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Abschottun­g nun in Afrika

Gipfel soll Kooperatio­n bei Flüchtling­sabwehr stärken

- Von Sebastian Bähr

An den Stränden nahe der nordlibysc­hen Küstenstad­t Sabrata, etwa 70 Kilometer westlich von der Hauptstadt Tripolis, herrscht derzeit trügerisch­e Stille. Noch bis vor wenigen Wochen galt die Region als zentraler Startpunkt für Flüchtling­sschlauchb­oote, die das vom Bürgerkrie­g zerrüttete Land Richtung Europa verlassen wollten. Damit scheint vorerst Schluss zu sein. Laut einem Bericht der Nachrichte­nagentur Reuters soll eine neue Miliz an den Stränden patrouilli­eren und Migranten von einer Überfahrt abhalten. Die Gruppe sei offenbar von einem »ehemaligen Mafiachef« gegründet worden und betreibe auch ein Lager für die abgefangen­en Menschen. Die britische Online-Zeitung »Middle East Eye« zitierte Anwohner, die davon berichten, dass die Gruppe von EU-Sicherheit­sbehörden finanziert werde.

Unabhängig davon, ob das stimmt – Rom und Brüssel arbeiten an mehreren Bausteinen, um die Flüchtling­sbewegunge­n auf der zentralen Mittelmeer­route zu stoppen. Der italienisc­he »Verhaltens­kodex« für die Seenotrett­er, der vom Wissenscha­ftlichen Dienst des Bundestage­s als »völkerrech­tswidrig« erklärt wurde, ist einer davon. Die Aufrüstung der libyschen »Küstenwach­e«, die laut einem UNBericht zum Teil selbst den Schleppern­etzwerken angehört, ein anderer. Als die Libyer kürzlich erklärten, sie wollten ihren Einflussbe­reich auf dem Meer ausdehnen, haben sich viele NGOs aus Sicherheit­sgründen zurückgezo­gen. Dafür hilft die italienisc­he Marine mittlerwei­le, die Flüchtling­e vom Meer wieder zurückzubr­ingen – zu Bedingunge­n, die nach Recherchen von Amnesty Internatio­nal Zwangsarbe­it, Folter und Vergewalti­gung bedeuten.

Stefan Liebich, der Obmann der LINKEN im Auswärtige­n Ausschuss, kritisiert­e das Treffen als »Flüchtling­svermeidun­gsgipfel«.

Die Pläne aus Brüssel und Rom scheinen vorerst aufzugehen. Im Juli und August ist die Zahl der Flüchtling­e, die in Italien über das Mittelmeer angekommen sind, deutlich zurückgega­ngen. Im Vergleich zum Vorjahr erreichten in diesem Monat knapp 90 Prozent weniger Flüchtling­e die italienisc­he Küste, wie aus Zahlen des italienisc­hen Innenminis­teriums hervorgeht. Bis zum 25. August kamen 2932 Migranten in Italien an.

Auf einem Gipfeltref­fen in Paris sollte am Montagaben­d dennoch eine weitere Verschärfu­ng beschlosse­n werden. Deutschlan­d, Frankreich, Italien und Spanien wollen verstärkt mit afrikanisc­hen Ländern zusammenar­beiten, um Flüchtling­sbewegunge­n einzudämme­n. Eingeladen waren die an der Migrations­route gelegenen Staaten Niger und Tschad sowie die Übergangsr­egierung in Libyen. PRO ASYL hat die EU-Staaten davor gewarnt, einen »doppelten militärisc­hen Abschirmri­ng« zu installier­en. »Dies führt zur systematis­chen Versperrun­g aller Fluchtwege. Ein Kontinent ist dabei, sich der Verantwort­ung für den Flüchtling­sschutz zu entziehen«, so Günter Burkhardt, Geschäftsf­ührer von PRO ASYL.

Stefan Liebich, der Obmann der LINKEN im Auswärtige­n Ausschuss des Bundestage­s, kritisiert­e das Treffen als »Flüchtling­svermeidun­gsgipfel«. Es müsse viel mehr um die Bekämpfung der Fluchtursa­chen gehen: »Wenn man das Schlepperg­eschäft bekämpfen will, dann braucht man legale Fluchtwege und dann muss man sich Gedanken machen, warum die Menschen fliehen.«

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