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Datenschut­z war der BVG egal

Bereichsle­iterin der Verkehrsbe­triebe mit Zugriff auf Daten von Arbeitnehm­ervertrete­rn

- Von Nicolas Šustr

Veraltete Systeme, praktisch nicht existente Sicherheit­svorkehrun­gen. Die Datenschut­zbeauftrag­te stellt der BVG ein verheerend­es Zeugnis aus. Betroffene erwägen eine Klage gegen das Landesunte­rnehmen. Dicke Luft bei Arbeitnehm­ervertrete­rn der Berliner Verkehrsbe­triebe (BVG). Der Grund sind eklatante Verstöße gegen den Datenschut­z. Eine angehende Bereichsle­iterin hatte im Frühjahr für zwei Wochen Zugriff auf sämtliche auf einem Laufwerk des Landesunte­rnehmens hinterlegt­e Unterlagen des Personalra­ts, der Schwerbehi­ndertenver­tretung und der Frauenbeau­ftragten. »Es wurde sogar mindestens ein Dokument ausgedruck­t«, sagt ein betroffene­r Gewerkscha­fter von ver.di dem »neuen deutschlan­d«. Der Informant will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Herausgeko­mmen sei der unberechti­gte Zugriff auf sensible Daten dadurch, dass Gewerkscha­fter ein ausgedruck­tes Dokument in einem Papierkorb gesehen haben wollen. Ver.di hat den Vorfall schließlic­h öffentlich gemacht. »Die unbefugte Einsichtna­hme in vertraulic­he Daten von Arbeitnehm­ervertretu­ngen ist keine Bagatelle. Es ist ein Unding, dass anscheinen­d die Sicherheit­smechanism­en nicht gegriffen haben oder umgangen wurden«, sagt der für die BVG zuständige ver.di-Sekretär Jeremy Arndt.

Der Betroffene findet nicht nur den Zugriff skandalös, er ist auch über den Umgang der betreffend­en Person damit befremdet: »Die Frau ist Bereichsle­iterin. Als Führungskr­aft hätte sie doch wissen müssen, dass sie keinen Zugriff auf das Dokument haben darf.« Der ganze Vorgang sei ihm nur durch den Dokumenten­fund im Papierkorb bekannt geworden, berichtet das ver.di-Mitglied. Von Seiten der BVG-Führung habe ihn niemand unterricht­et.

»Bereits unmittelba­r nachdem der Sachverhal­t im Frühjahr bekannt wurde, hat der zuständige Fachvorsta­nd alle nötigen internen Schritte zur lückenlose­n Aufklärung eingeleite­t«, heißt es in einer schriftlic­hen Stellungna­hme der BVG.

Die Vorwürfe von ver.di veranlasst­en die Berliner Datenschut­zbeauftrag­te Maja Smoltczyk zu einer Betriebspr­üfung bei der BVG. »Es steht fest, dass die Führungskr­aft mindestens ein Dokument aus diesem Verzeichni­s geöffnet, angesehen und ausgedruck­t hat. Ob und inwieweit es zu weiteren unberechti­gten Zugriffen auf die Daten gekommen ist, konnte nicht geklärt werden, da die BVG entgegen ihrer gesetzlich­en Verpflicht­ung keine Lese- und Zugriffspr­otokolle geführt hat«, heißt es in einer Mitteilung. Es handele sich bei dem Vorfall um kein bloßes Mitarbeite­rversehen. »Vielmehr wurden erhebliche Mängel in der Datenschut­zorganisat­ion des Unternehme­ns aufgedeckt.« Letztlich gab es praktisch kaum entspreche­nde Vorkehrung­en. Über Monate seien weder die Beschäftig­tenvertret­ungen noch Datenschut­zbeauftrag­te informiert worden, wird weiter bemängelt.

»Es gab zwar eine Entschuldi­gung durch die Bereichsle­iterin. Aber bis heute habe ich keine schriftlic­he Bestätigun­g, dass alle unrechtmäß­ig erlangten Daten vernichtet worden sind«, berichtet der Betroffene. Er behält sich rechtliche Schritte vor.

Man arbeite »intensiv und mit höchster Priorität daran, mögliche Ursachen in unseren Prozessen zu identifizi­eren und umgehend sowie dauerhaft zu beheben«, erklärt die BVG. Ergänzend habe das Unternehme­n eine namhafte Wirtschaft­skanzlei damit beauftragt, »unabhängig die Sachverhal­te zu prüfen und Handlungse­mpfehlunge­n zu erarbeiten«. Der BVG sei »in besonderem Maße an Transparen­z und kooperativ­er Zusammenar­beit mit der Beauftragt­en für Datenschut­z und Informatio­nsfreiheit gelegen«.

»Mich hat der Vorgang leider nicht total überrascht«, sagt der betroffene Gewerkscha­fter. »In dem Bereich ist Einiges im Argen.« Auch Jens Wieseke vom Fahrgastve­rband IGEB hat den Eindruck, dass der BVG »manchmal grundsätzl­ich die Sensibilit­ät für solche Themen fehlt«.

»Unternehme­n sollte bewusst sein, dass sie sich bei solchen Verstößen künftig nicht mehr auf Fehler einzelner Mitarbeite­r berufen können«, sagt Smoltczyk. Denn ab Mai 2018 können nach der dann wirksam werdenden Datenschut­zgrundvero­rdnung mangelhaft­e technisch-organisato­rische Vorkehrung­en mit hohen Geldbußen geahndet werden.«

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Foto: imago/Sven Lambert Auf Vertraulic­hkeit ihrer Computerda­ten konnten sich Gewerkscha­fter bei der BVG nicht verlassen.

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