Die intelligente oder doch die überwachende Stadt?
Internetwirtschaft erwartet sich von der Digitalisierung von Metropolen starke Umsatzsteigerungen – die Wünsche der Bewohner werden ausgeblendet
Die Digitalisierung und Vernetzung zahlreicher Bereiche wird das Leben der Stadtbewohner zunehmend beeinflussen. Vor allem die Industrie möchte, dass Städte in Zukunft »smarter« werden. Das englische Wort »smart« kann verschieden übersetzt werden: mit schlau oder geschickt, aber auch mit gerissen oder neunmalklug. Ob jetzt unter dem Begriff Smart City auf den Bürger eine intelligente, hilfsbereite oder eine überwachende Stadt der Zukunft zukommt, steht noch in den Sternen. Konkret aber sind die Prognosen: Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Arthur D. Little im Auftrag von »eco«, dem Verband der Internetwirtschaft, sollen sich die Umsätze auf dem SmartCity-Markt in Deutschland bis 2022 mit 43,8 Milliarden Euro im Vergleich zu heute mehr als verdoppeln. Dem Verband gehören mehr als 1000 Unternehmen an, die irgendwie mit dem Internet ihr Geld verdienen.
Unter dem seit einigen Jahren von Stadtplanern wie von Technologiekonzernen verwendeten Sammelbegriff der Smart City werden Entwicklungskonzepte definiert, die Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver machen sollen. Technisch betrachtet, geht es um die Digitalisierung und Vernetzung möglichst vieler Bereiche. Zu diesen »Marktsegmenten«, so die Studie, gehört die Bildung. Hier geht es um die Digitalisierung von Schulen und Universitäten durch die Ausstattung mit Computern, Internetzugängen und digitalen Lehrmaterialien. In dem Bereich wird der Umsatz in diesem Jahr auf eine Milliarde Euro ge- schätzt und auch das größte Wachstum (26,7 Prozent) vorausgesagt. Andere Bereiche sind das Gesundheitswesen, hier geht es um die sogenannte Telemedizin (etwa Blutdruck- messung übers Internet) oder die digitale Krankenakte. Im Transportwesen könnten »intelligente« Ampeln den Verkehrsfluss je nach Bedarf steuern und Apps Autofahrer zu freien Parkplätzen lotsen. Beim Thema Sicherheit werden die Videoüberwa- chung von öffentlichen Plätzen, elektronische Zugangskontrollen (etwa mit einer Chipkarte) und ein »Identifikationsmanagement«, also die automatische Gesichtserkennung, genannt. Behördengange sollen durch das Internet überflüssig werden, Hausverwaltungen könnten die Heizung digital regeln. Hinzu kommen noch die personalisierte Werbung im Einzelhandel und bargeldlose Zahlungsverfahren.
In Deutschland, so der Befund der Studie, steckt solche Stadtplanung »trotz einiger Pilotprojekte noch in den Kinderschuhen«. Voraussetzung für den Smart-City-Markt, für den ein Wachstum von jährlich 16 Prozent erwartet wird, sei die Entwicklung einer »offenen und segmentübergreifenden Plattform«, über die dann die zahlreichen Prozesse gesteuert werden. Ein derartiger Ansatz sei in den führenden deutschen Smart Citys wie Frankfurt am Main, Berlin oder München bisher aber kaum erkennbar.
Als Vorbild für eine vernetzte Stadt wird oft Dubai genannt. In der mit 2,8 Millionen Einwohnern größten Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate rollen Roboter in Polizeiuniformen durch die Straßen und geben auf Englisch Antworten auf Fragen. Mit Hilfe von radarbestückten Drohnen spürt die Polizei Verkehrssünder auf. Strafzettel werden über eine App an das Smartphone geschickt. Über Gesichtserkennung, Nummernschilderkennung und der Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln kann die Polizei ein lückenloses Bewegungsprofil erstellen. Ob die Bürger von Dubai das alles wollen oder nicht, ist dabei zweitrangig. Es gibt keine Mitsprache, keine demokratischen Wahlen, keine Gewaltenteilung, keine Parteien oder Gewerkschaften. Die Entwicklung dieser Smart City ge- schieht unter der Herrschaft absoluter Monarchen.
Einer der Modernisierungsbereiche in Dubai ist die kommunale Verwaltung, die bis 2021 ohne Papier, Bargeld und Behördengänge auskommen soll. Auch in Deutschland gilt die Digitalisierung der Verwaltung als einer der größten Wachstumsbereiche.
Ob die Bürger diese digitale Vernetzung überhaupt wollen, wird in der Studie des Verbandes der Internetwirtschaft nicht gefragt. In Würzburg ging der Versuch, die Verwaltung zu digitalisieren, schon mal in die Hose: Die Bertelsmann-Tochter Arvato wollte 2006 mit einem Pilotprojekt in den Markt einsteigen, im Herbst 2010 wurde dieses beendet. Ergebnis: Die Verwaltung über das Internet habe sich als technisch zu aufwendig erwiesen, erklärte die Stadt, außerdem habe es Probleme mit dem Datenschutz gegeben.
Laut einer aktuellen Studie sollen sich die Umsätze auf dem Smart-City-Markt in Deutschland bis 2022 mehr als verdoppeln.