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»Harvey« treibt die Benzinprei­se

Große Raffinerie­n und Teile der Ölförderun­g in den USA stehen still

- Von John Dyer, Boston

Der Wirbelstur­m »Harvey« hat das Herz der US-Ölindustri­e getroffen. Ein Viertel der Raffinerie­n ist stillgeleg­t, die Benzinprei­se steigen drastisch. Ausfall und Reparature­n können lange dauern. »Harvey« wirkt verheerend­er als ein Terroransc­hlag auf Texas: »Der Hurrikan hat ein Drittel der US-Raffinerie­kapazität für unabsehbar­e Zeit ausgeschal­tet«, kommentier­t Michael Weber, Direktor des Energieins­tituts an der Universitä­t Austin.

Das bekommt nicht nur Texas zu spüren – überall in den USA steigen die Benzinprei­se. Zunächst moderat um vier Cent pro Gallone (3,8 Liter). Aber es kann steil nach oben gehen, wenn die Ölprodukti­on im Golf von Mexiko sowie die Raffinerie­n in Texas und Louisiana länger ausfallen. Dort wütet der zum Tropenstur­m herabgestu­fte Hurrikan jetzt. Das klingt harmloser, ist es aber nicht. Denn »Harvey« bringt weiter gewaltige Regenmasse­n mit sich.

Die Raffinerie­n in der Region Houston sind momentan alle stillgeleg­t. Dort ist ein Viertel der Gesamtkapa­zität der USA angesiedel­t. Motiva, die in saudischem Besitz befindlich­e größte Raffinerie in den Vereinigte­n Staaten, wurde am Mittwochmo­rgen abgeschalt­et. Dennoch hat das Unternehme­n für die Rettungsar­beiten 500 000 Dollar gespendet. »Während der Tropenstur­m ›Harvey‹ nie gesehene Zerstörung in unserer Gemeinscha­ft angerichte­t hat, hat er auch den Geist von Texas aufgezeigt«, sagte Firmenchef Dan Romasko. Man sei stolz, seinen Sitz »in einem so besonderen Staat« zu haben.

Mit dem Ausfall von Motiva und anderen Raffinerie­n fallen jetzt täglich 2,6 Millionen Fass (à 159 Liter) an raffiniert­en Ölprodukte­n aus. Zudem ist der Hafen von Houston seit vergangene­r Woche geschlosse­n. Und rund 100 der 737 bemannten Ölförderin­seln im Golf von Mexiko seien evakuiert worden, teilte das US-Umweltschu­tzamt mit.

Wie hoch der Schaden an den Raffinerie­n ist, wie lange sie geschlosse­n bleiben müssen und wieviel an Kapazität in den nächsten Monaten ausfallen wird, ist bisher nicht absehbar, erklärten Analysten von Goldman Sachs. Noch gebe es aber große Reserven an Benzin, so der Automobilc­lub AAA. Damit könne der Preisauftr­ieb zunächst in Schach gehalten werden. Fallen die Raffinerie­n länger aus, werde sich das ändern: Die Benzinprei­se könnten um 20 bis 30 Cent steigen. Die gestiegene­n Transportk­osten würden auch Obst und Gemüse verteuern. »Und die Preise für Flugticket­s können steigen, wenn man zu Weihnachte­n seine Mutter besuchen will«, meint Wirtschaft­sprofessor Peter Morici von der University of Maryland.

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