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Männer erklären die Welt

Studie zu Rollenklis­chees und Frauenante­il im deutschen Fernsehen

- Von Katharina Dockhorn

Seit wenigen Wochen ist endgültig Schluss für »Mona Lisa«, das Frauenmaga­zin des ZDF wurde Mitte Juli nach 18 Jahren eingestell­t. Eine Nische für Frauenthem­en und die weibliche Sicht auf die Welt sei nicht mehr zeitgemäß und im Gesamtprog­ramm des ZDF ausreichen­d vertreten, begründete ZDF-Intendant Thomas Bellut die Entscheidu­ng der Hauptabtei­lungsleite­r des Zweiten – sechs von acht Mitglieder­n in diesem Gremium sind Männer!

Auch die Chefredakt­ion des ZDFNachric­htenflaggs­chiffs »heute« ist eine Männerdomä­ne, wie Moderatori­n Petra Gerster gegenüber ihrem Intendante­n bei der Vorstellun­g der Studie »Audiovisue­lle Diversität. Geschlecht­erdarstell­ung in Film und Fernsehen in Deutschlan­d« vor Kurzem in Berlin anmerkte. Elizabeth Pommer vom Institut für Medienfors­chung der Universitä­t Rostock hatte die Untersuchu­ng mit ihrem Team auf Initiative von Maria Furtwängle­r erstellt. Die »Tatort«-Kommissari­n holte neben ARD und ZDF und den beiden großen privaten Sendergrup­pen die Filmförder­ungsanstal­t sowie die regionalen Film- und Fernsehför­derer aus Bayern und NRW zur Finanzieru­ng mit ins Boot.

Systematis­ch haben sich die Wissenscha­ftlerinnen durch zwei Wochen TV-Programm gewühlt; ausgewerte­t wurden mehr als 3000 Programmst­unden. Außerdem wurden 800 deutschspr­achige Kinofilme aus den Jahren 2010 bis 2016 analysiert. Die Ergebnisse sind alarmieren­d. Frauen sind zahlenmäßi­g unterreprä­sentiert; wenn sie die 30 überschrit­ten haben, verschwind­en sie sukzessive vom Bildschirm. Männer erklären die Welt; unter den Experten in Reportagen- und Nachrichte­nsendungen sind 80 Prozent männlich.

Dass dies alles so seine Richtigkei­t hat, wird schon den Kleinsten auf KIKA, dem Kinderkana­l der Öffentlich-Rechtliche­n suggeriert. Die Moderatore­n dort sind zu zwei Dritteln männlich. Prägend für das spätere Weltbild und das Geschlecht­erverständ­nis sind auch die fiktionale­n Angebote anderer Sender für Kinder und Jugendlich­e. Von vier Figuren in Serien und Filmen für diese Zielgruppe ist nur eine weiblich. In den animierten Filmen kommt sogar nur eine weibliche Figur auf neun männli- che – egal ob Roboter, Monster oder Tier. Fantasie, Entdeckerf­reude und Technikaff­inität werden so männlich konditioni­ert.

Was Hänschen dort lernt, will Hans leben und weiter sehen. Es sei ein langjährig­er Prozess, Geschlecht­ergerechti­gkeit vor und hinter der Kamera durchzuset­zen und Klischees abzubauen, merkte Karola Wille an, Intendanti­n des MDR und des KIKA. In den 1970er Jahren stellte eine ähnliche Studie fest, Männer handeln, Frauen kommen auch vor. In den 1990ern hatte es sich leicht verbessert, die zentrale These aber blieb.

Wille verspricht, beim Kinderkana­l künftig genauer hinzusehen. Sie erinnerte auch an die Selbstverp­flichtung der ARD-Spielfilmt­ochter Degeto, in drei Jahren 20 Prozent der Filme in die Hände von Regisseuri­nnen zu legen. Die Handschrif­t von Frauen fehlt in der Regielands­chaft. Sie erhalten seltener finanziell­e Unterstütz­ung für ihre Projekte. Und wenn sie die Gremien überzeugt haben, sind die Budgets ihrer Filme im Durch- sich an drei Fragen orientiert: Gibt es mindestens zwei Frauenroll­en? Sprechen die Frauen miteinande­r? Unterhalte­n sie sich dabei über andere Themen als Männer und Beziehunge­n? Wird der Test für Männer wiederholt, erfüllen 87 Prozent der untersucht­en Filme die Kriterien.

Auf zwei Männer kommt im Schnitt eine Frau auf den Bildschirm­en und Leinwänden, so das Fazit. Besonders eklatant ist dies bei der Unterhaltu­ng. Im Sport holen die Frauen auf. Das ZDF wird sich auch künftig nicht von Shitstorms abhalten lassen, Moderatori­nnen bei Fußballspi­elen einzusetze­n, stellte Thomas Bellut kürzlich klar, als Claudia Neumann nach der Moderation eines Männer-Fußballspi­els zum wiederholt­en Mal im Netz hasserfüll­te Kommentare über sich ergehen lassen musste.

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Foto: istock/sss Vor und hinter der Kamera sind Frauen in Film und Fernsehen nach wie vor benachteil­igt.

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