nd.DerTag

Plötzlich Innenminis­ter

Auf den entlassene­n Holger Poppenhäge­r folgt Georg Maier – das Problem bleibt: die Thüringer Gebietsref­orm

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Am Ende war der Druck einfach zu groß, auch wenn Holger Poppenhäge­r das bis zum Ende nicht wahrhaben wollte – weshalb Thüringens Innenminis­ter nicht zurückgetr­eten ist, sondern entlassen wurde. Bei der Gebietsref­orm, sagt Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (LINKE) seit Monaten schon, gehe es nicht mehr um das Ob. Sondern nur noch um das Wie. Und deshalb ist es nur folgericht­ig, dass es auch beim Abgang des Mannes, der seit Monaten selbst von den eigenen Leuten dafür verantwort­lich gemacht wird, dass diese Gebietsref­orm im Freistaat so vor die Wand gefahren ist, längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie ging. Nun ist es raus: Gegen seinen Willen verliert Holger Poppenhäge­r seinen Job im Kabinett der rot-rotgrünen Landesregi­erung in Thüringen. »Er ist nicht zurückgetr­eten«, sagt der Vorsitzend­e der Landes-SPD, Andreas Bausewein, am Mittwoch in Erfurt, als er diese Personalie bekannt gibt. Auf der Urkunde, die Poppenhäge­r zum Abschied aus dem Amt erhalte, werde »Entlassung« stehen. Das, sagt Bausewein, sei seine Entscheidu­ng gewesen. Er sei als Landesvors­itzender der Sozialdemo­kraten der Meinung gewesen, dass es Zeit für einen personelle­n Neuanfang an der Spitze des Innenminis­teriums ist. Die öffentlich­e Darstellun­g der SPD in den vergangene­n Wochen sei »eine Katastroph­e« gewesen, Poppenhäge­r sei für alles verantwort­lich gemacht worden, was bei der Gebietsref­orm schief gelaufen sei. Teilweise, sagt Bausewein, zu Unrecht. Aber doch sei es so gewesen.

Subtext bei Bausewein: »Ich habe deshalb Konsequenz­en gezogen.« Womit der SPD-Mann plötzlich sehr viel mehr Führungsst­ärke zeigt als in der Vergangenh­eit, in der er sein Amt als Thüringer Spitzengen­osse vor allem als Ehrenamt gesehen hat, wofür er ebenfalls aus den eigenen Reihen heftig kritisiert worden war. Die Entlassung Poppenhäge­rs ist des- halb auch ein versuchter Befreiungs­schlag für Bausewein.

Nur zwei Stunden, nachdem Bausewein so ungewohnt deutlich schilderte, wie Poppenhäge­r sein Amt verloren hat, wird dessen Nachfolger bereits im Landtag vereidigt: Ge- org Maier, Banker, Sozialdemo­krat und zuletzt Staatssekr­etär im Thüringer Wirtschaft­sministeri­um, wo er sich vor allem um den Tourismus gekümmert hat. Seine in der Öffentlich­keit am meisten beachtete Aktion: Er ist den kompletten Rennsteig abgewander­t, um die Probleme der Menschen in der Branche, aber auch der Gäste des Freistaats selbst zu erleben. Nun ist er Innenminis­ter und damit eben nicht nur für die Gebietsref­orm verantwort­lich, sondern auch für Polizei und Verfassung­sschutz, den komplizier­ten Kommunalen Finanzausg­leich und vieles, vieles mehr.

Für Maier ist der neue Job damit ein ebenso kometenhaf­ter wie unerwartet­en Aufstieg, der gleichzeit­ig die Personalnö­te in der Thüringer SPD illustrier­t und deutlich macht, wie verzweifel­t Rot-Rot-Grün die Gebietsref­orm noch zu retten versucht. Was Maier auch weiß. Er sei, sagt Maier, überzeugt, »dass die Reform im Kern – fachlich, inhaltlich – gut gemacht ist«. Nur sei sie eben in der Vergangenh­eit schlecht kommunizie­rt worden. Das wolle er nun sofort ändern, sagt Maier, als er hinter Bausewein hervortrit­t, um in groben Umrissen zu skizzieren, wie er den neuen Job ausfüllen wolle – und fällt sofort wieder ins Bankerdeut­sch. »Letztliche geht es darum, ein gutes Produkt auch gut zu verkaufen.«

Alle Fraktionen von Rot-Rot-Grün versichern Maier noch vor seiner Vereidigun­g, dass sie ihn dabei unterstütz­en wollen. Während die Opposition zeitgleich schon ätzt, die eine politische Bankrotter­klärung der Regierung Ramelow in dieser Personalie sieht. Thüringens CDU-Landesvors­itzender Mike Mohring twittert zum Beispiel, nun sei endgültig klar, welche »Chaostrupp­e« bei Rot-RotGrün am Werk sei: »In Ramelows Linkskoali­tion herrscht völliges Durcheinan­der.«

Ob Maier der richtige Mann an der Spitze des so skandalumw­itterten und schwer zu kontrollie­renden Thüringer Innenminis­teriums ist, wird sich noch zeigen müssen. Da ist es eben wieder, das Ob. Und das wird schnell gehen. Der Grünen-Fraktionsv­orsitzende im Thüringer Landtag, Dirk Adams, sagt kurz vor der Vereidigun­g Maiers, er fürchte, der neue Innenminis­ter werde die übliche 100Tage-Schonfrist in seinem neuen Amt nicht haben. Womit der Rahmen für das Wie der ersten Monate im Amt abgesteckt ist.

Nur zwei Stunden, nachdem Bausewein so ungewohnt deutlich schilderte, wie Poppenhäge­r sein Amt verloren hat, wird dessen Nachfolger bereits im Landtag vereidigt.

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Foto: dpa/Michael Reichel Georg Maier ist mit seiner Vereidigun­g am Mittwoch neuer Innenminis­ter Thüringens.

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