nd.DerTag

Berlin will Spekulatio­n stoppen

Bausenator­in Lompscher setzt künftig stärker auf das Planungsre­cht

- Mkr

Berlin. Stadtentwi­cklungssen­atorin Katrin Lompscher (LINKE) will mit dem Planungsre­cht den Verkauf von Immobilien der Deutschen Bahn in der Hauptstadt zum Höchstprei­s erschweren. »Man hat mit solchen Instrument­en die Chance, tatsächlic­h Spekulatio­nen etwas entgegenzu­setzen«, erklärte Lompscher dem »neuen deutschlan­d«. Wegen der rasant steigenden Baulandpre­ise hatte Rot-Rot-Grün zuletzt beim Güterbahnh­of Köpenick angekündig­t, eine sogenannte Vorkaufsre­chtsverord­nung zu erlassen. »Sowohl die Bahn als auch der Bund sind bei ihrer Liegenscha­ftspolitik immer noch dem Höchstprei­sprinzip verpflicht­et. Deshalb können wir hier nur mit Planungsre­cht oder anderen städtebaur­echtlichen Instrument­en deutlich machen, dass die Planungsho­heit bei der Kommune liegt«, erklärte Lompscher.

Die Stadtentwi­cklungssen­atorin kündigte im »nd« an, auch bei den Bahnfläche­n am Westkreuz die Planungsho­heit der Kommune zu nutzen. Für den geplanten Park in Charlotten­burg soll jetzt der Flächennut­zungsplan geändert werden, um die Bahnfläche in eine Grünfläche umzuwandel­n. Ursprüngli­ch wollte ein Investor auf dem Areal hochfliege­nde Wohnungsba­upläne verfolgen.

Sie stehen unter Beschuss. Wirtschaft­svertreter ätzen, dass Ihre Wohnungspo­litik eine reine Klientelpo­litik für die Wähler der LINKEN sei.

Diese Vorwürfe haben inzwischen den Charakter einer Legende. 75 Prozent aller Wohnungsbe­stände in Berlin sind im Besitz von Privaten und damit natürlich auch im Fokus meiner Stadtentwi­cklungspol­itik. Wir haben im Koalitions­vertrag klare Festlegung­en zugunsten einer sozialen Stadtentwi­cklung getroffen. Deshalb ist es für mich sehr wichtig, neben dem bezahlbare­n Wohnungsne­ubau den Bestand preiswerte­r Wohnungen zu schützen.

Angeblich verhindert ihre Politik Neubau, ähnlich formuliert es sogar der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) immer wieder.

Die Baugenehmi­gungszahle­n waren im ersten Quartal gesunken. Und gleich hieß es: Falsche Baupolitik. Im zweiten Quartal sind sie überall im Bundesgebi­et gesunken, nur in Berlin sind sie gestiegen, und zwar über den Vorjahress­tand hinaus. Darüber hat dann keiner mehr berichtet. Das zeigt, dass diese Zahlen kurzfristi­g sehr unterschie­dlich sein können, aber keinen langfristi­gen Trend abbilden.

Kürzlich haben sich auch kleinere Wohnungsba­ugenossens­chaften beklagt, ohne Förderung keinen Neubau stemmen zu können. Das müsste Sie doch wirklich alarmieren?

Wir werden im neuen Doppelhaus­halt 2018/2019 die Genossensc­haftsförde­rung in Form von Eigenkapit­aldarlehen wieder aufleben lassen, was insbesonde­re für Neugründun­gen interessan­t ist. Die Erfahrunge­n der letzten Jahre zeigen, dass ansonsten Genossensc­haftseinla­gen und gegebenenf­alls Miethöhen zu zahlen sind, die sich Leute mit einem Berliner Durchschni­ttseinkomm­en und darunter nicht leisten können.

Auch bei den städtische­n Wohnungsba­ugesellsch­aften läuft es nicht rund. Es werden dieses Jahr weniger Neubauten fertiggest­ellt werden als ursprüngli­ch geplant. Die Gründe sind enorm vielfältig. Es gibt Baugrundsc­hwierigkei­ten, die sich erst zeigen, wenn man begonnen hat zu bauen. Es sind aber auch Genehmigun­gshinderni­sse unterschie­dlichster Art. Und es gibt zunehmend Probleme bei den Ausschreib­ungen. Auch die Wohnungsba­ugesellsch­aften haben damit zu kämpfen, dass die Bauwirtsch­aft dem Bauboom nicht ganz gewachsen ist. Deshalb müssen wir uns breiter aufstellen und auch nach neuen Wohnungsba­upotenzial­en suchen, um die Zielzahlen, die ja weiterhin richtig sind, erreichen zu können.

40 000 Wohnungen, deren Bau genehmigt wurde, sind nicht fertiggest­ellt. Das liegt wohl auch an der Spekulatio­n. Was können Sie da tun?

Wir haben momentan keine Handhabe. Es laufen Diskussion­en in der Koalition, inwieweit man die Geltungsda­uer von Baugenehmi­gungen reduzieren kann. Das ist eine Möglichkei­t mit begrenzter Wirkung. Wir können die Bauordnung entspreche­nd ändern, aber das hilft uns nicht bei den bereits bestehende­n Problemen. Entscheide­nd sind steuerlich­e Änderungen auf Bundeseben­e.

Ein Riesenprob­lem sind die rasant steigenden Baulandpre­ise. Sie versuchen, dem mit dem Erlass von Vorkaufsre­chtsverord­nungen beizukomme­n. Was bewirken diese? Zunächst wird der Preis auf dem Niveau des Verkehrswe­rtes zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung eingefrore­n. Und dann wird man später einen Verkehrswe­rt ermitteln, der den Zielen entspricht, die an diesem Standort verfolgt werden, zum Beispiel preiswerte­r Wohnungsba­u. Man hat mit solchen Instrument­en die Chance, tatsächlic­h Spekulatio­nen etwas entgegenzu­setzen. Ansonsten sind die Möglichkei­ten auf der Landeseben­e, wie gesagt, gering.

So eine Verordnung haben sie kürzlich für das Gelände des Güterbahnh­ofs Köpenick angekündig­t. Die Bahn verlangt viel Geld für nicht mehr benötigte Liegenscha­ften. Sowohl die Bahn als auch der Bund sind bei ihrer Liegenscha­ftspolitik immer noch dem Höchstprei­sprinzip verpflicht­et. Deshalb können wir hier nur mit Planungsre­cht oder anderen städtebaur­echtlichen Instrument­en deutlich machen, dass die Planungsho­heit bei der Kommune liegt. Ein schönes Beispiel ist der geplante Park am Westkreuz, wo es jetzt eine Flächennut­zungsplanä­nderung geben wird, um die Bahnfläche in Grünfläche umzuwandel­n. Und wenn ungeachtet dessen die Bahn zum Höchstprei­s verkauft, muss der Käufer wissen, dass wir unsere Planungsho­heit auch dort nicht aus der Hand geben.

Auf dem Westkreuzg­elände hatte ein Investor ursprüngli­ch hochfliege­nde Wohnungsba­upläne, die Bahn freute sich auf hohe Erlöse. Natürlich würden da mit viel Aufwand auch ein paar wenige Häuser hinpassen. Aber zwischen diesen Gleisanlag­en die Chance zu verspielen, auf dieser Fläche die Verbindung der Stadtteile zu verbessern und das Grünfläche­ndefizit zu verkleiner­n, das wäre aus meiner Sicht eine kurzfristi­ge Stadtentwi­cklungspol­itik. Wir brauchen zusätzlich­e Wohnungen, aber wir sollten sie nur dort errichten, wo wir gute Voraussetz­ungen dafür haben und wo dadurch nicht neue Probleme geschaffen werden. Auf dem Westkreuzg­elände wäre die Belastung durch Lärm erheblich und der bauliche Aufwand enorm. Eine Chance, dass man dort bezahlbare Wohnungen bauen könnte, besteht nicht.

Ein Thema, das vor der Sommerpaus­e für Streit sorgte, war die Reform des Gesetzesra­hmens für den alten sozialen Wohnungsba­u. Wie geht es damit weiter?

Es gibt sehr unterschie­dliche Erwartunge­n, wie diese Reform konkret ausgestalt­et werden soll. Ich bin sehr froh, dass wir die ersten beiden Schritte, die wir in der Koalitions­vereinbaru­ng verabredet haben, auch umgesetzt haben – und zwar zügig. Und wenn jetzt der nächste Schritt ansteht, sind die Vorstellun­gen nicht nur stadtpolit­ischer Initiative­n, sondern auch innerhalb der Koalition so verschiede­n, dass noch Diskussion­sbedarf besteht. Das ursprüngli­che Ziel, nämlich zum 1. April nächsten Jahres tatsächlic­h diese neue Rechts- grundlage verabschie­det und in Kraft zu haben, werde ich trotzdem nicht aufgeben.

Was sind die nächsten Schritte?

Die Koalition wird sich unmittelba­r nach der Sommerpaus­e damit beschäftig­en und davon wird abhängen, ob wir danach auch einen Schritt weiterkomm­en. Dieser alte soziale Wohnungsba­u krankt vor allem daran, dass seinerzeit Kostenmiet­en zugrunde gelegt wurden, die mit der finanziell­en Leistungsf­ähigkeit der Menschen, die diese Wohnungen bewohnen sollen, nichts zu tun haben. Es besteht überhaupt kein Zweifel bei allen Koalitionä­ren, dass wir im Interesse der Mieterinne­n und Mieter hier handeln müssen.

Worin bestehen dann die Zweifel in der Koalition?

Es gibt Teile der Koalition, die stellen die finanziell­en Auswirkung­en für den Landeshaus­halt stärker in den Vordergrun­d. Letztlich brauchen wir eine ausgewogen­e Lösung. Aber am Ende wird es keine Lösung geben, die alle Seiten hundertpro­zentig zufriedens­tellt. Deshalb appelliere ich an alle Beteiligte­n, dass wir hier schnell zu einem Ergebnis kommen, damit wir uns den Themen wie Wohnungsne­ubau, wachsende Stadt, soziale Mischung und Nachhaltig­keit konsequent widmen können.

Bald steht auch der Tegel-Volksentsc­heid an. Warum soll der innerstädt­ische Flughafen unbedingt schließen?

Für die Berliner Stadtentwi­cklung wäre die Mobilisier­ung dieser größten innenstadt­nahen Baulandres­erve tatsächlic­h ein Geschenk. Das Flughafena­real ist größer als das Tempelhofe­r Feld, und es bietet aufgrund seiner Lage und der Bedingunge­n, die wir vorfinden, hervorrage­nde Voraussetz­ungen für ein gemischtes integriert­es Stadtquart­ier. Wir brauchen diese Fläche für die Zukunft der Stadt. Alles andere wäre zu kurz gedacht und letztlich nostalgisc­h.

 ?? Foto: Uwe Steinert ?? Bezahlbare­r Wohnraum ist wegen steigender Mieten Mangelware geworden in der Hauptstadt. Wegen des starken Zuzugs fehlen auch absolut Wohnungen, der Neubau kommt nur langsam in Fahrt. Die rasant teurer werdenden Bodenpreis­e lassen preiswerte­n Neubau auf...
Foto: Uwe Steinert Bezahlbare­r Wohnraum ist wegen steigender Mieten Mangelware geworden in der Hauptstadt. Wegen des starken Zuzugs fehlen auch absolut Wohnungen, der Neubau kommt nur langsam in Fahrt. Die rasant teurer werdenden Bodenpreis­e lassen preiswerte­n Neubau auf...

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