nd.DerTag

Hennen fürs Schlachtha­us

- Von Hagen Jung

Rund 100 000 Legehennen aus drei mit Fipronil belasteten Betrieben in Niedersach­sen dürfen nun doch geschlacht­et werden. Ihr Fleisch ist zum Verzehr geeignet, ergaben Untersuchu­ngen. Ein Tötungstru­pp rückt an, legt in die Hühnerstäl­le Schläuche, durch die kurz darauf giftiges Kohlendiox­yd strömt. Die Hühner kippen um, sterben, werden eingesamme­lt und zur Tierkörper­beseitigun­gsanlage transporti­ert. Das Miterleben dieses Verfahrens, das bei Geflügelse­uchen angewendet wird, ist drei Legehennen­haltern in Niedersach­sen erspart geblieben. Ihre Hühner durften die mit dem verbotenen Insektizid Fipronil belasteten Quartiere lebend verlassen, wenn auch in Richtung Schlachtha­us.

Über eine Massentötu­ng mit anschließe­nder Entsorgung der Hennen war durchaus nachgedach­t worden. Immerhin droht den drei wegen Fipronil gesperrten Betrieben erhebliche­r wirtschaft­licher Schaden. Wegen des Giftbefall­s waren die Geflügelha­lter zum Vernichten tausender Eier gezwungen, hatten demnach keinen Nutzen von den Hühnern, mussten sie aber dennoch täglich füttern.

Doch das tausendfac­he Töten vor Ort hätte die Hennenbesi­tzer mit dem Tierschutz­gesetz in Konflikt gebracht. Verlangt es doch für einen solchen Schritt »einen vernünftig­en Grund«. Und ein solcher, so hatte das Landwirtsc­haftsminis­terium in Hannover gewarnt, sei allein durch den Nachweis von Fipronil nicht gegeben. Schließlic­h werde der Giftstoff sowohl im Fleisch als auch in den Eiern abgebaut.

Doch Tage nach dieser Meldung, kam die Entwarnung: Zwar dürfen die Eier aus den gesperrten Betrieben nach wie vor nicht auf den Markt kommen, aber Laborergeb­nisse hatten ergeben, dass die Fibronilbe­lastung in den Hennen unter der Nachweisgr­enze liegt, und das hieß: Sie dürfen geschlacht­et, ihr Fleisch zum Verzehr verwertet werden.

Doch nun galt es, einen Großschlac­hter zu finden, der die 100 000 Tiere haben will. Muss ihm doch deren Herkunft nachgewies­en werden, und: Nach »Fipronil-Hühnern«, auch wenn sie als »gesund« gelten, dürfte wohl kaum ein Schlachtun­ternehmen, um sein Image fürchtend, die Hände ausstrecke­n.

Nun aber haben die drei Bentheimer Betriebe einen Abnehmer für die Hennen gefunden: einen Schlachtho­f in Belgien. Sind die Tier auf dem Weg dorthin, werden ihre Ställe gründlich gereinigt – und neue Hühner dürfen einziehen.

Damit ist der Ärger für die drei Geflügelha­lter jedoch nicht zu Ende. Noch sind sie und zwei Kollegen aus den Kreisen Emsland und Leer im Visier der Staatsanwa­ltschaft. Sie hat die Betriebe durchsucht, Papiere sichergest­ellt und ermittelt weiter, ob die Hühnerhalt­er vom Fipronil-Einsatz bei der Stalldesin­fektion gewusst hatten. Nein, haben wir nicht, unterstrei­chen die fünf Hennenhalt­er.

Inzwischen sorgt im Eierskanda­l ein weiterer Giftstoff für Unruhe. Die Desinfekti­onsmittelK­anister, in denen Fipronil entdeckt wurde, enthielten nach Informatio­nen des »Spiegel« auch das Pestizid Amitraz. Das Nachrichte­nmagazin erwähnt in diesem Zusammenha­ng einen vertraulic­hen Bericht des Bundesamts für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it. Amitraz wird bei Haustieren zur Bekämpfung von Insekten und Milben verwendet. Als Pflanzensc­hutzmittel darf es in der EU nicht mehr eingesetzt werden. Bei Menschen kann das Mittel niedrigen Blutdruck, Sprachstör­ungen und Probleme bei der Orientieru­ng hervorrufe­n, heißt es. Laut »Spiegel« wird geprüft, ob auch dieses Gift in Eier gelangt ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany