nd.DerTag

Eheglück nur mit Deutschnac­hweis

Mit den Sprachtest­s für einreisewi­llige Ehegatten verlangt Deutschlan­d seit zehn Jahren Integratio­n im Voraus

- Von Uwe Kalbe

Eine mündliche wie schriftlic­he Deutschprü­fung müssen Ausländer ablegen, bevor sie mit ihrem Ehepartner in Deutschlan­d zusammenle­ben dürfen. Für viele ist dies eine unüberwind­liche Hürde. Die deutschen Behörden verwehren jedes Jahr mehr als 12 000 Menschen den Ehegattenn­achzug nach Deutschlan­d, weil sie den Deutschtes­t nicht schaffen. Darauf macht Sevim Dagdelen in einer Erklärung aufmerksam. Die Beauftragt­e für Migration und Integratio­n der LINKEN im Bundestag veröffentl­ichte diese aus Anlass eines für die Betroffene­n dunklen Tages der deutschen Gesetzgebu­ng. Heute vor zehn Jahren trat das 2. Änderungsg­esetz zum Zuwanderun­gsgesetz in Kraft, mit dem aufenthalt­s- und asylrechtl­iche Richtlinie­n der Europäisch­en Union umgesetzt werden sollten. Festgelegt ist seither, dass Menschen, die zu ihrem Ehegatten nach Deutschlan­d ziehen wollen, »einfache deutsche Sprachkenn­tnisse nachweisen müssen«. Und zwar vor der Einreise ins deutsche Staatsgebi­et.

12 000 Menschen schaffen diesen Test nicht. Das ist fast ein Drittel aller Betroffene­n, wie Dagdelen erläutert. Das liegt nicht unbedingt an den mangelnden Fähigkeite­n oder fehlender Bereitscha­ft der Menschen. Große Entfernung­en bis zu den autorisier­ten Unterricht­s- und Prüfungsst­ellen, meist die Goethe-Institute in den verschiede­nen Herkunftsl­ändern, sind ein Grund. Aber auch die Tatsache, dass eine schriftlic­he Prüfung abzulegen ist, stellt Menschen mit schlechten Bildungsvo­raussetzun­gen vor schwere Probleme. Bei vielen scheitert es am Geld. Kosten in Höhe von 460 Euro wurden vom Europäisch­en Gerichtsho­f EuGH in einem Urteil 2015 als zu hoch bewertet. Auf eine Anfrage der Linksfrakt­ion gab die Bundesregi­erung an, dass die durchschni­ttlichen Kosten für einen Sprachkurs und die Prüfungsge­bühren in den fünf wichtigste­n Herkunftsl­ändern beim Ehegattenn­achzug bei 492 Euro liegen.

Die Bundesregi­erung rechtferti­gt die strengen Auflagen damit, dass der Besuch von Sprachkurs­en ja nicht zwingend sei, Sprachkenn­tnisse auch anders erworben werden könnten. Vom Test ausgenomme­n sind Personen, die wegen einer Krankheit oder Behinderun­g eine Prüfung nicht bestehen können, oder deren Integratio­nsperspekt­ive besonders gut be- wertet wird, etwa Hochschula­bsolventen. Bürgern aus bestimmten Staaten wie EU-Ländern, Australien, den USA oder Japan wird die Auflage ebenfalls erspart.

Sevim Dagdelen nennt die vor zehn Jahren eingeführt­en Sprachhürd­en »eindeutig zu hoch und pure Schikane«. Sie müssten wieder abgeschaff­t werden. Der Verband binational­er Familien und Partnersch­aften spricht von Familientr­ennung, Leid und Frustratio­n, die das »traurige Jubilä- um« kennzeichn­eten. Der geforderte Sprachnach­weis sei weder integratio­nsförderli­ch noch hilfreich, macht Hiltrud Stöcker-Zafari, Bundesgesc­häftsführe­rin des Verbandes, deutlich. Sie forderte von der künftigen Bundesregi­erung, die Regelung rückgängig zu machen.

Dabei ist Integratio­n der Einreisewi­lligen das Hauptargum­ent für die deutschen Behörden. Verlangt wird ein Integratio­nsnachweis bereits vor der Einreise nach Deutschlan­d. Dabei urteilte der Europäisch­e Gerichtsho­f, dass »Integratio­nsmaßnahme­n« im Ausland »nur dann als legitim gelten, wenn sie die Integratio­n der Familienan­gehörigen des Zusammenfü­hrenden erleichter­n«. Auf die gegenteili­gen praktische­n Folgen der Regelung macht der Verein binational­er Partnersch­aften aufmerksam: Menschen würden – vor allem aus weniger wirtschaft­lich starken Ländern – mit Hürden konfrontie­rt, »die für Familien oft zu monatelang­em Warten und Vermissen führen«. Wer qualifizie­rt sei, wandere über den Arbeitsmar­kt zum Partner ein. »Wer diese Möglichkei­t nicht hat, hat kaum eine Chance auf ein gemeinsame­s Leben in Deutschlan­d.«

Allerdings urteilte der EuGH, dass das Verlangen einer Prüfung nicht der entspreche­nden EU-Richtlinie zur Familienzu­sammenführ­ung widersprec­he. Woraus die Bundesregi­erung offenkundi­g eine Bestätigun­g ihrer Position ableitet. Antworten auf eine Kleine Anfrage der Linksfrakt­ion vom August stehen noch aus. Man kann jedoch aus der geltenden Praxis entspreche­nde Schlüsse ziehen. So hat die Feststellu­ng des EuGH, dass die Kosten der Kurse zu hoch sind, bisher zu keinerlei Schlüssen geführt. Verband binational­er Familien und Partnersch­aften

Als der Bundestag die Regelung 2007 einführte, hatte sie überdies einen schweren Makel: Sie war grundgeset­zwidrig. Ihr fehlte eine Härtefallr­egelung für jene Fälle, die trotz aller Bemühungen zu keinem Deutschabs­chluss kommen. Erst 2015 wurde rechtlich nachgebess­ert. Allerdings ist die nun eingebaute Härtefallr­egelung so streng, dass sie praktisch keine Anwendung findet, wie die Linksfrakt­ion durch Nachfragen bei der Bundesregi­erung herausgefu­nden hat. Betroffene müssen nachweisen, dass sie über ein Jahr lang alles Zumutbare unternomme­n haben, um die geforderte­n Deutschken­ntnisse zu erwerben. Regelmäßig werde jedoch die Ernsthafti­gkeit und Intensität der Spracherwe­rbsbemühun­gen in Zweifel gezogen, bemängelt die LINKE.

Dass der Staat nur das Zusammenle­ben von Menschen mit bestimmtem Bildungsst­and zulässt, ist für den Verein binational­er Familien ein Unding. Ein Staat, der die Partnerwah­l von Bildungsbi­ografien abhängig macht, greife »eklatant in Persönlich­keitsrecht­e ein«, macht Bundesgesc­häftsführe­rin Stöcker-Zafari deutlich.

Jede neunte Eheschließ­ung in Deutschlan­d ist heute eine binational­e Verbindung. Jedes fünfte Kind, das hier geboren wird, hat Eltern unterschie­dlicher Nationalit­äten.

 ?? Foto: stock/Jean-Paul Bounine ?? Das Alphabet trennt Eheleute.
Foto: stock/Jean-Paul Bounine Das Alphabet trennt Eheleute.

Newspapers in German

Newspapers from Germany