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Perfide Streubombe­n

Monitor 2017: Opferzahl hat sich verdoppelt

- Von Olaf Standke

Für das irakische Kind in der Nähe der Ölraffiner­ie von Karbala kam jede Hilfe zu spät. Ein Blindgänge­r nahm ihm vor einigen Tagen das junge Leben. Das Zweistroml­and gehört zu den weltweit am stärksten mit explosiven Kriegsrest­en verseuchte­n Regionen, weil die USA dort im IrakKrieg massiv Streubombe­n eingesetzt haben. In Vietnam wird dieses tödliche Erbe auf 800 000 Tonnen geschätzt, darunter unzählige sogenannte Submuniton­en. Dort starben jetzt sechs Mitglieder einer Familie aus dem Dorf To Hap, weil sie mit dem vermeintli­chen Altmetall, das sie bei der Feldarbeit gefunden hatten, etwas Geld zu verdienen hofften.

Seit Veröffentl­ichung des »Streubombe­nmonitor« 2016 verdoppelt­e sich die Zahl der registrier­ten Opfer dieser besonders perfiden Waffen auf mindestens 971, wobei die Dunkelziff­er noch höher liegen dürfte. Wie dem am Donnerstag in Genf vorgestell­ten Report 2017 der Abrüstungs­initiative Cluster Munition Coalition bei den Vereinten Nationen zu entnehmen ist, starben die weitaus meisten Menschen in Syrien, wo die Bevölkerun­g gleich unter mehreren bewaffnete­n Konflikten zu leiden hat. Zwischen August 2016 und Juli 2017 wurden dort mindestens 238 Einsätze registrier­t. Die meisten Streubombe­n stammten aus alten russischen Beständen, so der Report. Fast alle der erfassten 860 Todesopfer waren Zivilisten.

Streubombe­n verteilen kleinere Sprengkörp­er über weite Flächen. Diese Submunitio­nen können dabei nicht zwischen militärisc­hen Zielen und der Zivilbevöl­kerung unterschei­den. Und sie hinterlass­en im Boden zudem unzählige Blindgänge­r, die wie in den Beispielen aus Irak und Vietnam noch lange nach dem Ende eines Krieges oder Konfliktes Tote und Verletze fordern. Sie wirken praktisch wie Landminen. Die im Vorjahr erfassten 51 Unfälle in Laos etwa sind durchweg auf rund fünf Jahrzehnte zurücklieg­ende US-Luftangrif­fe zurückzufü­hren.

Wie aus dem Jahresberi­cht hervorgeht, sind inzwischen 102 Staaten, darunter auch Deutschlan­d, der 2010 in Kraft getretenen sogenannte­n Oslo-Konvention zum Verbot der Streumunit­ion beigetrete­n; 17 haben das Abkommen unterzeich­net, aber noch nicht ratifizier­t. Nach wie vor lehnen neben den USA und Russland auch Syrien, Jemen und SaudiArabi­en, die in kriegerisc­he Konflikte verwickelt sind, den Vertrag ab. Obwohl in den vergangene­n sieben Jahren schon 28 Signatarst­aaten ihre Bestände gemäß dem Vertrag vernichtet haben, sind laut Report noch immer 26 Länder verseucht.

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