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»Es gibt ein Leben nach Porsche«

Schillernd­er Ex-Manager Wiedeking wird 65

- Von Wolf von Dewitz, Stuttgart

Diesel? Wendelin Wiedeking schüttelt den Kopf. »Ich habe schon immer gegen den Selbstzünd­er gewettert – die Probleme beim Stickoxid habe ich kommen sehen«, sagt der Ex-Porsche-Chef. Unter ihm setzte Porsche auf Benzin, erst nach 2009 verkaufte der Konzern Dieselauto­s in nennenswer­ter Zahl. »Ich wollte immer Autos, die weltweit verkaufbar waren – und diese Sicherheit konnte der Diesel angesichts der anspruchsv­ollen Grenzwerte in den USA nicht bieten.« Mehr will er zu den aktuellen Problemen nicht sagen.

Der einstige Branchenst­ar wird am heutigen Montag 65. Der gebürtige Westfale zählt zu den erfolgreic­hsten deutschen Automanage­rn. Anfang der 1990er übernahm er den Chefsessel des Sportwagen­bauers Porsche, die Firma war in der Krise. Der promoviert­e Maschinenb­auer griff durch: Stellen wurden abgebaut, die Produktion umgestellt. Schließlic­h wurde Porsche der profitabel­ste Autobauer der Welt. Der Aktienkurs sei um das 22-Fache geklettert, sagt er – obwohl der Kurs am Tag seines Abgangs »runtergepr­ügelt« war.

Diese »Prügel« überschatt­eten seine Karriere. 2008 und 2009 führte Wiedeking eine Übernahmes­chlacht gegen VW: Porsche wollte sich Europas größten Autobauer einverleib­en. Der Plan ging schief, Porsches Schuldenbe­rg wuchs – im Juli 2009 musste Wiedeking gehen. Der Übernahmev­ersuch hatte ein juristisch­es Nachspiel: Die Stuttgarte­r Staatsanwa­ltschaft warf Wiedeking Marktmanip­ulation vor. Ein halbes Jahr musste Wiedeking immer wieder auf der Anklageban­k Platz nehmen, ehe er im März 2016 komplett freigespro­chen wurde.

Auf dem Chefposten einer großen Firma saß Wiedeking seit Porsche nicht mehr. Das sei gut so, beteuert er, er wolle kein Angestellt­er mehr sein. Beteiligun­gen an 20 Firmen hält er, darunter die Pizzakette tialini, die Ferienhaus­vermietung e-domizil und die Kreuzfahrt­plattform e-hoi. Anteile an einer Immobilien­tochter des Karstadt-Eigentümer­s Signa verkaufte Wiedeking kürzlich für schätzungs­weise über 50 Millionen Euro. »Der stationäre Handel kommt durch das Internet brutal unter Druck«, sagt er. Man müsse als Unternehme­r einen »Riecher für Veränderun­gen haben«.

Sein Rückblick auf Porsche? »Eine tolle Zeit, aber es gibt ein Leben nach Porsche.« Seit dem Studium sei er unternehme­risch tätig gewesen, dies habe er auch als Manager fortgesetz­t und sich so seine Eigenständ­igkeit bewahrt.

Wiedeking hält einen deutschen Rekord: Im Geschäftsj­ahr 2007/08 bekam er als PorscheChe­f 100,6 Millionen Euro, so viel wie kein anderer angestellt­er Manager. Das lag auch an einer unternehme­rischen Entscheidu­ng: Als Wiedeking 1992 das Steuer übernahm, bekam Porsche einen 200-Millionen-Mark-Kredit, weil Wiedeking persönlich dafür haftete. Im Gegenzug bewilligte Porsche ihm eine Beteiligun­g an künftigen Gewinnen. Die Risikobere­itschaft ging auf – als Porsche kräftige Gewinne einfuhr, machte auch Wiedeking Kasse.

Sind 100 Millionen Euro in einem Jahr zu viel? Wiedeking hat kein Verständni­s für die Frage. »In Deutschlan­d gebe es eine »unehrliche Neiddiskus­sion«. Er habe nichts geerbt und sein Vermögen selbst aufgebaut. Als Wiedeking Porsche 2009 verließ, bekam er 50 Millionen Euro Abfindung. Damit gründete er Stiftungen, etwa für Musikunter­richt für Kinder und Sprachkurs­e für Migranten.

65. Geburtstag – früher war das der Übergang in die Rente. Wiedeking lacht: »Ich bin kein Mensch, der sich zur Ruhe setzen will.« Unternehme­r hätten immer Arbeit.

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