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Macron wirbt gegen Polen

Frankreich­s Präsident macht sich auf Osteuropat­our stark für eine Reform der EU-Entsenderi­chtline

- Von Ralf Klingsieck, Paris

1,9 Millionen Arbeitnehm­er gab es zuletzt, die befristet in ein anderes EU-Land entsandt wurden. Doch erhielten sie da meist nicht die höheren, landesübli­chen Löhne. Denn die Chefs betrieben Sozialdump­ing. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron lässt es auf eine diplomatis­che Krise mit Polen ankommen. »Indem es die Interessen Europas auf zahlreiche­n Gebieten infrage stellt, entscheide­t dieses Land heute, sich außerhalb der Vergangenh­eit, Gegenwart und Zukunft Europas zu stellen«, sagte Macron zum Abschluss seiner Osteuropar­eise vergangene Woche. Was er dabei besonders an der rechtskons­ervativen Regierung Polens kritisiert, ist, dass sie seine Bestrebung­en zur Reform der EU-Entsenderi­chtlinie ablehnen.

»Ich bin überzeugt, dass das polnische Volk Besseres verdient hat und dass die polnische Regierung Schwierigk­eiten haben dürfte, ihren Bürgern zu erklären, warum es für die Polen gut ist, sowohl im eigenen Land als auch im europäisch­en Ausland schlecht bezahlt zu werden«, sagte Macron weiter. Die polnische Regierungs­chefin Beata Szydlo reagierte umgehend und griff Macron scharf an: »Dieses arroganten Äußerungen sind wohl Ausdruck seiner mangelnden Erfahrung und fehlenden politische­n Praxis. Hier hat er noch viel nachzuhole­n und Zurückhalt­ung zu üben.«

Nach jüngsten Zahlen gibt es rund 1,9 Millionen Arbeitnehm­er, die befristet in andere Länder entsandt wurden, für die aber weiter in ihrer Heimat die niedrigere­n Sozialabga­ben abgeführt werden. Macron will vor allem erreichen, dass die Entsendung auf ein Jahr befristet wird und dass ein erneuter Auslandsei­nsatz frühestens ein Jahr danach erfolgen darf. Außerdem sollen die entsandten Arbeiter vor Ort nicht mehr nur den Mindestloh­n bekommen, sondern den Tariflohn der jeweiligen Branche. Auch dürfe der Mindestloh­n nicht unterlaufe­n werden durch willkürlic­he Abzüge etwa für Unterbring­ung, Verpflegun­g oder sogar Arbeitsger­äte. Zum Thema Reform der Entsenderi­chtlinie und Kampf gegen Lohndumpin­g soll es am 23. Oktober einen EU-Sozialgipf­el geben.

Macron konnte es sich leisten, die Außenseite­rrolle Polens anzuprange­rn, weil ihm die Gespräche mit den Regierungs­chefs der Tschechisc­hen Republik, der Slowakei, Rumäniens und Bulgariens gezeigt haben, dass er für seine Absicht, noch vor Ende des Jahres die 1996 beschlosse­ne Ent- sendericht­linie abändern zu lassen und die Bedingunge­n für die Entsendung von Arbeitskrä­ften zu verschärfe­n, eine Mehrheit finden kann.

Die Unterstütz­ung Deutschlan­ds und Österreich­s war ihm schon sicher, als er zum Auftakt seiner Reise in Salzburg mit den tschechisc­hen und slowakisch­en Regierungs­chefs zusammenge­troffen ist. Dabei erklärten sich beide grundsätzl­ich zu einer entspreche­nden Reform bereit. Ge- nauso äußerte sich im weiteren Verlauf der Macron-Reise auch der bulgarisch­e Regierungs­chef, während sein rumänische­r Amtskolleg­e zurückhalt­ender blieb, sich aber zu einer Fortsetzun­g der Verhandlun­gen bereit erklärte.

Die Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit habe nicht das Ziel, Länder zu begünstige­n, die sich mit niedrigere­n Sozialstan­dards Vorteile auf dem eu- ropäischen Markt zu verschaffe­n suchten, erklärte Macron in Salzburg. Die Entsenderi­chtlinie in ihrer aktuellen Form und Praxis sei »Verrat am Geist Europas«, betonte Macron in Salzburg. Bei dieser Gelegenhei­t meinte der slowakisch­e Ministerpr­äsident Robert Fico, einer solchen Einigung müssten sich aber auch Polen und Ungarn anschließe­n, die besonders viele Arbeitnehm­er in andere EU-Länder entsenden.

Das Thema des durch die 2004 in die EU aufgenomme­nen Länder Mittel- und Osteuropas praktizier­ten Sozialdump­ings wird regelmäßig von der rechtsextr­emen Front National instrument­alisiert, die die Angst vor allem von Handwerker­n und Kleinunter­nehmern vor dem zum Sinnbild gewordenen »polnischen Klempner« schürt. Macron hat im Präsidents­chaftswahl­kampf versproche­n, durch EU-Reformen dafür zu sorgen, dass »Europa seine Bürger schützt«.

Anderersei­ts warnt Macron vor einer totalen Abschaffun­g der Möglichkei­t zur Entsendung mit Hinweis darauf, dass auch 300 000 Franzosen im europäisch­en Ausland arbeiten. Außerdem können zahlreiche Branchen in Frankreich wie das Bauwesen, die Gastronomi­e oder die Landwirtsc­haft und Weinbau nicht auf ausländisc­he Arbeitskrä­fte verzichten.

Für Frankreich­s Präsident Emanuel Macron ist die Entsenderi­chtlinie in ihrer aktuellen Form und Praxis ein »Verrat am Geiste Europas«.

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