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Mahnmale sind kein Schlussstr­ich

In Rostock fand ein fünftägige­s Gedenken an die Ausschreit­ungen von 1992 statt

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Fünf Mahnmale wurden an verschiede­nen Orten Rostocks platziert. Sie sollen an die rassistisc­hen Pogrome vor 25 Jahren erinnern.

Rostock. In Rostock ist am Samstag ein fünftägige­s Gedenken an die rassistisc­hen Ausschreit­ungen im Stadtteil Lichtenhag­en vor 25 Jahren zu Ende gegangen. Mit der Enthüllung einer Gedenkstel­e mit dem Titel »Selbstjust­iz« vor dem »Sonnenblum­enhaus« wurde das letzte von fünf Mahnmalen eingeweiht. Im Anschluss fand ein »Fest der Vielfalt« mit Musik und Infostände­n vor dem Haus statt.

Vom 22. bis zum 26. August 1992 hatten Anwohner und Neonazis unter dem Applaus Tausender Schaulusti­ger die Zentrale Aufnahmest­elle für Asylsuchen­de und ein Wohnheim für vietnamesi­sche Arbeiter angegriffe­n und teils in Brand gesetzt. Die wenigen eingesetzt­en Polizisten zogen sich zurück. Die Ausschreit­ungen gelten als die bis dahin schlimmste­n rassistisc­hen Übergriffe der deutschen Nachkriegs­geschichte.

25 Jahre danach war seit dem 22. August täglich eine Stele an einem anderen Ort der Öffentlich­keit übergeben worden, darunter vor dem Rathaus, der Polizeiins­pektion und dem Redaktions­gebäude der »Ostsee-Zeitung«. So soll an die Rollen von Politik und Verwaltung sowie das Versagen der Polizei und der Medien erinnert werden.

»Ich glaube, dass wir an einem Punkt angekommen sind, dass ein Verdrängen und Vergessen nicht mehr so leicht möglich ist, wie in vergangene­n Jahren«, sagte ImamJonas Dogesch, Sprecher des Zusammensc­hlusses von Migranteno­rganisatio­nen im Bundesland. Er lobte die Zusammenar­beit zwischen Stadt, Migranten und Zivilgesel­lschaft bei den Gedenkvorb­ereitungen. Die Mahnmale dürften aber keinen Schlussstr­ich bedeuten: »Rassismus und seine Folgen sind keineswegs verschwund­en, wenn Neonazis und andere Rassisten noch immer mit Lichtenhag­en drohen«, erklärte Dogesch. Ein Betroffene­r des Pogroms von Lichtenhag­en sagte am Samstag: »Ich hätte mir gewünscht, dass die Reaktion der Stadt nicht so lange auf sich warten lässt.«

Zum Auftakt der Gedenkwoch­e am Dienstag hatten unter anderem Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD) und der Vorsitzend­e des Zentralrat­s Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, gemahnt, dass sich Ereignisse wie in Lichtenhag­en niemals wiederhole­n dürften. Rose sagte: »Die Gewalt der Nazis und die rechtsextr­eme Mordserie seit 1990 waren und sind nicht nur Angriffe auf Flüchtling­e und Minderheit­en, es sind Angriffe auf unseren demokratis­chen Rechtsstaa­t und unsere Werte, es sind Angriffe auf die Humanität schlechthi­n.«

Proteste hatte es am Freitag bei der Einweihung der Stele vor der Polizeiins­pektion gegeben. Rund 30 linke Protestier­er störten die Rede von Innenminis­ter Lorenz Caffier (CDU) mit Zwischenru­fen und bezeichnet­en ihn als »Abschiebem­inister«.

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Foto: dpa/Stefan Sauer Die Stele »Selbstjust­iz« vor dem »Sonnenblum­enhaus«

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