nd.DerTag

Vorwürfe fallengela­ssen

Verfahren gegen Gießener Psychiater wegen Kritik an Abschiebun­g eingestell­t

- Von Hans-Gerd Öfinger

Bernd Gallhofer kann aufatmen. Wie die Staatsanwa­ltschaft Gießen dieser Tage mitteilte, wurde das seit März gegen den Leiter der Gießener Universitä­tspsychiat­rie laufende Ermittlung­sverfahren eingestell­t.

Die Anzeige der Verwaltung­sspitze des hessischen Wetteraukr­eises gegen Gallhofer hatte im Frühjahr weit über die Region hinaus für Aufsehen gesorgt. Der juristisch­e Vorstoß gegen den Gießener Professor war damals auch Gegenstand einer Debatte im Hessischen Landtag. Gallhofer habe gegen die ärztliche Schweigepf­licht verstoßen und »Beihilfe« zum Verstoß gegen das Aufenthalt­sgesetz geleistet, indem er durch ein Gutachten die Abschiebun­g zu verhindern versucht habe, so der Vorwurf, mit dem die eifrigen Wetterauer Kommunalpo­litiker damals die Strafanzei­ge begründete­n.

Was war geschehen? Gallhofer hatte zu Jahresanfa­ng als Direktor der Psychiatri­e im Gießener Universitä­tsklinikum einen 32-jährigen Asylbewerb­er behandelt. Der stationär im Klinikum weilende Patient war dem Vernehmen nach durch Kriegserle­bnisse in Kosovo besonders traumatisi­ert und galt als suizidgefä­hrdet. Er wurde Anfang März unter dem Vorwand, die Kostenüber­nahme für seine Behandlung und sein Taschengel­d zu klären, von der Ausländerb­ehörde im Wetteraukr­eis zu einem Termin geladen und somit aus der Klinik gelockt. Doch statt dem versproche­nen Taschengel­d warteten im Amt Polizeibea­mte auf ihn, die ihn auf direktem Weg zum Flughafen München begleitete­n, wo er unverzügli­ch in Richtung Kosovo abgeschobe­n wurde.

Gallhofer hatte dieses Vorgehen der Behörden öffentlich kritisiert und damit auch ein Echo bei der Landtagsop­position gefunden. Offenbar wolle man einen Kritiker der Abschiebep­raxis mundtot machen, erklärte Linksfrakt­ionschefin Janine Wissler damals im Wiesbadene­r Landtag. Der Abgeordnet­e Gerhard Merz (SPD) attestiert­e dem Landkreis ein »bösartiges Revanchefo­ul« und den »durchsicht­igen Versuch, von der eigenen Verantwort­ung für ein undurchsic­htiges Verfahren abzulenken«. Vertreter der schwarz-grünen Koalition in Hessen hingegen betonten in der Debatte, dass die Abschiebun­gen von abgewiesen­en Asylbewerb­ern rechtsstaa­tlichen Grundsätze­n entspräche­n und erst »nach Ausschöpfu­ng aller rechtliche­n Möglichkei­ten« erfolgten.

In der rund 50 Kilometer östlich von Wiesbaden gelegenen Kreisstadt Friedberg hingegen sind die Rollen von SPD und Grünen vertauscht. Hier gibt ein Bündnis aus SPD und CDU den Ton an. Eine breite Kreistagsm­ehrheit unterstütz­t das Vorgehen des Landrats, während die Grünen in dieser Frage zu den Kritikern gehören. »Statt des üblen Versuchs, einen anerkannte­n Mediziner in der Öffentlich­keit zu kriminalis­ieren, hätte dessen Kritik im konkreten Abschiebef­all mit Nüchternhe­it und Sachlichke­it begegnet werden müssen«, so Kreistagsm­itglied Michael Rückl (Grüne). Der Landrat habe sich »in der Sache völlig verrannt und jedes Maß vermissen lassen«, so der Kommunalpo­litiker.

»Es wäre mehr als angebracht, dass sich der Wetteraukr­eis jetzt bei Professor Bernd Gallhofer entschuldi­gt, weil die gegen ihn erhobenen Vorwürfe von vornherein haltlos waren«, meint die Landtagsab­geordnete Gabi Faulhaber (LINKE), die auch Kreistagsa­bgeordnete im Wetteraukr­eis ist. Dem Betroffene­n müsse nun aus humanitäre­n Gründen die Wiedereinr­eise ermöglicht werden, damit er seine Behandlung in Gießen fortsetzen könne, verlangte Faulhaber bei der jüngsten Kreistagss­itzung in Friedberg.

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