»Müller ist ein Förderer jüdischen Lebens«
Die Jüdische Gemeinde hält die Idee, Berlins Regierenden auf eine Antisemiten-Liste zu setzen, für falsch
Das Simon-Wiesenthal-Zentrum (SWZ) erwägt, den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) auf seine Liste der weltweit schlimmsten Fälle von Antisemitismus zu setzen. Zur Begründung heißt es, Müller habe sich nicht von der antiisraelischen Boykottkampagne BDS (Boykott, Divestment and Sanctions) distanziert. Auch habe Müller es versäumt, rechtlich gegen die Al-Quds-Demo im vergangenen Juni vorzugehen. Gehört Müller auf die Antisemiten-Liste? Die Entscheidung des hochgeschätzten SWZ ist unverhältnismäßig und falsch. Selbstverständlich wünsche ich mir vom Senat ein energischeres Engagement gegen Antisemitismus. Aber der Senat und auch Müller sind nicht untätig. Die Al-Quds-Demo fand unter strengsten Auflagen statt. Das Zeigen von Hisbollah-Fahnen war verboten, die Polizei hat judenfeindliche Slogans nicht zugelassen, der Innensenator und andere Regierungsmitglieder haben auf der Gegendemo gesprochen. In meinen Augen ist Müller ein Förderer jüdischen Lebens in Berlin und auch ein Freund Israels.
Auch der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde, Sigmount Königsberg, findet, Müller gehöre nicht auf die Liste. Er hat den Regierenden aufgefordert, den Beispielen von Frankfurt am Main und München zu folgen. Beide Städte haben kürzlich beschlossen, BDS zu ächten und der Gruppe keine öffentlichen Räume und finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Wird Müller nachziehen?
Ich halte es für dringend erforderlich, den Beispielen der beiden Städte zu folgen. Auch in Berlin darf es keine Plattform für BDS geben. Mit der Ächtung wird ein klares Zeichen gegen antiisraelische Hetze gesetzt. BDS war jüngst mit dem Boykottaufruf des »Pop Kultur Festivals« aufgefallen. BDS-Aktivisten hatten arabische Künstler zur Absage gedrängt, weil die israelische Botschaft den Aufritt einer Künstlerin mit 500 Euro bezuschusst hatte. Während Berlins CDU-Vorsitzende Monika Grütters die Boykottaktivitäten als »absolut unerträglich« und Kultursenator Klaus Lederer (LINKE) als »widerlich« verurteilt hatten, schwieg Müller. Warum tut sich der Regierende so schwer mit einer klaren Kante gegen BDS?
Im Gegensatz zu Grütters ist Lederer als Kultursenator Teil der Regierung. Das Musikfestival fiel in sein Ressort. Mit seinem klaren Statement gegen den BDS-Boykott hat er für die gesamte Koalition gesprochen. Nichtsdestotrotz ist es für die jüdische Gemeinschaft und die deutsch-israelischen Beziehungen wichtig, dass sich auch hochrangige Politiker wie Müller immer wieder gegen derartige Bestrebungen positionieren.
Wer steht hinter BDS in Berlin? Hinter BDS stecken antizionistische Israelis, linksradikale Gruppen und arabisch-palästinensische Aktivisten. Ihr gemeinsames Ziel ist die Vernichtung Israels. BDS ist keine Initiative, die sich kritisch und konstruktiv mit israelischer Politik auseinandersetzt, sondern unverhohlen Hass gegen Israelis und Juden schürt. Ihr gewalttätiger Charakter ist bekannt und gut dokumentiert. Erst im Juni hatten BDS-Anhänger eine Schoah-Überlebende bei einem Vortrag an der Humboldt-Universität beleidigt und bedrängt.
Im März hatten jüdische Gruppen die Teilnahme Müllers an einer Gedenkdemo an die Terroropfer vom Breitscheidplatz scharf kritisiert. Dort hatten auch Mitglieder von islamistischen Moscheevereinen gesprochen, die der Verfassungsschutz wegen Kontakten zu Hamas und Hisbollah beobachtet. Distanziert sich Müller ausreichend von solchen Organisationen?
Ich habe Müllers Teilnahme an solchen Veranstaltungen immer wieder kritisiert. In Zukunft wünsche ich mir einen sensibleren Umgang des Senats mit solchen Moscheevereinen.
SWZ-Chef Rabbiner Abraham Cooper hat Müller aufgefordert, als »Bürgermeister der wahrscheinlich wichtigsten Stadt Europas« eine Vorreiterrolle im Kampf gegen Antisemitismus einzunehmen. Wie kann eine solche aussehen?
Berlin muss deutlich mehr für den Kampf gegen antisemitische Ressentiments an Schulen tun. Jüdisches Leben sollte noch sichtbarer sein, als es schon ist. Durch mehr Förderung von Kulturprogrammen und Begegnungen. 70 Jahre nach der Schoah darf es keinen Platz für Antisemitismus geben. Das muss für alle politisch Verantwortlichen als Handlungsmaxime gelten.