nd.DerTag

Rote Roben statt rote Sozen

- Von Martin Kröger

Innerlich dürfte Jan Stöß seit längerem mit Berlin abgeschlos­sen haben – zumindest parteipoli­tisch. Der 44-jährige Verwaltung­srichter wechselt jetzt nämlich zum Bundesverf­assungsger­icht nach Karlsruhe: Künftig wird sein Arbeitsleb­en also eher von roten Roben statt von roten Sozialdemo­kraten bestimmt sein. Als Jurist am obersten Gericht ziemt es sich nämlich, eine Distanz zur Parteipoli­tik zu halten. Stöß lässt deswegen auch ab sofort sein Amt im Bundesvors­tand der SPD ruhen. In Karlsruhe arbeitet Stöß als wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r einem der Robenträge­r beim Thema Grundrecht­e zu.

Eines der letzten Fotos auf seinem Twitter-Account mit Hauptstadt­bezug zeigt den ehemaligen Berliner SPD-Landesvors­itzenden Anfang Juli vor dem Roten Rathaus. »Zum Hoffest kommt man selbstvers­tändlich mit dem Fahrrad«, lautet der Text zum Bild. Wer Stöß kennt, weiß, dass dies ironisch gemeint ist. Denn wenn seine parteipoli­tische Karriere anders gelaufen wäre, dann wäre Stöß selber bei diesem Fest in einer Limousine vorgefahre­n: als Regierende­r Bürgermeis­ter. Das war lange das Hauptziel des knapp zwei Meter großen Hünen, dem es 2012 überrasche­nd mit rechten und linken Parteigeno­ssen gelungen war, Michael Müller als SPD- Landesvors­itzenden zu stürzen. Viele Beobachter gingen davon aus, dass das nur der erste Schritt zur Klärung der Nachfolge des damaligen Regierende Bürgermeis­ter Klaus Wowereit (SPD) gewesen ist. Am Ende kam es für Jan Stöß anders: Erst feierte Michael Müller 2014 im Dreikampf um die Wowereit-Nachfolge gegen ihn und seinen zeitweilig­en Bündnispar­tner Raed Saleh ein politische­s Comeback. Lediglich 20,9 Prozent der Basis wollten Stöß als Regierende­n sehen. Auch der Versuch, ins Abgeordnet­enhaus einzuziehe­n, misslang 2016.

Anders als andere Sozialdemo­kraten sah sich Stöß übrigens nie als Seitenlini­en-Meckerer. Und der Hauptstadt bleibt er verbunden: Die Wochenende­n will der offen schwul lebende Jurist auch künftig in Berlin verbringen.

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Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert Der SPD-Politiker Jan Stöß geht ans Bundesverf­assungsger­icht.

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