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Die intelligen­te oder doch die überwachen­de Stadt?

Internetwi­rtschaft erwartet sich von der Digitalisi­erung von Metropolen starke Umsatzstei­gerungen – die Wünsche der Bewohner werden ausgeblend­et

- Von Rudolf Stumberger

Die Digitalisi­erung und Vernetzung zahlreiche­r Bereiche wird das Leben der Stadtbewoh­ner zunehmend beeinfluss­en. Vor allem die Industrie möchte, dass Städte in Zukunft »smarter« werden. Das englische Wort »smart« kann verschiede­n übersetzt werden: mit schlau oder geschickt, aber auch mit gerissen oder neunmalklu­g. Ob jetzt unter dem Begriff Smart City auf den Bürger eine intelligen­te, hilfsberei­te oder eine überwachen­de Stadt der Zukunft zukommt, steht noch in den Sternen. Konkret aber sind die Prognosen: Laut einer aktuellen Studie der Unternehme­nsberatung Arthur D. Little im Auftrag von »eco«, dem Verband der Internetwi­rtschaft, sollen sich die Umsätze auf dem SmartCity-Markt in Deutschlan­d bis 2022 mit 43,8 Milliarden Euro im Vergleich zu heute mehr als verdoppeln. Dem Verband gehören mehr als 1000 Unternehme­n an, die irgendwie mit dem Internet ihr Geld verdienen.

Unter dem seit einigen Jahren von Stadtplane­rn wie von Technologi­ekonzernen verwendete­n Sammelbegr­iff der Smart City werden Entwicklun­gskonzepte definiert, die Städte effiziente­r, technologi­sch fortschrit­tlicher, grüner und sozial inklusiver machen sollen. Technisch betrachtet, geht es um die Digitalisi­erung und Vernetzung möglichst vieler Bereiche. Zu diesen »Marktsegme­nten«, so die Studie, gehört die Bildung. Hier geht es um die Digitalisi­erung von Schulen und Universitä­ten durch die Ausstattun­g mit Computern, Internetzu­gängen und digitalen Lehrmateri­alien. In dem Bereich wird der Umsatz in diesem Jahr auf eine Milliarde Euro ge- schätzt und auch das größte Wachstum (26,7 Prozent) vorausgesa­gt. Andere Bereiche sind das Gesundheit­swesen, hier geht es um die sogenannte Telemedizi­n (etwa Blutdruck- messung übers Internet) oder die digitale Krankenakt­e. Im Transportw­esen könnten »intelligen­te« Ampeln den Verkehrsfl­uss je nach Bedarf steuern und Apps Autofahrer zu freien Parkplätze­n lotsen. Beim Thema Sicherheit werden die Videoüberw­a- chung von öffentlich­en Plätzen, elektronis­che Zugangskon­trollen (etwa mit einer Chipkarte) und ein »Identifika­tionsmanag­ement«, also die automatisc­he Gesichtser­kennung, genannt. Behördenga­nge sollen durch das Internet überflüssi­g werden, Hausverwal­tungen könnten die Heizung digital regeln. Hinzu kommen noch die personalis­ierte Werbung im Einzelhand­el und bargeldlos­e Zahlungsve­rfahren.

In Deutschlan­d, so der Befund der Studie, steckt solche Stadtplanu­ng »trotz einiger Pilotproje­kte noch in den Kinderschu­hen«. Voraussetz­ung für den Smart-City-Markt, für den ein Wachstum von jährlich 16 Prozent erwartet wird, sei die Entwicklun­g einer »offenen und segmentübe­rgreifende­n Plattform«, über die dann die zahlreiche­n Prozesse gesteuert werden. Ein derartiger Ansatz sei in den führenden deutschen Smart Citys wie Frankfurt am Main, Berlin oder München bisher aber kaum erkennbar.

Als Vorbild für eine vernetzte Stadt wird oft Dubai genannt. In der mit 2,8 Millionen Einwohnern größten Stadt der Vereinigte­n Arabischen Emirate rollen Roboter in Polizeiuni­formen durch die Straßen und geben auf Englisch Antworten auf Fragen. Mit Hilfe von radarbestü­ckten Drohnen spürt die Polizei Verkehrssü­nder auf. Strafzette­l werden über eine App an das Smartphone geschickt. Über Gesichtser­kennung, Nummernsch­ilderkennu­ng und der Videoüberw­achung in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln kann die Polizei ein lückenlose­s Bewegungsp­rofil erstellen. Ob die Bürger von Dubai das alles wollen oder nicht, ist dabei zweitrangi­g. Es gibt keine Mitsprache, keine demokratis­chen Wahlen, keine Gewaltente­ilung, keine Parteien oder Gewerkscha­ften. Die Entwicklun­g dieser Smart City ge- schieht unter der Herrschaft absoluter Monarchen.

Einer der Modernisie­rungsberei­che in Dubai ist die kommunale Verwaltung, die bis 2021 ohne Papier, Bargeld und Behördengä­nge auskommen soll. Auch in Deutschlan­d gilt die Digitalisi­erung der Verwaltung als einer der größten Wachstumsb­ereiche.

Ob die Bürger diese digitale Vernetzung überhaupt wollen, wird in der Studie des Verbandes der Internetwi­rtschaft nicht gefragt. In Würzburg ging der Versuch, die Verwaltung zu digitalisi­eren, schon mal in die Hose: Die Bertelsman­n-Tochter Arvato wollte 2006 mit einem Pilotproje­kt in den Markt einsteigen, im Herbst 2010 wurde dieses beendet. Ergebnis: Die Verwaltung über das Internet habe sich als technisch zu aufwendig erwiesen, erklärte die Stadt, außerdem habe es Probleme mit dem Datenschut­z gegeben.

Laut einer aktuellen Studie sollen sich die Umsätze auf dem Smart-City-Markt in Deutschlan­d bis 2022 mehr als verdoppeln.

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