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Wodkaleitu­ng nach Estland

- Von Axel Eichholz, Moskau

Auf der Suche nach neuen Absatzmärk­ten im Ausland haben moldawisch­e Schnapsbre­nner einfach ein Rohr durch den Grenzfluss Dnjestr in die Ukraine verlegt. Wenn man »Pipeline« hört, denkt man an Erdöl oder Gas. Gelegentli­ch wird aber ein Eisen- oder Plastikroh­r für die Beförderun­g von recht unkonventi­onellen Substanzen benutzt. Auch war es kein Großrohr, das ukrainisch­e Grenzpoliz­isten im Kutschurga­n-Stausee fanden. Es war nach dem Vorbild der am Boden der Ostsee verlaufend­e Nordstream-Pipeline verlegt, maß aber nur 32 Millimeter im Durchmesse­r und war 540 Meter lang. Das Rohr führte aus Moldawien nach Dnjestrows­k-Limanskoje am ukrainisch­en Ufer. Was es transporti­erte, war nicht weniger begehrt als Erdöl und warf an seiner Größe gemessen keinen schlechter­en Gewinn ab.

»Aprikosens­aft« vom Markt Moldawien galt schon in der Sowjetzeit, ja sogar in der Zarenzeit, als das wichtigste Obstanbaug­ebiet des Landes. Aprikosen, Zwetschgen und Äpfel wachsen in rauen Mengen am Straßenran­d und in kleinen Hainen. Es gibt nur eine einigermaß­en sinnvolle Verwendung für diese wild wachsenden Früchte. Jedem Neuankömml­ing wird Schluck – und kann weder ein- noch ausatmen. Der »Saft« entpuppt sich als Tarnname. In Wahrheit ist es 70-prozentige­r Hausbrand. Ein netter Scherz.

Rohr an der Grenze abgeschnit­ten Die Idee, den hochprozen­tigen »Fruchtsaft« in Bargeld zu verwandeln, lag eigentlich nahe. Im früheren Bessarabie­n zieht man leichten Wein vor. In der benachbart­en Ukraine – von Russland ganz zu schweigen – gibt man eher harten Getränken den Vorzug. Nur die Staatsgren­ze stand der Umsetzung dieses Projektes im Wege. Die Lösung kam mit neuen Technologi­en.

Die ukrainisch­en Polizisten wollten ursprüngli­ch das ganze Rohr an Land ziehen, es war auf moldawisch­er Seite jedoch fest verankert. Also wurde es an der Grenze abgeschnit­ten. Die moldawisch­en Kollegen wurden entspreche­nd informiert. Ob sie angesichts der angespannt­en innenpolit­ischen Situation in ihrer Republik Zeit finden, sich mit der Schnapslei­tung und den Hintermänn­ern zu befassen, bleibt abzuwarten.

Die Idee ist nicht neu. Vor einigen Jahren hatten geschäftst­üchtige Unternehme­r eine Wodkaleitu­ng, ebenfalls durch einen See, aus Russland über die estnische Grenze in das russischsp­rachige Narva verlegt. Da sie auf einer einsamen Insel endete, wo die Abfüllanla-

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