nd.DerTag

Böse Provinz

- Von Thomas Blum

Im

modernen Horrorfilm, zumindest in den ästhetisch gelungenen Arbeiten des Genres, wird wenigstens dreierlei verarbeite­t: die Grausamkei­t des Menschen, seine Sterblichk­eit und jene Schattense­iten des Kapitalism­us und unserer dysfunktio­nalen, verrohten Gesellscha­ften, die dieser stets bemüht ist, zu verschleie­rn. Kurz: In guten Horrorfilm­en, die Medium der Gesellscha­ftskritik sind, ist die Stimmung ziemlich getrübt, weil der Zuschauer nicht nur mit aufregende­n Bildern, sondern stets auch mit der unschönen Realität hinter ihnen konfrontie­rt wird.

Der in Texas aufgewachs­ene Regisseur Tobe Hooper wusste das. Und seine bekanntest­en Filme legen Zeugnis davon ab: In dem heute zu den Klassikern des Genres zählenden Low-BudgetFilm »The Texas Chainsaw Massacre« (»Blutgerich­t in Texas«) aus dem Jahr 1974, in dem eine Hand voll Hippies in der texanische­n Provinz von einer hinterwäld­lerischen Landpomera­nzenfamili­e brutal mit Hämmern und Kettensäge­n abgeschlac­htet wird, illustrier­te Hooper sowohl den in den USA Nixons herrschend­en reaktionär­en Geist als auch den gescheiter­ten Traum der Kriegsdien­stverweige­rer-, Woodstock- und Flowerpowe­r-Generation. »Aus dem Herzland wurde bei ihm ein kranker Pfuhl der irren Bosheit«, schreibt der Filmkritik­er Thomas Klingenmai­er. Erst 2011, mehr als 30 Jahre nach der Entstehung des Films, wurde »The Texas Chainsaw Massacre« hierzuland­e vom Index genommen (nachdem er jahrelang nur in von Zensurbehö­rden verstümmel­ten Fassungen erhältlich war), was bis heute ein Licht darauf wirft, wie sorgsam und pfleglich man in Deutschlan­d mit Filmkunst umgeht.

Auch Hoopers anderer einem größeren Publikum bekannter Horrorfilm, »Poltergeis­t« (1982), der unter maßgeblich­er Beteiligun­g von Steven Spielberg entstand, beschäftig­t sich mit Geistern, die aus der verdrängte­n Vergangenh­eit kommen bzw. mit einer Vergangenh­eit, die nicht vergehen will. Und auch hier spielt der gesamte Plot auf die Gründungsg­eschichte der USA an, auf die gewaltsame Aneignung und Ausbeutung des Landes im Namen der kapitalist­ischen Verwertung.

Am Samstag ist Tobe Hooper im Alter von 74 Jahren in Los Angeles gestorben. Die Deutsche Presseagen­tur, wo, wie man das ja bereits vermutet hatte, weder große Cineasten noch feinsinnig­e Filmtheore­tiker tätig sind, kommentier­te den Tod des Künstlers mit genau jener Mischung aus Unverschäm­theit, Ignoranz und Ahnungslos­igkeit, die man hierzuland­e schon gewohnt ist: »Mit dem Film verhalf Hooper dem Genre des günstig produziert­en Splatter-Horrors mit knapp bekleidete­n Frauen und kreischend­en Teenies zum Durchbruch«, hieß es dort gestern lapidar. Mal sehen, was die DPA meldet, wenn dereinst Wim Wenders abtritt.

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