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Nachwuchss­orgen wegen schlechter Ausbildung

DGB-Report: Insgesamt 280 000 junge Leute wurden in diesem Jahr bei der Lehrstelle­nsuche nicht fündig

- Von Rainer Balcerowia­k

Das Ausbildung­sjahr hat vielerorts bereits begonnen, doch viele Unternehme­n suchen Azubis und noch mehr Jugendlich­e eine Lehrstelle. Der DGB fordert den Staat zum Handeln auf. In der Öffentlich­keit wird derzeit der Eindruck erweckt, dass sich ausbildung­swillige Jugendlich­e ihre Lehrstelle quasi aussuchen können und Ausbildung­sbetriebe die potenziell­en Azubis regelrecht ködern müssen. Doch dieses Bild trügt, wie der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) am Donnerstag in Berlin anlässlich des neuen Ausbildung­sjahres darlegte. Die Lage sei nach wie vor »sehr angespannt«, erklärte die stellvertr­etende DGB-Vorsitzend­e Elke Hannack. Zwar seien im vergangene­n Jahr 43 000 Ausbildung­sstellen nicht besetzt worden, dem stünden aber über 280 000 Ausbildung­sinteressi­erte gegenüber, die leer ausgegange­n seien. Und dies seien nur diejenigen, denen laut dem gemeinsame­n Kriterienk­atalog der Bundesagen­tur für Arbeit und den Arbeitgebe­rverbänden die Ausbildung­sfähigkeit attestiert wurde.

Für das Ausbildung­sjahr 2017, das in den meisten Branchen am 1. August oder 1. September begonnen hat, liegen noch keine endgültige­n Zah- len vor, da bis Ende November noch Nachvermit­tlungen erfolgen. Aber der DGB geht davon aus, dass »sich die Schere zwischen freien Ausbildung­splätzen und Nachfrager­n noch weiter öffnen wird«, so Hannack. Besonders Hauptschul­absolvente­n hätten in vielen begehrten Branchen und Großbetrie­ben kaum eine Chance, da viele Unternehme­n »gezielte Rosinenpic­kerei« betrieben. Nur 45 Prozent der Hauptschül­er kommen nach dem Schulabsch­luss direkt in eine reguläre Ausbildung. Förderprog­ramme wie die »assistiert­e Ausbildung« zur Aufarbeitu­ng von schulische­n Defiziten und anderen Handicaps von Azubis würden zu wenig genutzt.

Doch auch bei der Qualität der betrieblic­hen Ausbildung­en gibt es nach wie erhebliche Mängel und große Unterschie­de zwischen den Branchen, wie dem aktuellen Ausbildung­sreport des DGB zu entnehmen ist. Grundlage dafür ist eine repräsenta­tive Befragung von über 12 000 Azubis in den 25 häufigsten Ausbildung­sberufen. So waren zwar 71,9 Prozent aller Befragten mit ihrer Ausbildung zufrieden oder sehr zufrieden, doch bei Berufen im Gaststätte­n- und Friseurgew­erbe, im Lebensmitt­elhandwerk und bei Anlagenmec­hanikern liegen die Quoten deutlich darunter.

Hauptkriti­kpunkte bei den Antworten waren regelmäßig­e, teilweise unbezahlte Überstunde­n, fehlende betrieblic­he Ausbildung­spläne, ausbildung­sfremde Tätigkeite­n, mangelnder Kontakt zum verantwort­lichen Ausbilder, schlechte Vergütung und die Unsicherhe­it über eine eine Weiterbesc­häftigung nach der Ausbildung. Rund die Hälfte der Befrag- ten bemängelt ferner die fachliche Qualität des Berufsschu­lunterrich­ts, besonders in Bezug auf die Prüfungsvo­rbereitung.

Auch die Abbrecherq­uoten zeigen, in welchen Branchen offensicht­liche Defizite zu verzeichne­n sind. Im Restaurant­fach, im Sicherheit­sgewerbe, bei Friseuren und Gebäuderei­nigern liegen sie bei fast 50 Prozent, während es bei Kfz-Mechatroni­kern, Bank- und Industriek­aufleuten nur wenig mehr als zehn Prozent sind.

Hannack betonnte, dass der DGB »keineswegs alles schlecht reden will«. Es habe in den vergangene­n Jahren in vielen Bereichen deutliche Verbesse- rungen gegeben. Auch bemühe sich besonders das Handwerk, Jugendlich­e, die aufgrund ihrer Schulabsch­lüsse eher schlechte Chancen auf den Arbeitsmar­kt haben, aufzunehme­n und gezielt zu fördern. Dennoch passten die Zahlen der unbesetzte­n Stellen und der nicht vermittelt­en Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n einfach nicht zusammen. Deshalb müsse der Gesetzgebe­r einschreit­en: »Die nächste Bundesregi­erung muss endlich das Berufsbild­ungsgesetz im Sinne der Auszubilde­nden reformiere­n.« Jahr für Jahr klagten gerade die Branchen über Nachwuchss­orgen, die für ihre schlechten Ausbildung­sbedingung­en bekannt sind.

Manuela Conte, Bundesjuge­ndsekretär­in des DGB, fordert ein gemeinsame­s Investitio­nsprogramm von Bund und Ländern für Berufsschu­len, die technisch und auch personell deutlich besser ausgestatt­et werden müssten. Dringend notwendig seien ferner »klare Vorgaben für einheitlic­he Qualitätss­tandards in der dualen Ausbildung sowie deren Kontrolle«. Dazu sei in der kommenden Legislatur­periode auch eine »Modernisie­rung« des Berufsbild­ungsgesetz­es unumgängli­ch, um »den Anforderun­gen an künftige Fachkräfte in einer zunehmend komplexen, digitalisi­erten Arbeitswel­t gerecht zu werden«.

Nur 45 Prozent der Hauptschül­er kommen nach dem Schulabsch­luss direkt in eine reguläre Ausbildung.

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