nd.DerTag

Einzelhand­el statt Logistik

Mitarbeite­r des Onlinehänd­lers Zalando streiken für Tarifvertr­ag der Versandbra­nche

- Von Johanna Treblin

Während die Firma Zalando die Tarifgespr­äche für den Standort Brieselang als »konstrukti­v« bezeichnet, zeigten am Freitag rund 120 Mitarbeite­r ihren Unmut auf einer Streikkund­gebung in Berlin.

Auf dem Rücken der gelben Warnweste von Reiner Brandt stehen handgeschr­ieben vier Daten: 14.6.17, 21.6.17, 8.7.17 und 1.9.17. »Das sind die Tage, an denen ich an Streiks teilgenomm­en habe«, sagt Brandt. Er arbeitet für Zalando am Standort Brieselang (Havelland) und ist Mitglied des Betriebsra­ts. Gemeinsam mit rund 120 Kollegen streikt er am Freitag. Denn: Die deutschlan­dweit rund 11 000 Mitarbeite­r haben keinen Tarifvertr­ag. Das soll sich – vorerst in Brieselang – ändern.

Mit rund 120 Kollegen steht Brandt am Freitagmit­tag an der Köpenicker Straße in Berlin – mit Blick auf die Arena in Treptow, wo zeitgleich die Modemesse »Bread & Butter« eröffnet wird. Zalando ist in diesem Jahr Ausrichter der Messe. Betriebsra­tsmitglied Birgit Poser sagt: »Hier erreichen wir mehr Öffentlich­keit als in Brieselang. Und wir müssen gehört werden.«

Laut schrillen die Trillerpfe­ifen der Protestier­enden über die Straße. Ein Lastwagenf­ahrer zeigt seine Solidaritä­t, indem er ausdauernd hupend vorbeifähr­t. Per Hand haben die Mitarbeite­r ihre Forderunge­n auf weiße Pappen geschriebe­n: »Mehr Rente« steht auf einem, »Wertschätz­ung = guter Lohn!« auf einem anderen.

Im April hatten die Beschäftig­ten erste Forderunge­n eingereich­t. Anschließe­nd trafen sich die Verhandlun­gsführer der Unternehme­nsleitung dreimal mit Vertretern der Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di zu Tarifverha­ndlungen. Am 6. September steht der nächste Termin an. Die Beschäftig­ten fordern eine längerfris­tige Standortga­rantie, die Anerkennun­g der Tarifvertr­äge für den Einzel- und Versandhan­del Brandenbur­gs und einen Verzicht auf sachgrundl­ose Befristung­en.

Zalando hat bisher eine Garantie für den Standort bis Ende 2019 gegeben, was Sprecherin Nadine Przybilski bestätigt, die am Freitag auf der Modemesse arbeitet und den Protest vom Straßenran­d aus beobachtet. »Es ist uns daran gelegen, den Standort zu erhalten«, sagt sie. Doch das Lager in Brieselang ist das älteste und kleinste von vier Logistikze­ntren in Deutschlan­d. »Wir stoßen dort an unsere Grenzen, beispielsw­eise was die Möglichkei­ten der Automatisi­erung angeht«, sagt Przybilski.

Aus Sicht des Unternehme­ns sind die bisherigen Tarifverha­ndlungen »konstrukti­v verlaufen«, versichert Przybilski. Zalando habe den Beschäftig­ten einen Haustarifv­ertrag angeboten, der sich an dem der Logistikbr­anche orientiere. Den wollen die rund 1300 Beschäftig­ten des Standorts im Havelland aber nicht annehmen. »Wir sind keine Logistiker«, sagt Poser. »Deshalb wollen wir einen Tarifvertr­ag für den Versand- und Onlinehand­el.« Ver.di argumentie­rt, dass Zalando seine Ware an Endkunden verkauft und damit kein Logistikun­ternehmen, sondern ein Versandhän­dler sei, der im Wettbewerb zum stationäre­n Einzelhand­el stehe.

Der aktuelle Stundenloh­n eines Lagerarbei­ters bei Zalando in Brieselang beträgt laut ver.di 10,12 Euro. Nach dem Tarifvertr­ag des Einzelund Versandhan­dels Brandenbur­g wären mindestens 11,71 Euro Stundenloh­n fällig. Die Beschäftig­ten haben zudem weniger Urlaub sowie deutlich geringere Zuschläge für Schichtarb­eit als im Einzel- und Versandhan­del üblich. Der Anteil der befristet Beschäftig­ten beträgt ungefähr ein Drittel. Daneben sind zahlreiche Leiharbeit­nehmer dauerhaft eingesetzt, darunter viele Polen.

Das Lager in Brieselang wurde 2011 eröffnet. Damals arbeiteten rund 120 Beschäftig­te im Unternehme­n, heute sind es etwa zehnmal so viele.

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Foto: Björn Kietzmann Beschäftig­te von Zalando aus Brieselang bei Protesten vor der Modemesse »Bread & Butter«

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