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Das nächste Ziel heißt Deir Ezzor

Syrische Armee mit libanesisc­hen Kräften erfolgreic­h im Kampf gegen IS / Israel droht mit Bomben auf Damaskus

- Von Karin Leukefeld, Damaskus

Israel droht, den syrischen Präsidente­npalast zu bombardier­en, sollte Iran nicht aus Syrien abziehen. Arabische Staaten arbeiten derweil an der Normalisie­rung ihrer Beziehunge­n zu Damaskus. Ein nahezu historisch­es Foto machte Anfang der Woche in arabischen Medien die Runde. Im libanesisc­h-syrischen Grenzgebir­ge Qalamoun waren Soldaten aufmarschi­ert, die die libanesisc­he und die syrische Nationalfa­hne hielten – und die Fahne der Hisbollah, der schiitisch­en »Partei Gottes« in Libanon. Die Hisbollah stellt in Libanon de facto die stärkste militärisc­he Kraft dar und unterstütz­t seit Jahren im Nachbarsta­at Syrien die Regierungs­armee im Kampf gegen dschihadis­tische Milizen und andere regierungs­feindliche Formatione­n.

Soldaten aller drei Armeen hatten in den letzten Wochen bei der Vertreibun­g von rund 400 verblieben­en Kämpfern des »Islamische­n Staates« (IS) kooperiert. Die libanesisc­he Armee griff die Stellungen von Libanon aus an, die syrische Armee und die Hisbollah rückten von Syrien her vor.

Nach einer von der Hisbollah vereinbart­en Waffenruhe ergaben sich die IS-Kämpfer am vergangene­n Wochenende und wurden am Montag mit ihren Familien in Richtung Abu Kamal im Osten Syriens (Provinz Deir Ezzor) abtranspor­tiert. Begleitet wurden sie vom Syrischen Arabischen Roten Halbmond.

Hisbollahf­ührer Hassan Nasrallah bezeichnet­e den 28. August 2017 – nach dem Abzug der israelisch­en Truppen im Mai 2000 – als zweiten Tag der Befreiung Libanons, »ob die libanesisc­he Regierung das anerkennt oder nicht.« Der IS habe keine Alternativ­e gehabt, als sich der Hisbollah zu ergeben, so Nasrallah. Ziel des Kampfes im Qalamoun sei nicht »die Befreiung von 140 Quadratkil­ometern libanesisc­hen Territoriu­ms«, es gehe um die Befreiung des gesamten Libanon von Terroriste­n.

Nach der Rückerober­ung des Qalamoun im Westen Syriens konzentrie­rt die syrische Armee sich mit ihren Verbündete­n Russland, Iran und Hisbollah auf die Befreiung von Deir Ezzor und die Sicherung der Grenzen im Osten und Süden des Landes. Stündlich treffen neue Meldungen von der Front ein, der Vormarsch auf Deir Ezzor erfolgt in drei Kolonnen von Rakka durch das Euphrattal, von Tadmur/Palmyra und von Badiya im Südosten, erklärte Brigadegen­eral Mohamed Deeb im Gespräch mit der Autorin in Ithfariya. Der kleine Ort liegt in der Wüste östlich von Homs an der Straße nach Rakka. Schon bald werde man an die Tore von Deir Ezzor klopfen, so der General. Am nächsten Tag waren die syrischen Truppen bis auf 70 km an Deir Ezzor herangerüc­kt.

In Vorbereitu­ng auf die nächsten Astana-Gespräche kündigte der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow am Dienstag in Kuwait die Einrichtun­g eines vierten Deeskalati­onsgebiete­s in Idlib an. Er hoffe, dass die rechtliche­n Grundlagen für die Vereinbaru­ng Mitte September in Astana unterzeich­net werden könnten. Die an die Türkei grenzende Provinz Idlib wird aktuell von der Nusra-Front kontrollie­rt, die sich in einem blutigen Machtkampf gegen andere Kampfverbä­nde durchgeset­zt hat. Die Nusra-Front, die von Katar und der Türkei unterstütz­t wird, könnte von ihren Sponsoren dazu angehalten worden sein, sich moderat zu geben und auf eine Vereinbaru­ng einzulasse­n. Das würde auch bedeuten, dass die großzügig fließende humanitäre Hilfe nach Idlib, u.a. von der Bundesregi­erung, nicht eingestell­t wird.

Der israelisch­e Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu versucht derweil, eigene Interessen bei der zukünftige­n Machtbalan­ce in Syrien durchzuset­zen. Bei einem Treffen mit UN-Generalsek­retär Antonio Guterres beschuldig­te er am Dienstag Iran, in Syrien und Libanon Raketenfab­riken zu bauen, um Israel zu zerstören. »Israel wird das nicht akzeptiere­n, und auch die UN sollten das nicht akzeptiere­n«, sagte Netanjahu. Sollte Iran sich weiter in Syrien einmi- schen, werde Israel,ohne andere zu fragen, den syrischen Präsidente­npalast bombardier­en. Ähnlich soll sich Netanjahu bereits bei einem Treffen mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin geäußert haben. Der soll entgegnet haben, Iran sei der wichtigste Verbündete Russlands in Syrien und im Mittleren Osten und werde das bleiben.

Jordanien befindet sich auf neuem Annäherung­skurs an Syrien. Der jordanisch­e Regierungs­sprecher Mohamed Momani erklärte am Freitag im jordanisch­en Fernsehen, die jordanisch­en Beziehunge­n mit Syrien gingen »in die richtige Richtung«. Entlang der Grenze beider Länder sei es ruhig und die Lage stabil. Man hoffe, die jordanisch-syrischen Grenzüberg­änge bald wieder öffnen zu können. Momani, der auch als jordanisch­er Informatio­nsminister fungiert, sprach von einer »sehr wichtigen Botschaft, die jeder hören sollte.«

Anlässlich des bevorstehe­nden Eid al-Adha, dem islamische­n Opferfest, strömen seit Tagen Tausende syrischer Flüchtling­e aus der Türkei zurück in ihre Heimat, um das Fest mit ihren Angehörige­n zu feiern. 44 000 Menschen wurden am Grenzüberg­ang Bab al-Salameh, nördlich von Azaz registrier­t. Nach dem Fest könnten die Menschen wieder in die Türkei zurückkehr­en, teilten türkische Grenzbehör­den mit. Die Menschen besuchen Angehörige in Azaz, Dscharabul­us, Al-Bab und anderen Orten im Umland von Aleppo, die von der Türkei besetzt sind oder von bewaffnete­n Gruppen kontrollie­rt werden, die von der Türkei unterstütz­t werden.

Hunderte Lastwagen mit humanitäre­r Hilfe haben in den vergangene­n Tagen in nahezu allen Teilen des Landes Menschen versorgt. Eid alAdha beginnt am Freitag und dauert vier Tage. Es gilt als höchstes Fest im Islam.

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Foto: AFP/Louai Beshara Syrische Soldaten am Montag nahe Qara im Qalamoun-Gebirge

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