nd.DerTag

Weltweite Proteste

Einzigarti­ger Justizmord

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Bis zuletzt versuchen Hunderttau­sende Menschen weltweit, von Paris, London, Belfast, Madrid bis Moskau, aber auch in Japan, China, Nord- und Südafrika, Mittelund Südamerika und sogar in Australien, mit Streiks und Demonstrat­ionen die Hinrichtun­g von Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti zu verhindern. Aus aller Welt treffen Gnadengesu­che in den USA ein, unterzeich­net unter anderen von prominente­n Politikern, Schriftste­llern und Wissenscha­ftlern. In vielen europäisch­en Städten kommt es zum Boykott und zu Übergriffe­n auf US-amerikanis­che Geschäfte und Kinos, die amerikanis­che Filme spielten. In Paris musste die US-Botschaft mit Panzern geschützt werden. Auch in den USA selbst gibt es vor und nach dem Justizmord an Sacco und Vanzetti heftige Proteste, teils mit gewaltsame­n Ausschreit­ungen verbunden.

Eineinhalb Wochen vor der Hinrichtun­g von Sacco und Vanzetti veröffentl­icht die Rote Hilfe Deutschlan­ds am 12. August 1927 eine das Fehlurteil und den Rassismus in den USA entlarvend­e Dokumentat­ion. Am Vorabend der Hinrichtun­g rufen allein in Berlin erneut 40 kommunisti­sche, sozialisti­sche, gewerkscha­ftliche, anarchisti­sche, pazifistis­che und humanistis­che Organisati­onen nochmals zu einer machtvolle­n Demonstrat­ion auf. Am Tag nach dem Justizmord an Sacco und Vanzetti finden deutschlan­dweit Trauerkund­gebungen statt. In Berlin folgen etwa 150 000 Menschen dem Aufruf der KPD zur größten Kundgebung der Weimarer Republik; Parteivors­itzender Ernst Thälmann hält eine Rede im Lustgarten, die am 25. August 1927 in der »Roten Fahne« abgedruckt wird.

Der einzigarti­ge Justizskan­dal findet in der Folge vielfach Rezeption in Kunst, Literatur und Musik. Just in deutsche Kinos gelangt ist ein neuer Dokumentar­film unter der Regie des kanadische­n Regisseurs Peter Miller.

Erst 50 Jahre nach der Hinrichtun­g, im Juli 1977, rehabiliti­ert de facto der Gouverneur von Massachuse­tts Sacco und Vanzetti und bittet deren Angehörige um Verzeihung für die willkürlic­he Entscheidu­ng eines seiner Amtsvorgän­ger und der seinerzeit­igen US-amerikanis­chen Justiz.

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