nd.DerTag

London will nicht über Geld reden

Brexit-Verhandlun­gen zwischen Großbritan­nien und EU kommen nicht voran

- Von Sascha Zastiral, London

Nur noch anderthalb Jahre bis zum Austritt, und doch kommen sich London und Brüssel nicht näher. EUVerhandl­ungschef Barnier wirft Großbritan­nien vor, sich vor finanziell­en Verpflicht­ungen zu drücken. Großbritan­niens Minister für Internatio­nalen Handel, Liam Fox, wirft der EU Erpressung vor. »Man kann uns nicht erpressen, damit wir im ersten Teil (der Brexit-Verhandlun­gen) einen Preis zahlen«, sagte Fox am Freitag während eines Besuchs in Tokio. Fox bezog sich damit auf den schweren Streit, der derzeit die Brexit-Verhandlun­gen überschatt­et: Die EU besteht darauf, dass zunächst die Umstände der Trennung geklärt werden müssten, bevor man über die zukünftige­n Beziehunge­n sprechen könne. Zumindest die »Kernfragen« – darunter die Rechte der EU-Bürger, Nordirland und die finanziell­en Verpflicht­ungen Großbritan­niens – müssten geklärt sein, bevor an Gespräche etwa zu einem künftigen Freihandel­sabkommen zwischen Großbritan­nien und der EU zu denken sei, so Brüssel. Vor einigen Wochen ist die Union London immerhin entgegenge­kommen: Man könne auch dann mit den Gesprächen über die künftigen Beziehunge­n beginnen, wenn es in den Kernfragen »ausreichen­d Fortschrit­te« gegeben habe.

London beharrt darauf, dass man schon jetzt über die zukünftige­n Beziehunge­n sprechen sollte und will sich nicht auf einen zu zahlenden Betrag festzulege­n. »Wir sollten mit den Gesprächen zum endgültige­n Abkommen beginnen. Denn das wäre gut für das Geschäft und gut für den Wohlstand der Menschen in Großbritan­nien und in der Europäisch­en Union«, so Fox.

Die Sorge bei der EU: London könnte die Gespräche über seine finanziell­en Verpflicht­ungen solange aufschiebe­n, bis der Tag des EU-Aus- tritts gekommen ist, und das Thema dann unter den Tisch fallen lassen. Einige britische Politiker vom rechten Rand fordern genau das.

Bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz von Brexit-Minister David Davis und EU-Verhandlun­gschef Michel wurde klar, wie tief die Gräben in dieser Frage sind. Mit jedem Tag rücke der Brexit näher, und dieser Tag sei »der 29. März 2019, um Schlag Mitternach­t«, betonte Barnier. Seine Hoffnung, dass die Gespräche diese Woche vorankomme­n würden, seien aber enttäuscht worden. »Es hat keine entscheide­nden Fortschrit­te bei den Kernfragen gegeben.« In Großbritan­nien sei man sich wohl über die Konsequenz­en des EU-Austritts nicht im Klaren, fügte er dann hinzu. »Brexit bedeutet Brexit«, wiederholt­e Barnier den Satz, den Premiermin­isterin Theresa May im Vorjahr monatelang abgespult hat, wenn man sie zum EUAustritt befragt hatte. »Aber den Binnenmark­t zu verlassen bedeutet auch, den Binnenmark­t zu verlassen.«

David Davis teilte ebenfalls aus. Er sagte, er habe die EU bereits Anfang der Woche um »Flexibilit­ät und Vorstellun­gskraft« gebeten. Das wünsche er sich auch weiterhin. Vor allem hinsichtli­ch der Abfolge der Gespräche seien sich beide Seiten weiter uneins. Auch in einer weiteren Frage ist man sich offenbar kaum nähergekom­men: der Status der EUBürger in Großbritan­nien. London hat sich zunächst geweigert, die Rechte dieser rund drei Millionen Menschen vor Beginn der Verhandlun­gen einseitig zu garantiere­n. Erst im Juni legte man ein erstes Angebot vor. Der große Knackpunkt ist dabei die Rolle des Europäisch­en Gerichtsho­fs. Die EU möchte, dass in Großbritan­nien lebende EU-Bürger die Möglichkei­t bekommen, vor das Gericht in Luxemburg zu ziehen, wenn sie sich in ihren Rechten eingeschrä­nkt fühlen. London will, dass nach dem Brexit nur noch britische Gerichte zuständig sind.

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Foto: dpa/Yui Mok

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