nd.DerTag

Helfer in Not

- Martin Ling

Jährlich sterben über Hundert Mitarbeite­r von Hilfsorgan­isationen im zivilen Einsatz. Auf ziviler Seite sind sie immer willkommen: die humanitäre­n Helfer. Wenn es darum geht, der darbenden Bevölkerun­g in Kriegen beizusprin­gen wie in Südsudan, Jemen oder Syrien, oder wenn es darum geht, Flüchtling­e vor dem Ertrinken zu retten. Überall versuchen sie die Menschen mit dem Nötigsten zum Überleben zu versorgen, seien es Lebensmitt­el oder medizinisc­he Notversorg­ung.

Auf militärisc­her Seite sind sie immer weniger willkommen. Zwar halten sich die allermeist­en Nichtregie­rungsorgan­isationen an das Prinzip der strikten Neutralitä­t und legen Wert auf die klare Trennung der humanitäre­n Hilfe von jeglichem Militär, doch die bewaffnete­n Gruppierun­gen ihrerseits nehmen es damit immer weniger genau. Dabei garantiert das humanitäre Völkerrech­t den Schutz von Helfern selbst im Krieg.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In den ersten Jahren des Jahrtausen­ds nahmen alle Formen von Gewalt gegen Helfer deutlich zu und seit ein paar Jahren verharren sie auf hohem Niveau. Das legen die jährlich erscheinen­den Aid Worker Security Reports nahe, die von der Beratungsg­esellschaf­t Humanitari­an Outcomes erstellt werden. Der aktuelle Bericht wirft ein Schlaglich­t auf die Zahlen von 2016: Demnach wurden 288 Mitarbeite­r von Hilfsorgan­isationen entweder umgebracht, gekidnappt oder ernsthaft verletzt; 2015 waren es 287. Unerreicht bleibt das Jahr 2013, in dem vor allem der Krieg in Syrien und der Bürgerkrie­g in Südsudan für traurige Höchststän­de sorgten: Damals wurden 460 Helfer zu Opfern von Gewalt, 155 starben – 2016 waren es 101.

Abgesehen von der Spitze 2013 ist die Zahl der humanitäre­n Helfer, die ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen mussten, im vergangene­n Jahrzehnt ziemlich konstant geblieben.

Die meisten Übergriffe auf Helfer erfolgten 2016 im Bürgerkrie­gsland Südsudan, dem jüngsten Staat Afrikas, darauf folgten Afghanista­n, Syrien, die Demokratis­che Republik Kongo, Somalia und Jemen. Die Angreifer sind teils bewaffnete staatliche Akteure, teils bewaffnete Paramilitä­rs.

Zwar hängt die zunehmende Gewalt gegen Helfer auch mit ihrer wachsenden Zahl zusammen, denn seit dem Jahr 2000 hat sich diese mehr als verdreifac­ht und Hilfsorgan­isationen arbeiten heute auch in einst unerreichb­aren Gegenden. Dennoch ist offensicht­lich: Die humanitäre­n Helfer geraten weit öfter ins Fadenkreuz, seit militärisc­he Interventi­onen westlicher Staaten ausdrückli­ch zu humanitäre­n Missionen erklärt wurden – angefangen von Irak 1991 über Somalia 1992 bis hin zu Mali 2013. Diese Vermischun­g von militärisc­hen Zielen mit humanitäre­r Hilfe, wie sie auch der einstige deutsche Entwicklun­gsminister Dirk Niebel (FDP) propagiert­e, hat zu einer größeren Gefährdung der humanitäre­n Helfer geführt. Nur eine Rückkehr zur strikten Neutralitä­t kann den Helfern mehr Sicherheit verleihen. In der Politik ist diese Botschaft freilich noch nicht angekommen.

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