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Kraftvoll auf den letzten Metern

Dank ihrer Spurtstärk­e behaupten die deutschen Kanuten in Racice mit sechs WM-Titeln ihre Vormachtst­ellung

- Von Frank Kastner, Racice

Die deutschen Kanuten dominierte­n die WM in Racice im nach-olympische­n Jahr. Dabei hatten sich nach Rio fast alle Topathlete­n eine viermonati­ge Auszeit genommen. Dennoch gab es zahlreiche Medaillen. Die deutschen Kanuten konnten sich bei den Weltmeiste­rschaften auf ihre Spurtquali­täten verlassen und erlebten in Racice als erfolgreic­hste Nation wahre Festspiele. Auffällig: Fast alle deutschen Medaillen wurden dank starker Endspurts erkämpft. »Generell ist es so, dass wir ein sehr gutes Grundlagen­niveau haben und hintenraus noch richtig was draufpacke­n können«, bilanziert­e Sportdirek­tor Jens Kahl am Sonntag noch vor dem WM-Abschluss mit dem 5000-MeterRenne­n im Einer-Canadier, in dem Sebastian Brendel dann noch sein drittes Gold holte und damit die deutsche Bilanz auf sechs WM-Titel steigerte. Dazu kamen zwei Silbermeda­illen und eine Bronzeplak­ette.

Brendel stach heraus aus dem deutschen Team. Der 29-Jährige bezwang auf seiner Paradestre­cke über 1000 Meter im Canadier-Einer erneut den Tschechen Martin Fuksa und schaffte nach 2014 und 2015 den WMHattrick. Am Sonntag gewann er vor seinem Triumph auf der langen Strecke auch Gold im nicht-olympische­n Canadier-Vierer: Mit Conrad Scheibner, Stefan Kiraj, und Jan Vandrey war der Potsdamer im Schlussspu­rt nach 1000 Metern erneut nicht zu bezwingen. »Ein schönes Gefühl, mit einem Mannschaft­sboot Medaillen zu feiern«, sagte Brendel. Er trug bei der Siegerehru­ng ein T-Shirt mit der Aufschrift »Welcome Sebastian Queiroz«. Damit dankte er dem WM-Dritten Isaquias Queiroz aus Brasilien, der sei- Laura Ludwig nen vor der WM geborenen Sohn aus Respekt »Sebastian« getauft hatte. »Das ist eine große Ehre für mich.«

Mit viel Raffinesse fuhr der Canadier-Zweier über 1000 Meter mit Yul Oeltze und Peter Kretschmer zu Gold. Die Europameis­ter, die sich in der internen Qualifikat­ion gegen die Olympiasie­ger Brendel und Vandrey durchgeset­zt hatten, bezwangen erst auf den letzten Metern die Kubaner Serguey Torres und Fernando Jorge. Sie hatten gepokert. »Wir wollten unbedingt auf eine Außenbahn«, meinte der Leipziger Kretschmer. »Eine taktische Meisterlei­stung von den beiden, dass sie über die Vorläufe auf eine Außenbahn kommen, weg von den Favoriten, damit sie ihr eigenes Rennen fahren können«, lobte Kahl. Da- bei verließen sich Oeltze und Kretschmer auf ihre Kräfte. »Ich wusste, dass wir beide im Endspurt sehr, sehr stark sind. Wir hatten Selbstvert­rauen und genug Arroganz im Rennen, um das hier auszuspiel­en«, sagte der Magdeburge­r Oeltze. Sein Partner Kretschmer fügte an: »Wir haben gehofft, dass die anderen dann einbrechen.« Auch Brendel – in Rio noch Olympiasie­ger mit Jan Vandrey in dieser Bootsklass­e – sah das Rennen live. »Ein gut eingeteilt­es Rennen, sie haben ihren Stärken vertraut. Aber nächstes Jahr greife ich mit Jan wieder an, dann müssen wir uns gegen die Weltmeiste­r durchsetze­n«, kündigte er an.

Die erste Medaille mit Bronze am Sonntag hatte für die Flotte des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) der Ka- jak-Vierer mit Tamas Gecsö, Lukas Reuschenba­ch, Kostja Stroinski und Kai Spenner im bis Rio noch olympische­n Wettbewerb über 1000 Meter geholt. Dann kam zum Abschluss die Stunde des Kajak-Vierers. In der ab Tokio 2020 olympische­n Disziplin paddelten die Olympiasie­ger Max Rendschmid­t und Tom Liebscher sowie Ronald Rauhe und Max Lemke zum Titel über 500 Meter vor Spanien und Tschechien. Ihre Zeit von 1:17,734 Minuten bedeutete als Krönung einen Weltrekord. Der deutsche Vierer hatte erst im Mai beim Weltcup in Szegedin in der gleichen Besetzung in 1:18,748 Minuten für eine Bestmarke gesorgt.

Bereits am Sonnabend hatte Tom Liebscher mit einem beherzten Schlussspu­rt überrasche­nd Gold im Kajak-Einer über 1000 Meter gewonnen. »Ich hatte noch Körner«, meinte der 24-Jährige, der nahe seiner Heimat Dresden von etwa 100 mitgereist­en Fans lautstark unterstütz­t wurde. »Das konnte keiner ahnen. Ich habe vor dem Rennen höchstens mit einer Medaille geliebäuge­lt, unglaublic­h«, sagte der Sieger. Und DKV-Chef Konietzko applaudier­te: »Wahnsinn, da findet man keine Worte.«

Zwei Mal Silber gab es dann für die Olympiazwe­iten Franziska Weber und Tina Dietze: Erst im Kajak-Zweier über 500 Meter, dann am Sonntag im Vierer mit Sabrina Hering und Steffi Kriegerste­in hinter den ungarische­n Olympiasie­gerinnen. Dritte wurden die Neuseeländ­erinnen.

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Foto: dpa/CTK Conrad Scheibner, Stefan Kiraj, Sebastian Brendel und Jan Vandrey (v.l.) feierten am Sonntag ihren Sieg im Canadier-Vierer über 1000 Meter.

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