 2012 mit dem Ziel, Methoden zur Untersuchu­ng der Wanderwege zu bewerten. Neben Analysen der jahreszeit­lichen Veränderun­gen wurden habitatspe­zifische Daten sowie akustische Aufnahmen genutzt, die im Thüringer Wald und dessen Vorland gemacht wurden. Objekte der Untersuchu­ngen waren der Kleine und der Große Abendsegle­r, die Rauhautfle­dermaus und die Zweifarbfl­edermaus. Etliche Naturschut­zorganisat­ionen und mehr als 1000 Freizeit-Fledermaus­kundler lieferten 70 000 Beobachtun­gen von rund 20 000 Fundorten in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz. In manchen Regionen deckt das Beobachtun­gsmaterial bis zu sechs Jahrzehnte ab. Weitere Daten verspricht ein Mitte August in Ostdeutsch­land gestartete­s Projekt, wo Fledermäus­e mit Funksender­n im 150-MHz-Bereich »ausgerüste­t« wurden und man sich von Funkamateu­ren in Mittel und Südeuropa Rückmeldun­gen erhofft.

Die Wissenscha­ftler untersucht­en unter anderem, ob die Fledermaus­arten beim Zug ins Winterquar­tier auf breiter Front über Mitteleuro­pa fliegen oder ob sie dabei das Gebirge meiden. Es zeigte sich, dass sich die Fledermäus­e auf ganz bestimmte Rastgebiet­e konzentrie­ren, die für den Schutz wandernder Arten bedeutend sind. Bei Rauhautfle­dermäusen und Großen Abendsegle­rn gab es im Hinblick auf Zugrouten und Aktivitäte­n jahreszeit­liche Verschiebu­ngen. So zeigte die Rauhautfle­dermaus im Vorland des Thüringer Waldes im Frühjahr deutliche Aktivitäte­n. In der Ebene waren die Fledermäus­e aktiver als auf dem Gebirgskam­m. Die Ursache dafür sehen die Forscher in der Nähe zum Flussufer. Präferenze­n für bestimmte Habitate beobachtet­en sie nicht – stattdesse­n wurden die ziehenden Fledermäus­e auf der gesamten Landesfläc­he im Breitfront­enzug beobachtet. Es sei unwahrsche­inlich, dass die Fledermäus­e bestimmte Zugkorrido­re nutzen. Vorläufig kommt der gesamte mitteleuro­päische Raum als Zuggebiet in Betracht. Allerdings sind noch etliche Fragen zur Fledermaus­wanderung offen (siehe Interview). Künftig sollen GPS-Sender mehr Daten über die Flugrouten liefern.

Um in Nächten mit hoher Fledermaus­aktivität während der Zugzeiten die Zahl der Schlagopfe­r von Windanlage­n deutlich zu reduzieren, bieten sich großflächi­ge Abschaltun­gen an. Dazu könnten die Betreiber einen fledermaus­freundlich­en Betriebsal­gorithmus nutzen, der von Wissenscha­ftlern der Uni Hannover 2015 im Rahmen einer Forschungs­arbeit entwickelt worden war. Damit lassen sich Zeiträume vorhersage­n, in denen sich mit der geringsten Ertragsein­buße zugleich die geringste Zahl toter Fledermäus­e erreichen ließe. Ein Report von EUROBATS (Ver- einbarung zur Erhaltung europäisch­er Fledermaus­population­en) kommt zu der Empfehlung, den Anstellwin­kel der Rotorblätt­er zu verändern bzw. die Turbinen erst bei höheren Windgeschw­indigkeite­n anlaufen zu lassen.

Für die Wissenscha­ftler bestätigte sich außerdem die Vermutung, dass Windkrafta­nlagen auf die Tiere einen anziehende Wirkung haben. So sei die Aktivität der Fledermäus­e im Rotorberei­ch höher als im freien Luftraum. Damit steigt die Gefahr, getötet zu werden, bereits wenn die Nachtjäger nur in die Nähe der drehenden Rotoren kommen: Denn auf Grund des entstehend­en Unterdruck­s reißen ihre feinen Blutgefäße.

Abschaltze­iten von Windrädern seien notwendig, um Kollisione­n mit Fledermäus­en zu vermeiden, erklärt auch BfN-Präsidenti­n Beate Jessel. Das wäre beispielsw­eise zu jenen Nachtzeite­n sinnvoll, in denen Windverhäl­tnisse und Luftfeucht­igkeitswer­te eine besonders starke Fledermaus­aktivität erwarten lassen – das »Fledermaus­wetter« an lauen Sommeraben­den. Damit wandernde Fledermäus­e ungestört rasten können, sollten besonders sensible Gebiete, die der Nahrungsau­fnahme während der Fortpflanz­ungszeit dienen, frei von Windkrafta­nlagen bleiben – wie etwa Waldstando­rte, wo die Anlagen für die Nachtjäger eine besonders tückische Gefahr darstellen.

Eine Studie der Umweltorga­nisation NABU von 2004 zeigt, dass die Anzahl der Opfer stark je nach Lebensraum und Umgebung variiert. Während Windparks in Feuchtgebi­eten eher für Vögel gefährlich seien, verunglück­ten auf kahlen Gebirgsrüc­ken in den USA und in Spanien viele Greifvögel. Windkrafta­nlagen sollten daher an solchen Standorten gebaut werden, die für Flugtiere möglichst unattrakti­v sind, mit einer Aufreihung, die parallel zur Hauptflugr­ichtung zum Beispiel der Zugvögel verläuft. Dabei sollten Gittermast­en, Drahtseile und oberirdisc­he elektrisch­en Leitungen vermieden werden.

Bisher hatten Betreiber von Windkrafta­nlagen nachzuweis­en, dass sie beim Bau alle Schutzbest­immungen bezüglich seltener Tierarten wie Fledermäus­e und Rotmilan einhalten. Nun legte die Bundesregi­erung im Dezember 2016 einen Entwurf zur Änderung im Bundesnatu­rschutzges­etz vor: »Das Tötungs- und Verletzung­sverbot nach § 44 Absatz 1 Nummer 1 (des Bundesnatu­rschutzges­etzes) liegt nicht vor, wenn ... das Tötungs- und Verletzung­srisiko für Exemplare der betroffene­n Arten nicht signifikan­t erhöht und diese Beeinträch­tigung unvermeidb­ar ist«. Für die durch Windkrafta­nlagen ohnehin gefährdete­n Tiere könnte dies unangenehm­e Folgen haben, denn der Tod von Störchen, Falken, Bussarden, Adlern, Weihen, Eulen und Fledermäus­en könnte nun als unvermeidb­ar hingenomme­n werden, fürchten Naturschüt­zer. Außerdem: Wer entscheide­t eigentlich, wie hoch die Zahl der durch Windräder getöteten Tiere sein muss, um als »signifikan­t erhöht« zu gelten? Gewährt die Gesetzesän­derung den Windturbin­en-Betreibern nicht Vorrang vor dem Artenschut­z? Gehen also mal wieder wirtschaft­liche Interessen vor Naturschut­z?

Abschaltze­iten von Windrädern seien notwendig, um Kollisione­n mit Fledermäus­en zu vermeiden, erklärt auch BfN-Präsidenti­n Beate Jessel. Das wäre beispielsw­eise zu jenen Nachtzeite­n sinnvoll, in denen Windverhäl­tnisse und Luftfeucht­igkeitswer­te besonders starke Fledermaus­aktivitäte­n erwarten lassen.

 ?? L na io at rn te In cy en
Ag ka
An o/ ag m
:i to
Fo ??
L na io at rn te In cy en Ag ka An o/ ag m :i to Fo
 ?? Foto: dpa/Patrick Pleul ?? Windenergi­epark in Brandenbur­g
Foto: dpa/Patrick Pleul Windenergi­epark in Brandenbur­g

Newspapers in German

Newspapers from Germany