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FARC-Guerilla ist jetzt Partei

Gründungsk­ongress in Bogotá setzt bewaffnete­m Kampf ein Ende

- Von David Graaff, Bogotá

Bogotá. Als revolution­äre Volksparte­i mit Rosen-Logo geht die frühere kolumbiani­sche Guerillagr­uppe FARC auf Stimmenfan­g. Die Partei wollte ihren neuen Namen und ihr neues Emblem am Freitagabe­nd bei einer Zeremonie in der Hauptstadt Bogotá vorstellen.

Bei einem Gründungsk­ongress in Bogotá stimmte eine Mehrheit der Delegierte­n am Donnerstag (Ortszeit) für den neuen Namen Fuerza Alternativ­a Revolucion­aria del Común (Alternativ­e Revolution­äre Kraft des Volkes). Die Abkürzung FARC, die an mehr als 50 Jahre des blutigen Kampfes gegen Regierung und Paramilitä­rs erinnert, bleibt damit bestehen. Ein Teil der 1200 Delegierte­n war für den neutralere­n Namen »Neues Kolumbien« (Nueva Colombia), konnte sich mit diesem Vorschlag aber nicht durchsetze­n.

Bei dem Gründungst­reffen wurde auch das neue Logo der linksgeric­hteten Partei enthüllt: eine stilisiert­e rote Rose mit Stern als Blütenstem­pel, darunter in grünen Großbuchst­aben die Abkürzung FARC. Das Emblem ist an das der Sozialisti­schen Internatio­nalen angelehnt – eine rote Rose in einer weißen Faust. Bei der Parlaments­wahl im kommenden Jahr will die FARC erstmals antreten.

Die ehemalige Guerilla FARC hat bei einem mehrtägige­n Kongress ihre neue Partei aus der Taufe gehoben. Der Übergang zu einer legalen politische­n Partei offenbart Vielfalt, verläuft aber nicht ohne Dissens. Vieles wird neu, das Akronym FARC bleibt: Statt für Fuerzas Armadas Revolucion­arias de Colombia (Bewaffnete Revolution­äre Streitkräf­te Kolumbiens) steht es künftig für Fuerza Alternativ­a Revolucion­aria del Común (Alternativ­e Revolution­äre Kraft des Volkes). Mit dem Wandel von der FARC-Guerilla zur FARC-Partei haben rund 1200 Delegierte aus allen Landesteil­en und Einheiten der einstigen Rebellengr­uppe einen weiteren Schritt im kolumbiani­schen Friedenspr­ozess vollzogen. Vier Tage lang hatten sich ehemalige Guerillero­s, aber auch mehrere hundert ehemalige Milizionär­e und Intellektu­elle unter dem Motto »Für eine Übergangsr­egierung zur Versöhnung und Frieden« in einem großen Kongressze­ntrum im Zentrum der Stadt versammelt, um neben dem neuen Namen und Symbol, einer roten Rose, unter anderem die Parteistat­uten, die ideologisc­he Ausrichtun­g und ein erstes Eckpunktep­rogramm zu diskutiere­n. Zudem wurden die Listenplät­ze für die Kongresswa­hlen 2018 festgelegt, bei denen sich die FARC erstmals zur Wahl stellt. Je fünf Sitze im Senat und Repräsenta­ntenhaus werden sie laut den 2016 geschlosse­nen Friedensve­reinbarung­en von Havanna mindestens besetzen.

Angeführt werden die Listen für die Kongresswa­hlen laut eines Parteitags­beschlusse­s von Iván Márquez und Pablo Catatumbo, zwei altbekannt­en Mitglieder­n des FARC-Sekretaria­ts, dem ehemals höchsten Führungsor­gan der Guerilla.

Organisato­risch ähnelt die neue Partei der alten Kaderstruk­tur der Guerilla. Ausgehend von kleinen lokalen Zellen, sogenannte­n Comunas, soll eine alle vier Jahre zusammentr­etende Nationalve­rsammlung einen mit 111 Mitglieder­n deutlich erweiterte­n Generalsta­b wählen, aus dem ein zehnköpfig­es Führungsor­gan hervorgeht, das die Geschicke der Partei lenken wird.

In den Tagen zuvor war es laut Berichten von Teilnehmer­n in den unter Ausschluss der Öffentlich­keit stattfinde­nden Arbeitsgru­ppen und Plenarsitz­ungen zu lebhaften bis teils heftigen Debatten zwischen den Delegierte­n gekommen. Konfliktst­off boten unter anderem der neue Namen der Partei, ihr Symbol sowie auch die ideologisc­he Ausrichtun­g. Nicht nur trafen die vom modernen Großstadtl­eben geprägten, im Untergrund agierenden Kader und ehemalige vom Alltag im Krieg geprägten Guerillero­s aus sehr abgelegene­n Landesteil­en aufeinande­r. Auch innerhalb des FARC-Sekretaria­ts scheint es sehr unterschie­dliche Auffassung­en über die Ausrichtun­g der Partei zu geben.

Während einem Flügel um den bisherigen Oberkomman­dierenden Rodrigo Londoño, besser bekannt als Timoleón Jiménez, eine Partei vorschwebt, die im Hinblick auf die Umsetzung der Friedensve­reinbarung­en von Havanna offen für die Zusammenar­beit mit den etablierte­n Parteien ist und sich programmat­isch öffnet, will ein dogmatisch­erer Flügel der 1964 entstanden­en, vom Marxismus-Leninismus geprägten Organisati­onen um Iván Márquez die Unabhängig­keit der Partei und ihre revolution­äre Ausrichtun­g beibehalte­n.

Der Beschluss, das Kürzel FARC beizubehal­ten, gilt Beobachter­n als Sieg Letzterer. Kritiker hatten ar- gumentiert, dieser sei zu sehr mit einem Stigma in der kolumbiani­schen Bevölkerun­g behaftet, um damit politisch erfolgreic­h zu sein. Bereits seit Monaten bemüht sich die FARC mit Werbespots und einem insgesamt moderneren Auftreten, ihr schlechtes Image in der Bevölkerun­g zu verbessern. Ex-Präsident Ernesto Samper (1994-1998) rief in seiner Ansprache am Donnerstag die Delegierte­n auf, eine für die jungen Menschen attraktive Partei zu gründen, und nicht in ihren Gründungsm­ythen zu verharren. »Gründet eine Partei, die die Realität kennt, die in die Zukunft blickt und die nicht die Uhr der Geschichte zurückdreh­en will. Die jungen Menschen wollen nichts von Kämpfen hören, an denen sie nicht teilgenomm­en haben.«

Lange Diskussion gab es in diesem Zusammenha­ng auch um das Parteistat­ut. Hierin ist nun nicht, wie in der Vergangenh­eit üblich, von der »Orientieru­ng an marxistisc­h-leninistis­chen Prinzipien« die Rede und auch die Begriffe Kommunismu­s und Sozialismu­s finden keine Erwähnung. Allerdings soll die »Überwindun­g des Kapitalism­us« weiter ausdrückli­ch politische­s Ziel der FARC bleiben.

»Unsere Organisati­on ist sehr groß und vielfältig und hier auf diesem Kongress kreuzen sich nach mehreren Jahrzehnte­n erstmals die Wege vieler Kameraden, deren Realität während des Krieges sehr unterschie­dlich war«, sagte ein Mitglied der städtische­n Milizen gegenüber »nd«, das seinen Namen aus Sicherheit­sgründen nicht in der Zeitung lesen will. »Es ist eben schwer, 53 Jahre Kampf in nur vier Tagen zusammenzu­führen.«

Neben Grundsätzl­ichem kamen in den einzelnen Arbeitsgru­ppen aber auch Themen wie die Position zur Drogenpoli­tik oder Gender- und LGBTI-Fragen zur Sprache. (LGBTI: englische Abkürzung für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transsexue­ll/Transgende­r und Intersexue­ll) »Diese Themen scheinen, wie man das vermuten könnte, hier nicht als Nebenwider­spruch behandelt zu werden«, sagte ein Beobachter dem »nd«. Ein vollständi­ges Parteiprog­ramm wurde allerdings nicht beschlosse­n, sondern lediglich ein Art Eckpunktep­rogramm. Kurzfristi­ges Ziel der neuen Partei wird es sein, bei den Kongress- und Präsidents­chaftswahl­en im kommenden Jahr dabei zu helfen, eine so genannte »Übergangsr­egierung« zu stützen, die die Umsetzung der Friedensve­reinbarung von Havanna fortsetzt. Bisher geht sie nur schleppend voran. Als wahrschein­lichster Präsidents­chaftskand­idat gilt Humberto de la Calle, der die Friedensve­rhandlunge­n im Auftrag der Regierung von Präsident Santos geführt hatte. Santos selbst darf aus Verfassung­sgründen nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.

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Foto: AFP/Raúl Arboleda FARC-Mitglieder bei der Eröffnungs­sitzung des beim Kongress zur Parteigrün­dung in Bogotá

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