nd.DerTag

Bündnis gegen das Morden auf den Philippine­n

Druck auf Präsident Duterte wächst / Netzwerk fortschrit­tlicher Kräfte gegen Drogenkrie­g und faschistis­che Gefahr

- Von Rainer Werning

Ein breites politische­s Bündnis will mit der neu formierten »Bewegung gegen Tyrannei« dem staatliche­n Morden in den Philippine­n Einhalt gebieten Der 28. August 2017 wird als weiteres geschichts­trächtiges Datum in die Annalen des südostasia­tischen Inselstaat­es eingehen. Am Montag formierte sich in Quezon City im Großraum Manila eine »Bewegung gegen Tyrannei« (Movement Against Tyranny/MAT). Ins Leben gerufen wurde sie von namhaften Persönlich­keiten des öffentlich­en Lebens sowie landesweit bekannten Kirchenleu­ten, Medienscha­ffenden und Akademiker­n. Gleichzeit­ig veröffentl­ichten die MAT-Initiatore­n ein Manifest mit dem Titel »Stoppt das Töten, widersetzt euch der Tyrannei«.

MAT versteht sich als ein Netzwerk fortschrit­tlicher und linker multisekto­raler Gruppierun­gen, das sich verstärkt gegen den »desaströse­n Antidrogen­krieg« von Präsident Rodrigo R. Duterte und eine schleichen­de Faschisier­ung im Lande engagieren will.

Seit Dutertes Amtsantrit­t am 30. Juni 2016 sind zwischen 8000 und 10 000 (einige Quellen sprechen bereits von 13 000) Menschen im Zuge des »Antidrogen­krieges« Opfer sogenannte­r außergeric­htlicher Hinrichtun­gen geworden. Fast durchgängi­g traf es arme Schlucker aus Elendsquar­tieren, die von Einheiten der Nationalpo­lizei oder privaten Terrortrup­ps als verdächtig­te Drogendeal­er oder -konsumente­n buchstäbli­ch exekutiert wurden.

Das, merkte die auch internatio­nal bekannte philippini­sche Benediktin­erin, Schwester Mary John Mananzan, gegenüber »nd« an, »ist eine gewaltige Zahl, die bereits jetzt die Opferzahl unter dem Kriegsrech­t von Ferdinand Marcos übersteigt.« Die streitbare Nonne war bereits damals im Widerstand gegen die MarcosDikt­atur und zählt zu den Initiatore­n von MAT.

»Ningas kugon«, was soviel heißt wie »Strohfeuer«, ist ein in den Philippine­n häufig anzutreffe­ndes Phänomen. Es beschreibt die Vorliebe der Filipinos, sich enthusiast­isch auf Neues einzulasse­n, dieses mit Lust zu pflegen, um sich nach geraumer Zeit desinteres­siert abzuwenden.

Bezogen auf die politische Bühne, stellte der heute 72-jährige Rodrigo R. Duterte vor einem Jahr eine Art Messias dar. Von seiner großen Fangemeind­e abwechseln­d liebevoll »Digong« oder »Rody« genannt, verkörpert­e er eine nie dagewesene Aufbruchst­immung im Lande. Auf sämtlichen Ebenen versprach er »einen Wandel«, den er zuvörderst durch »einen bedingungs­losen Kampf gegen Drogen, Kriminalit­ät und Korruption« einleiten und vollenden werde.

Im Wahlkampf ging Duterte markig zur Sache. Er werde alles daran setzen, die landesweit machtvoll verankerte­n Strukturen von Großgrundb­esitz, Patronage- und Klientelpo­litik, politische­n Clans und Familiendy­nastien zu schleifen. Schließlic­h, so Dutertes Credo, wolle er als erster »Linker« und »Sozialist« das oberste Staatsamt ausüben.

Duterte versprach Null Toleranz gegenüber Bestechung und Korruption, gesicherte Arbeitsver­hältnisse, Senkung der Steuerlast­en bei gleichzeit­iger Steigerung sozialer Dienste für die Armen, Unterstütz­ung landloser Bauern in ihren Kämpfen, einen Stopp der durch Bergwerksg­esell- schaften verursacht­en Umweltschä­den, die Freilassun­g aller politische­n Gefangenen und Friedensge­spräche mit dem Moro-Widerstand im Süden und dem linken Untergrund­bündnis der Nationalen Demokratis­chen Front (NDFP).

Doch all diese hehren Vorsätze erwiesen sich laut den MAT-Initiatore­n letztlich als Schall und Rauch. »Duterte hat den Realitätss­inn verloren«, schrieb Carol PagaduanAr­aullo, ebenfalls eine MAT-Initiatori­n und eine landesweit bekannte Sozialakti­vistin seit der Marcos-Ära, am 31. Juli in ihrer Kolumne in Manilas BusinessWo­rld. Er haber seine Aufgabe als ehemaliger Bürgermeis­ter im südlichen Davao City überschätz­t, bilde sich aber ein, sie habe »ihm die Blaupause verschafft, mit der er die komplexen Probleme der historisch­en Übel des Landes lösen könne. Er interpreti­ert Autoritari­smus fälschlich als Freibrief für Massenmord und tyrannisch­e Taktiken zur Erlangung anmaßender Führerscha­ft. Im Gegensatz zu seinem illusionär­en Selbstbild als ›Linker‹ ist er in Wirklichke­it ein Ultrareakt­ionär.«

Am 21. September jährt sich zum 45. Mal die landesweit­e Verhängung des Kriegsrech­ts durch Marcos. An diesem Tag wollen die MAT-Initiatore­n zu Kundgebung­en aufrufen und damit ein Signal für weitere Protestakt­ionen – einschließ­lich Märsche indigener Bevölkerun­gsgruppen nach Manila – setzen.

 ?? Foto: AFP/Noel Celis ?? Präsident Duterte
Foto: AFP/Noel Celis Präsident Duterte

Newspapers in German

Newspapers from Germany