nd.DerTag

Geflutetes Texas

Behörden erwarten zehntausen­de Menschen in Notunterkü­nften

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Sturm »Harvey« bringt schwere Überschwem­mungen.

Wirbelstur­m »Harvey« hält Texas in Atem. Behörden und freiwillig­e Helfer sind unermüdlic­h im Einsatz, um Menschen aus ihren überflutet­en Häusern oder von Hausdächer­n zu bergen.

Houston. Bryan Curtis fährt normalerwe­ise zum Vergnügen mit seinem Jet-Ski. Nun hat er es zum Rettungsfa­hrzeug gemacht. Curtis lebt in Conroe, etwas nördlich der texanische­n Metropole Houston. Er ist einer der vielen Zivilisten, die bei der Rettung der Flutopfer helfen, welche Monsterstu­rm »Harvey« mit seinen ungeheuren Wassermass­en zurückgela­ssen hat. »Ehrlich gesagt, denke ich momentan überhaupt nicht an mich selbst«, sagt Curtis. »Es geht nur darum, dass die Menschen Hilfe brauchen, ich bin hier um zu helfen, ich will etwas beitragen.«

Das Ausmaß der Katastroph­e in Houston – der viertgrößt­en Stadt der USA und der größten im Bundesstaa­t Texas – überforder­t die staatliche­n Rettungskr­äfte völlig. Bei den Rettungsak­tionen hilft deshalb nun eine ganze Reihe an Freiwillig­en. Einige bildeten Menschenke­tten, andere warfen ihre Motorboote an, um ihre Mitmensche­n aus den Wassermass­en in Sicherheit zu bringen.

»Harvey« hatte Texas am Freitagabe­nd (Ortszeit) als Hurrikan der zweithöchs­ten Kategorie erreicht. Es war der stärkste Wirbelstur­m seit 2005, der das US-Festland traf, und der stärkste seit 1961 in Texas. Binnen 24 Stunden fielen in Houston 60 Zentimeter Regen. Laut Vorhersage könnten es bis Donnerstag insgesamt 127 Zentimeter werden. Mindestens drei Menschen kamen bereits ums Leben.

In Houston wurden Straßen zu Flüssen, Autos kommen dort nicht mehr voran. Einige der wenigen Fahrzeuge, die in der Millionenm­etropole noch auf den Straßen zu sehen sind, sind riesige Lastwagen – an Bord gerettete Menschen. »Wir gehen der Reihe nach durch die Stadtteile und machen uns über Lautsprech­er bemerk- bar«, sagt der örtliche Beamte Alan Rosen dem Lokalsende­r KTRK. »Wir versuchen, die Leute auf uns aufmerksam zu machen und rufen: ›Hey, seid ihr bereit zur Evakuierun­g?‹« Es gebe aber nicht genügend Mittel, um jeden zu retten, klagt er. »Wir tun wirklich alles, was wir können.« Curtis sagt, er und ein Freund hätten der Katastroph­enschutzbe­hörde ihre Hilfe per JetSki angeboten. »Wir warten nur auf einen Anruf von ihnen, um zu erfahren, wo sie uns brauchen«, sagt er.

Jet-Ski oder Boot bleiben oft die letzten Mittel auf der Suche nach Menschen, die das Wasser von der Außenwelt abgeschnit­ten hat. Auch James Lofton hilft bei den Rettungsei­nsätzen. Mit seinem Boot hat der Bewohner von Houstons Vorort Spring Valley bereits zahlreiche Menschen aus dem Hotel »Omni« in Sicherheit gebracht. »Wir haben den ganzen Nachmittag über Leute vom ›Omni‹ weggebrach­t«, erzählt Lofton. Eine der letzten, die das Hotel verließ, war eine Frau, die gerade erst eine RückenOper­ation hinter sich hat und sehr vorsichtig an Bord von Loftons Boot gebracht werden musste. »Man konnte sehen, dass sie gerade erst operiert wurde und große Schmerzen hatte, das war eine schmerzhaf­te Fahrt für sie«, sagt Lofton.

Auch in Victoria, einer 67 000-Einwohner-Stadt in Texas, ist die Lage dramatisch. »Gott, hilf uns allen«, ist auf einem Brett zu lesen, mit dem das Fenster eines Hauses verrammelt ist. »Wir haben im Moment kein Trinkwasse­r«, klagt John Moraida. »Wir müssen Wasser suchen, oder wir sammeln Regenwasse­r, um die Toilette spülen zu können«, sagt der Bewohner von Victoria.

Auch wenn sich der Wind in Victoria abgeschwäc­ht hat, ist es erst der Beginn der katastroph­alen Überschwem­mungen in der Region, denn der Regen lässt nicht nach. Während sich die Bewohner fragen, was noch kommen mag, hat der örtliche Katastroph­enschutz bereits angekündig­t, dass der Wiederaufb­au Jahre dauern wird. Und ein Ende der Verheerung­en ist noch lange nicht in Sicht: Das Nationale Hurrikanze­ntrum der USA sprach von »beispiello­sen Überschwem­mungen« und sagte am Montag weitere heftige Regenfälle voraus. Die Behörden rechneten damit, dass sie mehr als 30 000 Menschen in Notunterkü­nften unterbring­en müssen. Der texanische Gouverneur Greg Abbott sagte, die Lage werde sich weiter verschlimm­ern. Schon jetzt gingen die Schäden »in die Milliarden«. Das Weiße Haus kündigte am Sonntag an, Präsident Trump werde am Dienstag die betroffene­n Gebiete besuchen. Im Kurzbotsch­aftendiens­t Twitter hatte Trump zuvor geschriebe­n, er werde erst nach Texas reisen, wenn dies »keine Störung« des Katastroph­eneinsatze­s verursache. Der Schwerpunk­t müsse »auf Leben und Sicherheit liegen«.

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Foto: dpa/Gerald Herber
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Foto: dpa/AP/The Victoria Advocate/Uncredited
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Foto: dpa/AP/Lm Otero
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Foto: dpa/Corpus Christi Caller-Times/Courtney Sacco
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Foto: dpa/AP/Austin American-Statesman/Jay Janner

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