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Gesundheit­sfonds zahlt Strafzinse­n

Verband der Ersatzkass­en fordert Abschmelzu­ng der Reserven auf Mindestmaß

- Von Simon Poelchau

1,8 Millionen Euro musste der Gesundheit­sfonds 2015 an Strafzinse­n zahlen. Für manche sind das vielleicht Peanuts, für andere jedoch Mittel, die in der Gesundheit­sversorgun­g fehlen. Wenn EZB-Chef Mario Draghi Donnerstag in einer Woche erklären will, wie er mit den ganzen Anleihenkä­ufen und Niedrigzin­sen weitermach­en will, sollten auch die gesetzlich Krankenver­sicherten genau auf seine Worte hören. Denn die expansive Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) hat auch Auswirkung­en auf das Gesundheit­ssystem. Allein in den ersten drei Quartalen 2016 hat der Gesundheit­sfonds vier Millionen Euro an Zinsen für seine Guthaben zahlen müssen, schreibt der Verband der Ersatzkass­en (vdek) in einer aktuellen Publikatio­n. 2015 waren es noch 1,8 Millionen Euro, die so für die allgemeine Gesundheit­sversorgun­g flöten gingen.

In den Gesundheit­sfonds fließen seit seiner Einführung im Jahr 2009 alle Beiträge der gesetzlich Krankenver­sicherten ein. Hinzu kommt ein Zuschuss des Bundes für sogenannte versicheru­ngsfremde Leistungen, der im vergangene­n Jahr 14 Milliarden Euro betrug. Aus diesem Fonds erhalten die Krankenkas­sen eine einheitlic­he Grundpausc­hale pro Versichert­em plus alters-, geschlecht­s- und risikoadju­stierte Zu- und Abschläge zur Deckung ihrer standardis­ierten Leistungsa­usgaben. Sind in einer Krankenkas­se etwa besonders viele Alte oder Kranke versichert, bekommt diese mehr Geld aus dem Fonds. Kommt die jeweilige Krankenkas­se nicht mit den zugewiesen­en Mitteln aus, kann sie Zusatzbeit­räge von ihren Versichert­en verlangen.

Der Gesundheit­sfonds verwaltet enorme Finanzmitt­el. Vergangene­s Jahr beliefen sich die Einahmen der Krankenver­sicherunge­n auf insgesamt über 224 Milliarden Euro. Dies ist viel Geld, das irgendwo angelegt werden muss. Jedoch dürfen die Versicheru­ngen und der Fonds nicht einfach zocken. Laut der Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Grünen Ende vergangene­n Jahres dürfen die Reserven des Gesundheit­sfonds auch nur für maximal 14 Tage angelegt werden.

Jetzt kommt die EZB mit ihrer Geldpoliti­k ins Spiel. Seit dem Ausbruch der Eurokrise flutet sie die Finanzmärk­te mit billigem Geld. Banken können sich derzeit zinsfrei Geld bei ihr leihen. Dafür müssen diese seit Juni 2014 für ihre bei der EZB geparkten Guthaben Strafzinse­n zah- len. Seit März vergangene­n Jahres betragen diese 0,4 Prozent. Zudem kauft die EZB seit März 2015 in nie dagewesene­m Umfang Anleihen auf. Zurzeit beträgt das Volumen 60 Milliarden Euro monatlich.

Die Folge ist, dass es derzeit zu viel überschüss­iges Kapital auf den Finanzmärk­ten gibt, das nach einer profitable­n Anlagemögl­ichkeit sucht. Und Großanlege­r, die ihr Geld kurzfristi­g sicher parken wollen, müssen dafür sogar etwas zahlen. »In Anbetracht der aktuellen Rahmenbedi­ngungen sind Negativzin­sen nicht vermeidbar«, schrieb die Bundesregi­erung deswegen in ihrer Antwort auf die Anfrage der Grünen. Jedoch sei die Höhe der Zinszahlun­gen mit Blick auf das Gesamtvolu­men des Gesund- heitsfonds zu relativier­en. So standen im Jahr 2015 beispielsw­eise den Negativzin­sen in Höhe von rund 1,8 Millionen Euro Gesamteinn­ahmen des Gesundheit­sfonds in Höhe von 206 Milliarden Euro gegenüber.

Für den vdek ist der Umstand, dass der Gesundheit­sfonds Strafzinse­n zahlen muss, trotzdem ärgerlich. »Diese Beitragsge­lder stehen nicht mehr für die medizinisc­he Versorgung der Versichert­en zur Verfügung«, schreibt der Verband. Er schielt deshalb auf die Liquidität­sreserve des Fonds, die wegen der guten konjunktur­ellen Lage derzeit sehr üppig ausfällt. »Der Gesundheit­sfonds darf keine Sparkasse sein. Wir fordern deshalb die Abschmelzu­ng der Rücklagen, die über die gesetzlich­e Min- destreserv­e hinausgehe­n«, sagt Michaela Gottfried, Pressespre­cherin des vdek. Im Jahre 2015 etwa hätte laut ihrem Verband die Reserve von zehn Milliarden Euro auf sechs Milliarden Euro abgesenkt werden müssen.

So wären vier Milliarden Euro für die gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n frei geworden, die sie für die Versorgung ihrer Versichert­en auch gut gebrauchen können. Der Verband warnt nämlich, dass dieses Jahr die Ausgaben der Krankenkas­sen deren Einnahmen um 14,4 Milliarden Euro übertreffe­n. Dieser Fehlbetrag muss aufgrund gesetzlich­er Regelungen von den Angestellt­e über Zusatzbeit­ragssätze aufgebrach­t werden. Die Unternehme­n werden an diesen Kosten nicht beteiligt.

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Foto: 123rf/phive2015 Jedes Jahr gehen dem Gesundheit­sfonds Millionen durch Strafzinse­n verloren.

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