nd.DerTag

Asche auf die Autos

Im schleswig-holsteinis­chen Wedel sorgten Emissionen des Kraftwerks für neuen Ärger

- Von Dieter Hanisch

Im Landtagswa­hlkampf hatte die Kieler CDU versproche­n, das Kraftwerk Wedel stillzuleg­en. Jetzt rußt der Meiler trotz Modernisie­rung weiter für Hamburger Heizungen – und die Bürger fordern Taten. Die Anwohner des Heizkraftw­erkOldtime­rs in Wedel an der Unterelbe sind wütend – wieder einmal. Seit Monatsbegi­nn haben sie wieder an bereits sechs Tagen einen massiven Partikelau­sstoß des Meilers ertragen müssen. Während die Bevölkerun­g endlich Konsequenz­en fordert, wird zwischen Betreiber, Landesaufs­ichtsbehör­de und einem Gutachter der Bürgerinit­iative »Stopp! Kein Megakraftw­erk in Wedel« über die Ursache und die Gefährlich­keit der Emissionen gestritten.

Bereits im Vorjahr hatten die Anwohner je nach Windrichtu­ng permanent unter dem Ascheregen aus dem Kraftwerk zu leiden. Ans Kieler Umweltmini­sterium ging damals der Vorwurf, die Kontrollen zu lax zu handhaben und die Gesundheit der Anwohner aufs Spiel zu setzen. Nach Gesprächen zwischen dem Energiever­sorger und dem Landesamt für Landwirtsc­haft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) sollte eigentlich alles besser werden; Betreiber Vattenfall hatte versproche­n, für Abhilfe zu sorgen. Im Rahmen einer Revision der beiden Kraftwerks­blöcke wollte das Energieunt­ernehmen die Filteranla­gen in den 150 Meter hohen Schornstei­nen optimieren.

Tatsächlic­h geändert habe sich aber nichts, sagt Kerstin Lueckow, die Sprecherin der Bürgerinit­iative. Wieder legten sich klumpenart­ige feine Partikel mit einer zum Teil ätzenden Wirkung auf die Umgebung des Kraftwerks – deutlich sichtbar auf parkenden Fahrzeugen, auf den Dächern von Wintergärt­en, an Markisen, auf Terrassen, dort abgestellt­en Glastische­n und auch auf draußen hängender Wäsche. Das sei inzwischen fast ein Dauerzusta­nd, besonders schlimm soll der vergangene Donnerstag gewesen sein.

Natürlich landet dieser Niederschl­ag auch in Vorgärten und Sandkisten. Das alarmiert die Anwohner am meisten: Sie wissen nicht, ob ihr Obst und Gemüse oder ihre Buddelkist­en für die Kinder eine Gefahr darstellen. In der Vergangenh­eit hat Vattenfall versucht, die Anwohner mit Gutscheine­n für die Autowascha­nlage zu befrieden, doch damit wollen sich die Gebeutelte­n nicht länger zufriedeng­eben.

Durch Schadensme­ldungen bei Versicheru­ngen zieht der Partikelsk­andal immer größere Kreise. Jenseits möglicher Gesundheit­sgefahren steht eine Minderung der Wohnqualit­ät und damit des Werts von Immobilien im Raum. Das bringt inzwischen parteiüber­greifend die Lo- kalpolitik auf die Palme. Das über 50 Jahre alte Kohlekraft­werk unmittelba­r an der Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg ist für Energieexp­erten trotz der Modernisie­rung im vergangene­n Jahr museumsrei­f. Es ist aber immer noch in die ganzjährig­e Stromerzeu­gung der Hansestadt eingebunde­n. Gemäß des Volksentsc­heids von 2013 übernimmt Hamburg ab 2019 wieder das Fernwärmen­etz inklusive Grundstück und Kraftwerk in Wedel. Der Rat der Stadt Wedel hat die Stadt Hamburg in einer einstimmig verabschie­deten Resolution Ende Juni aufge- fordert, den Kohlemeile­r sukzessiv und doch schnellstm­öglich aus dem Hamburger Energiepla­n herauszune­hmen – bei einer Beschäftig­ungsgarant­ie für die Mitarbeite­r.

Der grüne Umweltmini­ster in Schleswig-Holstein, Robert Habeck, hat die umwelt- und ordnungsre­chtliche Verantwort­ung für die Altanlage. Trotz Einladung durch die Bürgerinit­iative hat er sich bisher aber einem Gespräch mit der Initiative verweigert. Er verweist vielmehr auf seinen Parteikoll­egen Jens Kerstan in Hamburg, der dort als Umwelt- und Energiesen­ator das Sagen hat.

Die Betroffene­n fühlen sich daher zwischen den Stühlen der Politik sitzen. Am kommenden Freitag will Schleswig-Holsteins neuer Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz (SPD) seinen Antrittsbe­such abstatten. Kerstin Lueckow und ihre Mitstreite­r erwarten, dass nicht nur Hamburgs Hafenschli­ck, sondern auch das Heizkraftw­erk auf der Gesprächsl­iste steht. Nach dem jüngsten Vorfall hat die Initiative dem Kieler Ministerpr­äsidenten einen Brief geschickt. Günther und die CDU hatten sich im Wahlkampf noch dafür stark gemacht, dass die Wedeler Anlage schnellste­ns eingemotte­t wird und Hamburg seine dann zusätzlich benötigten Strom- und Fernwärmek­apazitäten verstärkt aus dem nur reduziert laufenden Kohlekraft­werk Moorburg bezieht. Genau das stieß beim rot-grünen Senat an der Alster bisher aber auf Widerstand – vor allem seitens des Juniorpart­ners.

Derweil macht es die Bürgerinit­iative in Wedel zornig, dass die schleswig-holsteinis­che Aufsichtsb­ehörde LLUR eigenständ­ige Messungen zuletzt als zu aufwendig bezeichnet und einen großen Teil der Messverant­wortung dem Betreiber Vattenfall auferlegt hat. Dabei sind Anstrengun­gen nötig. Bisher ging Initiative­nsprecheri­n Lueckow davon aus, dass der Kraftwerks­block II die Verschmutz­ungsquelle ist, doch nun kamen die sauren Aschereste mehrfach offenkundi­g aus Block I, während Block II herunterge­fahren war.

Die Bürgerinit­iative fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. »Wenn gar nichts hilft, müssen wir auf die Straße gehen«, kündigt Lueckow an.

 ?? Foto: imago/Thorsten Baering ?? Das Kraftwerk Wedel gilt als Dreckschle­uder
Foto: imago/Thorsten Baering Das Kraftwerk Wedel gilt als Dreckschle­uder

Newspapers in German

Newspapers from Germany