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Linksrum geht’s in den Westen

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Die sprichwört­liche Wendung von den Ostberline­r Wahlkreise­n, in denen die PDS angeblich einen Besenstiel hätte aufstellen können, hat so nie gestimmt – nicht einmal in den Hochburgen Lichtenber­g und Marzahn-Hellerdorf. Auch dort mussten selbst prominente Kandidaten wie Gregor Gysi um Stimmen werben, damit sie wirklich gewinnen. Fakt ist jedoch: In Berlin verschwind­et die Mauer schneller aus den Köpfen der Menschen als im Rest der Bundesrepu­blik, wo das eine Generation­enfrage ist.

Die Herkunft spielt natürlich immer noch eine Rolle. In Kindheit und Jugend eingeübte Muster wirken nach, kulturelle Unterschie­de bestehen fort und die bitteren Erfahrunge­n der Ostdeutsch­en nach der Wende lassen sich nicht wegwischen. Doch anders als in der Provinz begegnen sich Ossis und Wessis in Berlin täglich. Sie sind Nachbarn, Arbeitskol­legen, Ehepartner. Der Blick öffnet sich zunehmend für eine eher inhaltlich­e als lokalpatri­otische Einstellun­g. Jemand, der in Kreuzberg zur Schule ging, ist dann unter Umständen mit seinen politische­n Ansichten sympathisc­her als der einstige Klassenkam­erad aus Friedrichs­hain, der völlig anders denkt und handelt.

Die PDS musste sich zählbar in den Westen ausdehnen, sonst wäre sie bei Bundestags­wahlen immer wieder untergegan­gen, auch wenn das Scheitern 2002 mehrere Gründe hatte. Die Vereinigun­g mit der Wahlaltern­ative Arbeit & soziale Gerechtigk­eit (WASG) zur Linksparte­i war eine historisch­e Chance, die genutzt wurde. Doch die LINKE büßte damit den Nimbus einer Interessen­vertreteri­n des Ostens ein.

Wer Wessis genauso wenig leiden kann wie Ausländer, überhaupt alles Fremde hasst, für den ist die LINKE im Prinzip nie die richtige Adresse gewesen. Doch nun wird dies auch für jeden klar. Die LINKE sollte eine Partei für alle Wähler sein, die Ungerechti­gkeit nicht ausstehen können, die nicht glauben können und nicht glauben wollen, dass der Kapitalism­us schon das Ende der Geschichte sei – egal, woher sie kommen.

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über Herkunft, Zukunft und die Bundestags­wahl Foto: nd/Ulli Winkler Andreas Fritsche

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