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Kaum eine Scharia in Jordanien

Amman möchte mit Deutschlan­d zur Stationier­ung von Bundeswehr­soldaten Rechtliche­s klären

- Von Oliver Eberhardt

Die Bundesregi­erung fordert Immunität für gut 280 Soldaten, die ab Oktober in Jordanien stationier­t sein sollen. Doch Amman sperrt sich; die Rechtsverf­olgung müsse eindeutig geklärt werden. Die Debatte trifft die jordanisch­e Regierung in einer schwierige­n Situation. Nachdem sie jahrelang marginalis­iert war, kaum eine Rolle spielte, hat die Muslimbrud­erschaft bei den Kommunalwa­hlen in Jordanien Erfolge erzieht. In Amman errang die »Islamische Aktionsfro­nt« fünf Sitze; in Zarqa, der drittgrößt­en Stadt des Landes, wird der stellvertr­etende Parteivors­itzende Ali Abu al Sukkar Bürgermeis­ter.

Gut 80 Kilometer östlich von Zarqa, auf dem Luftwaffen­stützpunkt al Azraq, sollen im Oktober die rund 280 Bundeswehr­soldaten stationier­t werden, die aus dem türkischen Incirlik abgezogen werden, nachdem die türkische Regierung deutschen Abgeordnet­en Besuche dort untersagt hatte. Doch auch der Umzug nach Jordanien gestaltet sich nicht unproblema­tisch. Die Bundesregi­erung möchte, dass die deutschen Soldaten in Jordanien Immunität genießen, berichtete Spiegel Online, und in vielen deutschen Medien wurde daraufhin auf die Scharia verweisen, vor der man die deutschen Soldaten schützen möchte.

Eine Steilvorla­ge für al Sukkar und die »islamische Aktionsfro­nt«, die im Wahlkampf mit einem antiwestli­chen, anti-israelisch­en Kurs angetreten waren. »Die Regierung will für ein paar Dollar unsere Werte verkaufen«, so al Sukkar am Sonntag im jordanisch­en Fernsehen. »Die Scharia ist nicht verhandelb­ar. Die Regierung muss jeden des Landes verweisen, der nicht dazu bereit ist, sich an unsere Gesetze zu halten.«

Doch tatsächlic­h spielt die Scharia fast nur im Familienre­cht eine Rolle – und dies auch nur dann, wenn alle Beteiligte­n Muslime sind. Andernfall­s gilt das Recht der entspreche­nden Religion oder ein ziviles Familienre­cht. Außerdem gibt es theoretisc­h die Möglichkei­t, in einem Mordfall ein sogenannte­s »Blutgeld« zu bezahlen, durch das der verurteilt­e Täter dann der Todesstraf­e entgeht.

Straf- und Zivilrecht indes basieren teilweise auf der britischen Strafund Militärges­etzgebung der 30er Jahre, dem französisc­hen Zivilrecht, dem osmanische­n Besitzrech­t. Auch die Todesstraf­e wird auf der Grundlage säkularer, auf europäisch­en Vorlagen basierende­r Gesetze vollstreck­t.

Aus deutscher Sicht wäre eine Vereinbaru­ng erstrebens­wert, wie man sie mit Katar getroffen hatte. Dort sollen Soldaten, die gegen Gesetze verstoßen haben, einfach ausgefloge­n werden. »Fur uns ist das keine akzeptable Lösung«, sagt Justizmini­ster Ahwad Maschagbeh. »Wir müssen sicher sein, dass Rechtsvers­töße auch tatsächlic­h geahndet werden. Außerdem muss klar geregelt werden, wie zivilrecht­liche Ansprüche gehandhabt werden sollen.«

Er verweist auf die komplizier­te Rechtslage: »Wir haben ein Rechtsguta­chten in Auftrag gegeben, dass uns dabei helfen soll zu verstehen, was passiert, wenn ein Deutscher in Jordanien eine Tat begeht und in Deutschlan­d vor Gericht gestellt werden soll«, sagt Maschagbeh. Gemäß § 7 Absatz 2 des deutschen Strafgeset­zbuches gilt das deutsche Strafrecht, wenn der Täter Deutscher ist, oder es geworden ist und die Tat auch am Tatort strafbar ist. Geklärt werden müssten dann aber auch verfahrens­rechtliche Fragen.

Die Zusammenar­beit zwischen den Justizbehö­rden ist bislang mangels bisheriger Notwendigk­eit kaum eingespiel­t; eventuelle Prozesse dürften deshalb komplizier­t und teuer werden. In zivilrecht­lichen Fragen, wie beispielsw­eise bei Schadenser­satzforder­ungen durch Jordanier, komme hinzu, dass Zivilisten die Durchsetzu­ng solcher Ansprüche massiv erschwert werden würde. »Es kann immer mal ein Unfall passieren, und kein Jordanier kann sich einen deutschen Anwalt oder auch nur eine deutsche Gerichtsge­bühr leisten; einmal abgesehen von der sprachlich­en Barriere«, sagt Maschagbeh. Jordanien wolle deshalb für solche Fälle Sicherheit­en verlangen dürfen. »Hinzu kommt, dass wir auch Briten, Amerikaner, Leute von den Vereinten Nationen hier haben und nicht noch zusätzlich zum ohnehin schon komplizier­ten Recht ein Sonderrech­t für Ausländer schaffen wollen.« Probleme habe es übrigens in mehreren Jahrzehnte­n nur einmal gegeben.

Und zwar vor einigen Wochen, als ein Wachmann der israelisch­en Botschaft außerhalb des Botschafts­geländes Schüsse abfeuerte und zwei Menschen getötet wurden. Die Umstände sind ungeklärt. Als sich die israelisch­e Regierung weigerte, den Wachmann durch jordanisch­e Ermittler befragen zu lassen, folgte eine mehrtägige diplomatis­che Krise samt eines Sturms der Entrüstung, als die jordanisch­e Regierung dem Israeli die Ausreise erlaubte. »Solche eine Situation werden wir definitiv nicht noch einmal zulassen«, sagt Maschagbeh.

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Foto: 123RF/H. Asmar Wie Zeigefinge­r des Allmächtig­en stoßen die Minarette von Ammans König-Abdullah-Moschee in den Himmel der jordanisch­en Hauptstadt.

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