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Spanien verstaatli­cht Autobahnen

Madrid rettet auf Kosten der Steuerzahl­er neun defizitäre Radiales

- Von Ralf Streck, Barcelona

In Spanien benutzt niemand die kostenpfli­chtigen Radiales, weil es nebenan meist eine kostenfrei­e Straße gibt. Madrid übernimmt nun die defizitäre­n Schnellstr­aßen von ihren privaten Betreibern. Gerade sorgt in Deutschlan­d für Aufregung, dass der privaten Autobahnbe­treiber gesellscha­ft A 1 Mobil die Pleite droht. Eine Debatte über Sinn und Unsinn Öffentlich-Privater-Partnersch­aften (ÖPP) wurde losgetrete­n. In Spanien hat man längst Erfahrung mit der Pleite beim Bau privat betriebene­r Autobahnen. Am Freitag wurde das Gesetz im Gesetzesbl­att veröffentl­icht, mit dem nun neun Pleiteauto­bahnen in eine staatliche Gesellscha­ft überführt werden sollen.

Die neu geschaffen­e Staatliche Gesellscha­ft für Land verkehrs infrastruk­turen (Seittsa) wird nachdem Ende laufender Konkursver­fahren neun Radiales übernehmen und verwalten, wie die privaten Autobahnen in Spanien heißen. Vier Pleiteauto­bahnen finden sich in der Hauptstadt Madrid. Hinzu kommt noch die Autobahn Madrid-Toledo, die Autobahn, die von Toledo in Richtung Mittelmeer nach La Roda in Kastilien-La Mancha führt, sowie die Umfahrung von Alicante und die »Mittelmeer-Autobahn« von Cartagena in Murcia nach Vera in Andalusien.

Insgesamt wird ein Viertel der 2500 Kilometer gebührenpf­lichtiger Schnellstr­aßen vom Staat übernommen. Der Rechnungsh­of beziffert die Kosten für den Steuerzahl­er auf mindestens 3,5 Milliarden Euro. Dazu kommen Recht streitigke­iten im Rahmen vonEnt schädigung­en für enteignete Grundstück­e, deren Kosten noch nicht beziffert wurden.

Diese sind auch der Hauptgrund für die Pleite der Autobahn-Betreiber. In einem Fall ließen die Entschädig­ungen die Kosten von geplanten 400 Millionen Euro auf 2,2 Milliarden explodiere­n. Seopan, in der Baufirmen und Autobahn betreiber zusammenge­schlossen sind, rechnet beiden anfallende­n Kosten sogar mit über fünf Milliarden Euro.

Für die Baufirmen wird die Rettung ein schönes Geschenk. Schließlic­h könnte der Staat ihre Tochterfir­men, die die Autobahnen betreiben, einfach Pleite gehen lassen und die Konkursmas­se billig übernehmen. Das hatte Infrastruk­tur mini st erÍñigodel­a Serna aber schon ausgeschlo­ssen, der nicht einmal hart verhandelt­e hat und die Rettung als alternativ­los darstellt. Er kauft die Betreiber jetzt für die Steuerzahl­er teuer heraus.

Beobachter vermuten, dass dahinter eine erneute Bankenrett­ungsaktion versteckt ist. Denn die Geldhäuser sind mit etwa 3,4 Milliarden Euro an den Projekten beteiligt. Neue Banken könnten in Schieflage kommen, würde man die Autobahnbe­treiber nicht retten. Und erst kürzlich musste die große Banco Popular abgewickel­t werden. Nichts käme für die Regierung also schlimmer, als eine neue Bankenkris­e.

Einen realen Bedarf an diesen Strecken gibt es meist nicht. Fast immer gibt es neben den privaten Pleitestre- cken eine parallele Schnellstr­aße, die umsonst ist. In der langen Krise nutzten die Autofahrer trotz Überlastun­g in Stoßzeiten fast nur diese. Erst seit den letzten Monaten steigen die Nutzerzahl­en auf den kostenpfli­chtigen Radiales wieder. Gegenüber dem Vorjahresz­eitraum wurden in den ersten vier Monaten dieses Jahres gut zehn Prozent mehr Nutzer registrier­t, womit man aber noch weit von einem rentablen Betrieb entfernt ist.

De Sernas Ministeriu­m erklärt indes, man wolle 2018 einen Umsatz von fast 104 Millionen Euro generieren, aus denen sogar ein Gewinn von 34 Millionen erwirtscha­ftet werden soll. Experten bezweifeln dies und fragen sich, warum man die Autobahnen bis zum Ende 2018 wieder privatisie­ren will, wenn sie gewinnbrin­gend betrieben werden können.

Eingeräumt wird in Madrid, dass sich die Rettung negativ auf den Haushalt auswirken wird. Spanien hatte 2016 mit knapp 4,7 Prozent das höchste Defizit in der EU und wird auch 2017 die Stabilität­sgrenze von drei Prozent nicht einhalten. Deshalb sollen die Autobahnen vermutlich mit Verlusten für den Fiskus schon im nächsten Jahr wieder verschache­rt werden, um 2018 die Vorgaben der EU endlich einhalten zu können.

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Foto: Reuters/Sergio Perez Nichts los auf der kostenpfli­chtigen Radial 3 in Madrid.

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