»Momentan hilft nur zeitweiliges Abschalten«
Fledermausforscher Christian Voigt über die Grenzen der Ultraschallortung der fliegenden Säuger und über nützliche Daten in Schubladen
Fledermäuse gelten als die am stärksten durch Windkraftanlagen bedrohten Tiere. Wieso eigentlich? Schließlich besitzen sie eine sehr präzise Ultraschallortung.
Die Echo-Ortung hilft ihnen da gar nicht, weil ihr Orientierungssinn – auch die Echo-Ortung – auf ihre natürliche Umgebung eingestellt ist. So ein technisches Gerät wie eine Windkraftanlage überfordert sie. Die Rotorblätter bewegen sich so schnell, dass sie erst dann seitlich ins Blickfeld der Echo-Ortung kommen, wenn es zu spät ist, auszuweichen. Die Tiere haben mit ihrer Echo-Ortung nicht den Rundumblick wie wir. Das betrifft die direkten Kollisionen mit den Rotorblättern. Es gibt eine zweite Todesursache, das Barotrauma. Dabei kommen die Tiere überhaupt nicht in direkten Kontakt mit der Windkraftanlage, sie fallen den starken Druckschwankungen im Luftwirbel hinter den Windkraftanlagen zum Opfer. Die können so groß sein, dass sie letztendlich die inneren Organe der Fledermäuse zerreißen. Auch diese Wirbel können sie weder mit der Ultraschallortung noch mit den Augen wahrnehmen.
Gibt es technische Möglichkeiten, Fledermäuse von den Windrädern fernzuhalten?
Da hat bisher noch nichts funktio- niert. Es wurden die verschiedensten Sachen ausprobiert. Das Problem ist ein technisches und ein biologisches: Die Fledermäuse orientieren sich mit dem Ultraschall. Hochfrequente Schallwellen haben aber eine sehr geringe Reichweite. Die Echo-Ortung der Fledermäuse reicht höchstens 10 bis 15 Meter weit. Zu diesem technischen kommt ein biologisches Problem: Fledermäuse sind sehr neugierig. Ein Warnsignal würde sie eher anlocken. Ich würde mich freuen, wenn wir ein erfolgreiches System fänden, aber momentan hilft nur zeitweiliges Abschalten der Windkraftanlagen.
Sind vor allem Fledermäuse aus Nord- und Nordosteuropa auf dem Zug ins Winterquartier gefährdet? Bei unseren Herkunftsbestimmungen zeigte sich, dass ungefähr ein Viertel bis ein Drittel der Opfer aus nördlichen und nordöstlichen Breiten stammten, die anderen stammten aus unserer Region. Auch wenn die ziehenden Fledermäuse in der Minderheit sind, ist das ein Problem. Denn die Populationen in Finnland, dem Baltikum und Russland liegen am Rande des Verbreitungsgebiets und sind deshalb ohnehin schon viel kleiner. Und wegen der ungünstigen Klimabedingungen dort ist auch die Reproduktionsrate geringer. Was wir in Zentraleuropa, speziell in Deutschland, mit der Energiewende machen, hat also starke Konsequenzen für die nordöstlichen Fledermausbestände.
Gibt es Gebiete, wo die Tiere besonders häufig mit Windrädern kollidieren?
Theoretisch ja. Aber praktisch ken- nen wir die exakten Routen der einzelnen Arten bei der Wanderung nicht. Ich hatte zwar ein entsprechendes Forschungsprojekt vorgeschlagen, das wurde aber abgelehnt.
Es ist ja wirklich dumm: Wenn die Windanlagenbetreiber an suboptimalen Standorten bauen, haben sie hohe Verluste durch Abschaltzeiten. Naturschützer sind genauso verärgert, weil dann eben doch ab und zu Schlagopfer anfallen.
Dabei liegen deutlich mehr Daten in den Schubladen, als uns Forschern zur Verfügung stehen. Denn an den meisten Windturbinen gibt es bereits ein Fledermausmonitoring mit bioakustischen Methoden. Die Daten liegen da – bei Anlagenbetreibern und Naturschutzbehörden, aber sie werden der Forschung nicht zur vollständig Verfügung gestellt.