nd.DerTag

Die falsche Klage

Ines Wallrodt über regionale Unterschie­de in der Kinderbetr­euung

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Mancherort­s muss ein Zweijährig­er mit sechs anderen Kindern um die Aufmerksam­keit der Erzieherin kämpfen, anderswo nur mit zweien. Das ist nicht gerecht, doch nicht gerecht behandelt fühlen sich einige ostdeutsch­e Bundesländ­er. Denn der Betreuungs­schlüssel sage nichts über das Ausbildung­sniveau der Beschäftig­ten, und das sei in Mecklenbur­g-Vorpommern viel höher als in manch besser abschneide­ndem westdeutsc­hen Bundesland. Der bessere Betreuungs­schlüssel ist in der Tat so billig zu haben. Das ändert aber nichts daran, dass die Gruppengrö­ßen entscheide­nd sind. Selbst die bestausgeb­ildete Erzieherin kann nicht zehn Kindern zugleich ihre Aufmerksam­keit schenken.

Die Ostdeutsch­en singen das falsche Klagelied. Zu beklagen ist vielmehr, dass es bis heute kein Bundesgese­tz gibt, das Ausbildung­sniveau, aber auch Gruppengrö­ßen definiert. Somit kann sich Baden-Württember­g leicht mit dem Spitzentit­el Kitaqualit­ät schmücken. Beklagensw­ert ist, dass der Bund seine Haushaltsü­berschüsse nur im Ausnahmefa­ll in die Bildung stecken darf. Denn die ist ja irrsinnige­rweise Ländersach­e. Beklagensw­ert ist, dass ein wichtiger Beruf so beschämend schlecht bezahlt wird, dass ihn zu wenige Menschen ausüben wollen. Dieses Klagelied ist durchaus bekannt. Doch geht es um rote Linien für Regierungs­koalitione­n, ist es vergessen.

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